EU-Urheberrecht: Gspräch im Bundestag sorgte für Konsens und Kritik

EU-Urheberrecht: Gspräch im Bundestag sorgte für Konsens und Kritik

Deutschlands Kreativschaffende machen sich durch das Fachgespräch im Bundestag stark für eine nationalen Umsetzung der EU-Urheberrechts-Reform

Bündnis 90/Die Grünen luden am 6. Februar zu einem Fachgespräch bezüglich der nationalen Umsetzung des EU-Urheberrechts in den Bundestag ein. Vertreter aus der Kreativ-, Digital- und Musikwirtschaft sollten zum Thema Stellung beziehen. Unter den Gästen befanden sich u.a. Mark Chung vom VUT, Lina Ehring vom vzbv, Komponist Matthias Hornschuh und Google-Anwalt Georg Nolte, berichtet beta.musikwoche.

Umsetzung von EU-Urheberrecht beginnt nun auf nationaler Ebene auch für Deutschland

Nach langen und kontroversen Debatten über eine Urheberrechtsreform auf europäischer Ebene ist am 6. Juni 2019 die Richtlinie (EU) 2019/790 über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt (Directive on Copyright in the Digital Single Market) in Kraft getreten. Die Mitgliedstaaten haben nun zwei Jahre Zeit, die Richtlinienbestimmungen in nationales Recht umzusetzen. Bei dem Fachgespräch hat man über verschiedene Fragen debattiert. Darunter: „Sind die Versprechungen der Bundesregierung für die nationale Umsetzung, bspw. ohne die sogenannten Uploadfilter, rechtlich haltbar? Welchen Umsetzungsspielraum lässt die Richtlinie? Wie können wir Urheberinnen und Urheber stärken und wie die Nutzerinnen und Nutzer? Wie können wir die unterschiedlichen Interessen in einen fairen Ausgleich setzen?“ Konsent waren die Wünsche der Kreativschaffenden dahingehend, eine einheitliche Umsetzung der Reform in der ganzen EU ohne Spezialklauseln für Deutschland anzustreben sowie faire und angemessene Vergütung der Kreativschaffenden erzielen zu wollen. Ferner wäre noch die Frage zu klären, wie mit Livestreams verfahren werden soll.

Angemessene Vergütung von Kulturschaffenden steht im Vordergrund

Vorwiegend geht es in der EU-Urheberrechts-Umsetzung aber auch darum, dass digitale Plattformen, wie Facebook oder YouTube, künftig mit technischen Mitteln Verstöße gegen das Urheberrechtsgesetz verhindern sollen. Urheberrechtlich geschützte Werke müssen vor dem Hochladen ausnahmslos lizenziert werden. Konkret heißt das, Internetplattformen, wie Google, YouTube oder Facebook, solle man dazu verpflichten, Kulturschaffende oder Medien, die bei ihnen präsent sind, angemessen zu vergüten, indem sie deren Inhalte bei sich anbieten. Gleichzeitig sollen die Plattform-Betreiber aber auch für begangene Urheberrechtsverletzungen haften und werden mit dieser Maßnahme gezwungen, alle verdächtigen Inhalte proaktiv, noch vor einer Veröffentlichung, zu prüfen, um sie augenblicklich zu löschen.

Kritik wurde laut über Uploadfilter

Kritiker, wie Julia Reda, befürchten, dass YouTube & Co. deswegen künftig schon, um Ärger bezüglich der EU-Urheberrechts-Umsetzung zu vermeiden, Content gar nicht erst freigeben werden, statt irgendein Risiko einzugehen. In der Umsetzung dürften die großen Plattform-Betreiber dadurch gezwungen werden, „Uploadfilter“ einzusetzen, um geschütztes von gemeinfreiem Material zu unterscheiden. Einerseits sehen Kritiker in dieser Maßnahme eine neue Form der Online-Zensur. Denn wie wollen Uploadfilter Meme erkennen, Zitate oder Parodien? Zudem werden starke Einschränkung der Meinungsfreiheit sowie eine Bedrohung für das freie Internet befürchtet. Andererseits wollen die Befürworter der Reform dadurch einen gerechteren Anteil für Kulturschaffende und Journalisten erreichen.

EU-Urheberrecht: Politik lenkte ein und erntet Kritik

Upload-Filter werden nun in dem Vorschlag nicht mehr gesondert erwähnt. Zudem hat man in der Überarbeitung konkretisiert, dass die Verpflichtung nur für Portale zutrifft, die „große Mengen“ an Uploads anbieten würden und diese „bewerben“. Kleine Unternehmen wären von der Regelung folglich ausgenommen. Genau diese Zugeständnisse geben jedoch aktuell auf der Fachgesprächstagung im Bundestag Anlass zur Kritik. Matthias Hornschuh, Filmkomponist, Aufsichtsratsmitglied GEMA und Vorsitzender des Berufsverbands mediamusic, weist darauf hin, dass die im vergangenen Jahr heftig geführte Auseinandersetzung über Uploadfilter und die im Anschluss daran verabschiedete EU-Urheberrechtsnovelle als „Einknicken der Politik vor dem Mob auf der Straße“ gelten würde, berichtet golem.

