Spiegelbest schreibt zum Besuch von Julia Reda im Gefängnis bei Peter Sunde von TPB. Warum machen es die anderen? Geld oder Gemeinsinn?
Sind wir Filersharer nicht alle ein wenig Peter Sunde? Wenn dies so ist, dann sitzen wir im Frühstücksraum, in einem Gefängnis in Västervik, einem bekannten Ferienort an der geschätzten Ferienküste des als liberal bekannten Schweden? Und wir bestellen – jeder von uns! – einen veganen Joghurt und bekommen ihn sogar. Dabei schauen uns gut 250 Knackies zu – halb amüsiert, halb ungläubig.
Gesondertes Besuchsrecht für Julia Reda
Als eine von uns hat sich Julia Reda auf den Weg gemacht, diesen Peter Sunde zu besuchen. Als Mitglied des Europäischen Parlaments – als von uns gewählte Vertreterin der Piratenpartei also – bekam sie gesondert Zugang. Sie besucht ihn im Wortsinn für uns, die wir kein Besuchsrecht haben.
Wer aber ist dieser Mann? Gut, er ist einer der Gründer von The Pirate Bay. Er ist nicht die Technik, sondern der Kopf. Das ist bekannt. Dennoch steht er für mehr, er steht für den einen der beiden Wege, den das Filesharing genommen hat. Für ihn geht es um Gemeinnutz, für andere geht es um Eigennutz. Diese beiden Wege – kommerziell und politisch engagiert – haben sich weit auseinander entwickelt. Während das kommerzielle Filesharing dagegen kämpft, von legalen Alternativen überflüssig gemacht zu werden, blieb das Netz unpolitisch. Die Entwicklung einer echten Netzpartei steht noch aus.
Nicht immer stellt sich diese Frage nach dem ‚Ich‘ oder nach dem ‚Wir‘. Aber wenn sie sich stellt, ohne vorherige Klärung, dann kracht es. Beispiel aus der Praxis: Als der Spendenstand für die Server und das Angebot bei Torboox abgedeckt war, hätten wir die Beiträge der Nutzer aussetzen können. Ich weiß es noch genau. Erst an diesem Punkt – bei all den Diskussionen vorher – habe ich darüber nachgedacht, wofür ich Torboox eigentlich mache. Viel zu spät ist mir aufgefallen, dass die beiden anderen Betreiber diese Frage für sich anders beantworteten als ich. Ich bin sehr sicher, dass ich nicht übervorteilt wurde. Es war einfach so, dass wir eine Frage, die an den Anfang gehört hätte, viel zu spät gestellt haben.
Ein gemeinsamer Joghurt mit Peter Sunde
Für mich war Torboox nur ein Zweck, kein Ziel an sich. Schauen wir uns Lul.to an, dann sehen wir eine Plattform, die nur und ausschließlich zum Zweck der Gewinnerzielung gegründet wurde. Während es bei Torboox ungeklärt war, wo die Reise hingehen sollte, ist diese Frage bei Lul.to früh beantwortet worden. Das Geld ist das Ziel, es gibt nichts darüber hinaus! Wir hatten früh Kontakt zu den Leuten von Lul.to. Es ging darum, Teile der Software von Torboox zu erwerben. Immer und ausschließlich ging es um Geld. Es ging um konkrete Summen, um die Abwicklung der Bezahlung, um Anteile an Lul.to und um persönlichen Einsatz dort.
Geld oder Gemeinsinn?
Ich habe im Netz diese zwei Typen von Aktiven getroffen. Die einen dachten direkt an Geld. Die anderen dachten an den Nutzen im Gemeinsinn, an die Szene oder die Community. Es ging oft durcheinander. Jemand, der an den Nutzen denkt, muss trotzdem seinen Server bezahlen. Und jemand, der nur an seinen Gewinn denkt, darf die Nutzer nicht vergessen. Und es geht auch im Kopf durcheinander: Bin ich Idealist oder Geschäftemacher? Die in Gelddingen wenig Talentierten hielten ihre Geschäftsunfähigkeit für Idealismus. Und anderen, denen in Gelddingen alles gelang, wird Eigennutz nachgesagt. Es herrscht Nebel und Verwirrung.
Was aber macht Peter Sunde so besonders? Sehen wir uns die anderen bekannten Gestalter des Internets an und fragen wir uns, ob sie ohne ihre Plattform oder ihr Angebot so bekannt wären, wie sie es sind. Den anderen Gründer von The Pirate Bay – Gottfrid Svartholm Warg – würden wir nicht kennen, denke ich. Was wäre Kim Dotcom ohne sein MEGA? Was wären Julian Assange, Chelsea Manning oder sogar Edward Snowden ohne ihre Files?
Und genau da haben wir Peter Sunde: Er wäre ohne The Pirate Bay nicht weniger bekannt. Von all den ‚Einzeltätern‘ ist er der Politiker.
Und die Stunde der Politik wird kommen …
Tarnkappe.info