Der Bundestag billigt ein neues BND-Gesetz: Zum einen die "Ausland-Fernmeldeaufklärung des BND" und die "Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste".
Der Bundestag hat am Freitag (21.10.2016) mehrheitlich für die Reform des Bundesnachrichtendienstes (BND) gestimmt. Schon zu Beginn des kommenden Jahres soll das Gesetz in Kraft treten. Heftige Kritik gibt es vor allem von der FDP. Die Liberalen bereiten bereits eine Klage vor. In dem von der Großen Koalition eingebrachten Paket sind zwei Gesetze enthalten: Zum einen die „Ausland-Fernmeldeaufklärung des BND“ und zum anderen die „Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste“.
BND bekommt neue Befugnisse
Das neue Gesetz gilt als Antwort auf die Enthüllungen von Edward Snowden über die Zusammenarbeit des BND mit dem US-Geheimdienst NSA. Es regelt die strategische Fernmeldeaufklärung von Ausländern im Ausland, also die Überwachung von Telefon und Internetverbindungen durch den BND, um an Informationen über Bedrohungen zu gelangen und die außenpolitische Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik zu wahren.
Dazu kann der Geheimdienst auch auf Internetknotenpunkte in Deutschland zugreifen, über die der weltweite Datenverkehr abgewickelt wird. Welche Telekommunikationsnetze überwacht werden, muss das Bundeskanzleramt festlegen. Mit dem Gesetz wird zudem eine neue Kontrollinstanz geschaffen. Ein unabhängiges Gremium aus zwei Richtern und einem Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof soll die Auslandsaufklärung überwachen.
Tritt das Gesetz in Kraft, darf der BND die auf der Grundlage von Suchbegriffen gesammelten Daten bis zu sechs Monate speichern und auch an ausländische Dienste wie die NSA weitergeben. Wirtschaftsspionage wird aber ausdrücklich untersagt, ebenso das gezielte Ausspähen befreundeter Staats- und Regierungschefs. Spionage gegen EU-Institutionen und -Mitgliedstaaten wird erlaubt, wenn es um Gefahren für die Bundesrepublik oder „Erkenntnisse von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung“ geht. Solche Aufträge muss der BND-Präsidenten oder ein Vertreter anordnen. Das Kanzleramt muss die Genehmigung dafür erteilen. Anlass für Überwachung können laut dem nun beschlossenen Gesetz beispielsweise der Kampf gegen den Terrorismus, illegalen Waffenhandel oder Schleuserkriminalität sein.
Scharfe Kritik von der Opposition
„Eine Erhebung von Daten aus Telekommunikationsverkehren von deutschen Staatsangehörigen, von inländischen juristischen Personen oder von sich im Bundesgebiet aufhaltenden Personen ist unzulässig“, heißt es unter anderem in dem neuen Gesetz.
Die Opposition stimmte am Freitag geschlossen dagegen. Grüne und Linke haben im Vorfeld und bei der vorangegangenen Debatte im Bundestag die damit verbundene Legalisierung massenhafter Überwachung scharf kritisiert.
Die ehemalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hat eine Klage gegen das neue BND-Gesetz angekündigt: „Eine solche Verfassungsbeschwerde ist dringend geboten“, sagte Leutheusser-Schnarrenberger dem „Handelsblatt“.
„Wir beraten in der FDP konkret, wie wir eine Klage gegen das BND-Gesetz vor dem Bundesverfassungsgericht auf den Weg bringen.“ […] „Der deutsche Auslandsgeheimdienst, der tief im Sumpf der illegalen Überwachung mit den USA und Großbritannien steckt, erhält neue, ausgedehnte Befugnisse, die teilweise verfassungswidrig sind“, sagte Leutheusser-Schnarrenberger weiter. „
Das Verhältnis von Freiheit und Sicherheit muss wieder ausbalanciert werden“, forderte die ehemalige Bundesjustizministerin. Das könne ohne eine effektive Kontrolle nicht gelingen. Stattdessen setze die Koalition auf Rechtssicherheit, zuallererst für die mit der Fernmeldeüberwachung betrauten Mitarbeiter beim BND. „Die Bundesregierung legitimiert mit ihrem Gesetz langjährig illegal praktizierte Überwachungen des Bundesnachrichtendienstes“, kritisierte Leutheusser-Schnarrenberger.
