Europäische Kommission: EU-Leitlinien zur Bekämpfung illegaler Inhalte veröffentlicht

Europäische Kommission: EU-Leitlinien zur Bekämpfung illegaler Inhalte veröffentlicht

Die EU-Kommission hat Leitlinien für Plattformbetreiber vorgestellt, die eine zügige Entfernung von mutmaßlich illegalen Inhalten im Netz vorsehen.

Mittels einer neuen Richtlinie will die Europäische Kommission verstärkt gegen illegale Internetinhalte, wie Hassreden, Aufrufe zu Gewalt oder Terrorismus, aber auch gegen Urheberrechtsverletzungen im Internet, vorgehen und hat dazu am 28.09.2017 Leitlinien für die Betreiber von Internetplattformen bekannt gegeben. Vor einem beabsichtigten Einsatz automatischer Uploadfilter bei Online-Plattformen warnen sowohl IT-Verbände, als auch Netzpolitiker.

Die Orientierungshilfe und Grundsätze der Europäische Kommission verlangen ein proaktiveres, wirksames Vorgehen von Online-Plattformen, wobei gemeinsame Instrumente künftig illegale Inhalte automatisch erkennen, zeitnahe entfernen und filtern sollen. Geplant ist auch ein Einsatz von automatischen Upload-Filtern, um zu verhindern, dass bereits Entferntes erneut hochgeladen wird. Aufgrund ihrer „zentralen Rolle und Fähigkeiten und der damit verbundenen Verantwortlichkeiten“, sollen die Onlinedienste „wirksame proaktive Maßnahmen ergreifen, um illegale Online-Inhalte zu erkennen und zu entfernen, statt sich nur darauf zu beschränken, auf eingegangene Meldungen zu reagieren“, heißt es in der Mitteilung der Kommission.

Vorgesehen ist weiterhin, dass Online-Plattformen in Zusammenarbeit mit nationalen Behörden, Mitgliedstaaten und vertrauenswürdigen Hinweisgebern (sog. „trusted flaggers“) die Bekämpfung illegaler Online-Inhalte intensivieren. Zur Umsetzung dieser Maßnahmen sind bereits bewährte Praktiken, wie leicht zugängliche Mechanismen, zu nutzen, die den Usern die Meldung illegaler Inhalte erlauben. Zudem sollten automatische Erkennungstechnologien eingesetzt werden, die für die Vorbeugung, Erkennung und Entfernung solcher Aussagen dienen sollen. Die Nutzer müssen sich bei einer Meldung nicht identifizieren, es sei denn, das wäre für die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Inhalte unbedingt erforderlich.

Die schnellstmögliche Durchführung der Lösch-Anordnungen sowie die Einhaltung fester Fristen wird durch die Kommission überwacht und geprüft. Auch die Vorlage von Transparenzberichten ist vorgesehen. Zudem sollen Sicherheitsvorkehrungen eingeführt werden zur Vermeidung überzogener Entfernungen von Inhalten („over removal“). Um wiederholtes Hochladen bereits gelöschter, illegaler Inhalte zu verhindern, fordert die Kommission „die weitere Nutzung und Entwicklung automatischer Instrumente“.

Laut EU stellen diese Leitlinien nur den ersten Schritt des von Präsident Juncker angekündigten Pakets zur Terrorismusbekämpfung dar. Es werden weitere Maßnahmen folgen, die aber wiederum von der Umsetzung der Richtlinien durch die Online-Plattformen abhängig sind. So sollen diese in den kommenden Monaten bis einschließlich Mai 2018 überwacht und bewertet werden. Falls zusätzliche Schritte angebracht wären, könnten durchaus auch gesetzliche Maßnahmen als Ergänzung des bestehenden Rechtsrahmens zum Einsatz kommen, gibt Brüssel bekannt.

Für Mariya Gabriel, Kommissarin für digitale Wirtschaft und Gesellschaft, sind diese Maßnahmen längst überfällig, denn: “Die Situation ist nicht weiter tragbar: In mehr als 28 Prozent aller Fälle brauchen Online-Plattformen mehr als eine Woche zur Entfernung illegaler Inhalte. Heute haben wir ein klares Signal gesetzt, um die Plattformen stärker in die Verantwortung zu nehmen.”

Kritik an den neuen Leitlinien kam vom Verband der Deutschen Internetwirtschaft (eco). Dieser warnt ausdrücklich davor, das bestehende Haftungsgefüge der eCommerce-Richtlinie auszuhöhlen, denn das habe sich als ausgewogen und funktionsfähig erwiesen. Schon heute unterstützten Plattformbetreiber und Internetprovider die Strafverfolgungsbehörden effizient bei der Rechtsdurchsetzung: “Der geltende Rechtsrahmen der eCommerce-Richtlinie ist ausgewogen und bietet schon heute alleMöglichkeiten für die wirksame Bekämpfung illegaler Internetinhalte”, wendet Oliver Süme, eco-Vorstand Politik und Recht, ein. “Die eigentliche Herausforderung ist die Rechtsdurchsetzung.” Genau an dieser Stelle sieht Süme die Verantwortung des Staates: Eine gezielte Strafverfolgung der Täter soll die Ursachen des Problems bekämpfen. Gleichzeitig soll die Öffentlichkeit für hetzerische, hasserfüllte Äußerungen und illegale Inhalte sensibilisiert werden: “Ein Abwälzen der Verantwortung bei der Rechtsdurchsetzung auf die Provider sowie die Einführung von automatischen Filtersystemen sind nicht akzeptabel.”, meinte er.

Weitere Kritik an den Leitlinien kam aus dem Europaparlament von der Piratenpolitikerin Julia Reda. Sie bezeichnete die Forderung nach automatischen Uploadfiltern als „gefährlichen Irrweg“. Die Überwachung aller Internetinhalte durch Filtersysteme höhle Grundrechte aus und führe mit Sicherheit zum irrtümlichen Blockieren legaler Inhalte. Denn derselbe Inhalt könne von Fall zu Fall und von Land zu Land legal oder illegal sein, je nachdem, ob der Nutzer eine Lizenz erworben habe oder sich auf eine nationale Urheberrechtsausnahme berufen könne. „Derartige Abwägungen können Algorithmen nicht leisten“, betont Reda. Sie beanstandet weiterhin, dass eine 2014 bestellte Studie zum Thema Urheberrechtsverletzungen mit einem Auftragswert von 360.000 Euro der Kommission im Mai 2015 übergeben, dann aber nicht veröffentlicht wurde. Erst rund zwei Jahre später – die Abgeordnete stellte einen Antrag nach dem EU-Informationsfreiheitsgesetz – gab die Kommission die 300-seitige Studie heraus. Reda fordert die Kommission dazu auf, die Debatte um die Urheberrechtsreform „auf ein sachlicheres Niveau zu bringen, indem sie relevante Zahlen und Fakten zeitnah veröffentlicht“.

Der grüne Netzpolitiker Jan Philipp Albrecht fordert eine „kohärente EU-weite Linie, wie Plattformen mit kriminellen Inhalten umgehen müssen“. Ein digitaler Binnenmarkt mit 28 unterschiedlichen Ansätzen zur Regulierung sei absurd.

Bildquelle: Jai79, thx! (CC0 Public Domain)

Über

Antonia ist bereits seit Januar 2016 Autorin bei der Tarnkappe. Eingestiegen ist sie zunächst mit Buch-Rezensionen. Inzwischen schreibt sie bevorzugt über juristische Themen, wie P2P-Fälle, sie greift aber auch andere Netzthemen, wie Cybercrime, auf. Ihre Interessen beziehen sich hauptsächlich auf Literatur.