Künstler kämpfen mit „Faust in der Tasche“ für ihre Rechte

Hornschuh führt aus, dass „große Teile der Kulturschaffenden massiv verbittert und empört“ wären. Bildhaft gesprochen hätten die Künstler noch immer „die Faust in der Tasche“. Aber auch die Grünen mussten Kritik von ihm einstecken. Demgemäß hätte: „Eine einzige Piratin die gesamte Debatte versaut“. Gemeint war Julia Reda, die erst auf Uploadfilter aufmerksam gemacht hätte und diese dann ins Zentrum der Diskussionen gerückt hat. Zudem brachte Hornschuh den Vorwurf an, dass keiner der Fraktionsmitglieder ihr Kontra gegeben hätte. Als Folge davon fühlten sich viele Künstler: „getrennt vom demokratischen System“. Eine Trennung von den Grünen wäre für sie aber auch keine Alternative. Ansonsten bezeichnete er die neuen EU-Vorgaben als zu vage. Einziger Pluspunkt wäre der europaweite Anspruch auf eine angemessene Vergütung: „Weiter als mit dieser Richtlinie konnten sich die Urheber nicht bewegen. Wir gehen in die kollektive Nutzung hinein“.

EU-Urheberrecht: Lizenzierung von Inhalten umgesetzt

Positiv wertete Mark Chung vom Verband unabhängiger Musikunternehmer*innen (VUT), dass Lizenzierung von Inhalten bereits aktuell umgesetzt würde. Entsprechende Verträge mit Apple und Deezer legten Zeugnis darüber ab. Nun wolle man noch mit Plattformen, wie Youtube & Co., auf Augenhöhe verhandeln, wobei Plattformen als Medienunternehmen gesehen werden sollten mit den damit verbundenen Rechten und Pflichten. Google-Sprecher Georg Nolte und Matthias Hornschuh plädierten gemeinsam für Lizenzverträge mit den Plattformbetreibern. Zudem wünschen sich die Kreativschaffenden eine Berücksichtigung jeder Kunstsparte. Unterschiedliche Bedürfnisse sollte man dabei anerkennen und besonders schützen. Da ein Upload-Filter-Einsatz bereits im Vorfeld der EU-Urheberrechts-Umsetzung  zu besonderer Kritik angeregt hat, wolle man einen Gesetzesentwurf aus den Niederlanden in Betracht ziehen, der die Satire-Freiheit als Sonderregelung mit einschließt.

Update vom 10.02.2020:

Gegendarstellung von Matthias Hornschuh:

Im Artikel „EU-Urheberrechts-Umsetzung: Fachgespräch im Bundestag sorgte für Konsens und Kritik“ vom 08.02.2020 auf Tarnkappe.info behauptet die Autorin Antonia, ich hätte folgende Äußerung gemacht:

Matthias Hornschuh, Filmkomponist, Aufsichtsratsmitglied GEMA und Vorsitzender des Berufsverbands mediamusic, weist darauf hin, dass die im vergangenen Jahr heftig geführte Auseinandersetzung über Uploadfilter und die im Anschluss daran verabschiedete EU-Urheberrechtsnovelle als „Einknicken der Politik vor dem Mob auf der Straße“ gelten würde, berichtet Golem.de.

Das habe ich nicht gesagt: nicht so und nicht so ähnlich, nicht im fraglichen Fachgespräch und nicht an anderer Stelle. Ich bin der festen Überzeugung, dass es das gute Recht eines jeden Menschen ist, sich demonstrierend gegen Dinge bzw. Entwicklungen zu wehren, die ihn ängstigen. Meine Kritik richtet sich daher gegen diejenigen, die diese Angst gezielt erzeugen, um sie sich für politische und oder wirtschaftliche Zwecke zunutze zu machen, und nicht gegen die Demonstrationsteilnehmer:innen.

Verschiedene Auslegungen

Die Quelle Golem verwendet dieselbe demagogische Formulierung, legt sie mir aber immerhin nicht als Zitat in den Mund.

Offenbar ungeprüft und zudem sinnverändernd wurden zudem weitere Äußerungen und Aussagen von Golem als Tatsachenbehauptungen übernommen, obwohl ein Quellencheck anhand des immerhin vollständig abrufbaren Streams der Veranstaltung möglich gewesen wäre.