Aus Protest gegen den „großen Lauschangriff“, ein Gesetzespaket zur Telefonüberwachung, war Sabine Leutheusser-Schnarrenberger in den neunziger Jahren als Justizministerin zurückgetreten. Das von ihr und Mitstreitern angerufene Bundesverfassungsgericht verwarf das Gesetz später als rechtswidrig.
Fazit
Der Verband der Internetwirtschaft (eco) kritisiert, dass sich in dem neuen Gesetz keinerlei Beschränkung mehr findet. Damit gebe man grünes Licht für eine Komplettüberwachung des Internets. „Bisher gibt es eine Limitation von 20 Prozent dieser einen Leitung“, sagte Klaus Landefeld von eco Reuters TV. Jetzt richte sich die Überwachung auf das ganze Netz, jedes Limit falle weg. „Man hat in die Gesetzesbegründung tatsächlich reingeschrieben, das einzige Limit ist das Budget des Dienstes, weil mit dem Budget des Dienstes könne man nur einen kleinen Teil der Kommunikation überwachen.“
Der Grünen-Politiker Konstantin von Notz nannte das Gesetz dagegen verfassungswidrig. „Unsere Verfassung, die Grund- und Menschenrechte, sie sind kein Störfaktor beim Kampf gegen den Terrorismus, sondern sie sind die Grundlage dafür“, betonte er. Die Bundesregierung ziehe mit dem Gesetz eben nicht die Konsequenzen aus der NSA-Affäre. „Deswegen prophezeie ich Ihnen: Dieses Gesetz wird vor dem Europäischen Gerichtshof und vor dem Bundesverfassungsgericht scheitern.“
Die Linke-Abgeordnete Martina Renner warf der Bundesregierung vor, sie legalisiere damit eine anlasslose Massenüberwachung. Dadurch würden auch E-Mails und Telefonate von Deutschen dem BND ins Netz gehen, weil Filter nicht zuverlässig seien.
„Bedenkliches Grundrechtsverständnis“
Wolfgang Kubicki, der stellvertretende Bundesvorsitzende der FDP, warf der Großen Koalition ein „bedenkliches Grundrechtsverständnis“ vor. Mit dem BND-Gesetz rücke der „Überwachungsstaat ein großes Stück näher“, sagte er der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ „obwohl der Nutzen einer anlasslosen, verdachtsunabhängigen Massenüberwachung bis heute nicht erwiesen sei.“ Es sei „geradezu absurd“, dass ausgerechnet für den BND, der mit seiner Abhörpraxis öfter gegen Gesetze verstoße als alle anderen Bundesbehörden zusammen, das Grundrecht auf digitale Intimsphäre faktisch ausgehebelt werde. Nötig sei stattdessen eine effektivere Überwachung von Verdächtigen, forderte Kubicki. Dafür sei erstens mehr Personal für die Nachrichtendienste notwendig und zweitens eine bessere Vernetzung der Dienste durch ein EU-Terrorabwehrzentrum.
Die Koalition verteidigte das Gesetz. Dieses würde der Überwachung von Datenströmen in Krisenregionen wie etwa dem von der Extremistenmiliz IS beherrschten Gebiet in Syrien und dem Irak dienen. „Wie wollen wir denn auf Terrorverdächtige kommen? Wie wollen wir sie denn entdecken, wenn nicht so?“, fragte der CDU-Abgeordnete Clemens Binninger.
Der Zugriff auf die Internetknotenpunkte sei nötig. Nur so habe der BND überhaupt die Chance, Terror-Verdächtige zuvor zu bermerken. „Wenn es um die strategisch wichtige Überwachung solcher Verkehre ging, agierte der Bundesnachrichtendienst bisher in einer völligen Dunkelkammer“. So argumentierte der SPD-Abgeordnete Christian Flisek.
Tarnkappe.info