EU-Urheberrecht
Bildquelle: geralt, thx! (Pixabay Lizenz)

Ich habe selbstverständlich nicht gesagt, die Künstler fühlten sich „getrennt vom demokratischen System“. Was für ein Unsinn: Immerhin saßen hier gerade mehrere Künstler:innen im Deutschen Bundestag und beteiligten sich an einer politischen Debatte.

Tarnkappe.info berichtet zudem folgendes über mich:

Ansonsten bezeichnete er die neuen EU-Vorgaben als zu vage. Einziger Pluspunkt wäre der europaweite Anspruch auf eine angemessene Vergütung: „Weiter als mit dieser Richtlinie konnten sich die Urheber nicht bewegen. Wir gehen in die kollektive Nutzung hinein“.

Das habe ich so nicht gesagt. Die vorgeblichen Äußerungen sind sinn- und zusammenhangslos. Zu den Sätzen im Einzelnen:

Ansonsten bezeichnete er die neuen EU-Vorgaben als zu vage.“ Das habe ich nicht gesagt, weil ich es nicht so sehe.

Einziger Pluspunkt wäre der europaweite Anspruch auf eine angemessene Vergütung:“ Das habe ich so nicht gesagt: Es ist keineswegs der einzige Pluspunkt, aber ein enormer Erfolg der Richtlinie, alle Urheber:innen europaweit auf ein einheitliches Schutzniveau zu hieven. Dass dieser Satz mit einem Fragezeichen endet, macht mich ratlos, hat er doch nicht das mindeste zu tun mit dem Satz, der auf ihn folgt …:

Korrektur zum Thema EU-Urheberrecht

Weiter als mit dieser Richtlinie konnten sich die Urheber nicht bewegen.“ Das habe nicht gesagt – zumindest nicht wörtlich. Der Sinn der falsch wiedergegebenen tatsächlichen Äußerung stellt nicht auf die Gesamtrichtlinie ab, sondern konkret auf Artikel 17 (vormals Artikel 13) in Verbindung mit den Artikeln 2 und 12 (vormals 9a). Damit nämlich Plattformen wie YouTube, Facebook etc. umfassende pauschale Lizenzen erwerben können, was die Richtlinie vorsieht, müssen die Urheber:innen, die Leistungsschutzberechtigten und ihre Partner diese Rechte zunächst in kollektive Systeme einbringen, und das möglichst vollständig. Das heißt für uns Urheber:innen ganz konkret, dass wir unsere grundrechtlich verbürgten, d.h. persönlichkeitsrechtlich bedingten Exklusivrechte (Bearbeitungsrecht, Filmherstellungsrecht etc.) kollektivieren müssen; damit setzen wir die einzige Verhandlungsmasse, die wir haben, ein, um einen Kräfteausgleich zwischen Inhalteanbietern, Nutzern und Plattformen zu ermöglichen. Mehr geht nicht, denn über mehr verfügen wir nicht.

Wir gehen in die kollektive Nutzung hinein“. Das habe ich nicht gesagt: Der Satz ist kompletter Nonsens. Wir befinden uns längst in einem System kollektiver Lizenzierungen, welches je nach Werkgattung unterschiedlich tief und weit ausgeprägt ist. Kollektivlizenzen und ihre Träger, die treuhänderischen Verwertungsgesellschaften (VG), werden durch die Richtlinie nachhaltig gestärkt, weil anders die angestrebte umfassende Pauschallizenzierung nicht möglich ist. Quasi einstimmig plädiert die Branche zudem für die Einführung des sog. Extended Collective Licensing (ECL), mit dem auch diejenigen Inhalteanbieter (bspw. User Generated Content etc.), die keine VG-Mitglieder sind, durch die Pauschallizenzen erfasst werden können, womit ihnen übrigens ein Vergütungsanspruch entstehen wird.

Gegendarstellung veröffentlicht

Diese Gegendarstellung wurde auch auf dem Blog des Komponisten Matthias Hornschuh veröffentlicht. Nach Kentnissnahme seines Postings auf Facebook, in dem Lars Sobiraj markiert wurde, haben wir Herrn Hornschuh zeitnah per E-Mail kontaktiert, um ihn um eine ausführliche Stellungnahme zu bitten.

Auf die sinnfreien Kommentare mancher Personen auf Hornschuhs Facebook-Seite möchten wir lieber nicht im Detail eingehen. Für dessen Inhalt sind in unseren Augen die jeweiligen Diskussionsteilnehmer und nicht der in Köln lebende Filmkomponist verantwortlich.

Foto Piqsels, thx! (CC0 1.0)

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Über

Antonia ist bereits seit Januar 2016 Autorin bei der Tarnkappe. Eingestiegen ist sie zunächst mit Buch-Rezensionen. Inzwischen schreibt sie bevorzugt über juristische Themen, wie P2P-Fälle, sie greift aber auch andere Netzthemen, wie Cybercrime, auf. Ihre Interessen beziehen sich hauptsächlich auf Literatur.