Um die Einhaltung von Diesel-Fahrverboten zu überprüfen, ist auf Deutschlands Straßen eine anlasslose PKW-Massenüberwachung geplant.
Digitalcourage warnt derzeit vor den Plänen der Bundesregierung einer PKW-Massenüberwachung. Um die Einhaltung von Diesel-Fahrverboten zu überprüfen, plant die Große Koalition eine bundesweite und zudem automatische Erfassung unzähliger Verkehrsteilnehmer. Der Diesel-Skandal, der eigentlich die PKW-Hersteller und die Bundesregierung selbst betrifft, droht zu einem bundesweiten Überwachungs-Skandal zu mutieren.
Automatisierte Kameraüberwachung geplant
Statt eine personalintensive Überwachung der Straßen durchzuführen, bei der viele Polizeibeamte zum Einsatz kommen würden, plant die Bundesregierung die angeordneten Diesel-Fahrverbote mittels einer automatisierten Kameraüberwachung durchzusetzen. Nach erfolgter Aufnahme der Autos soll laut Entwurf des „Neunten Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes“ automatisch ein Abgleich mit den Daten des Kraftfahrt-Bundesamtes erfolgen.
Den Fahrer des PKWs müsse man auch aufnehmen, weil er für sein Fehlverhalten haftet. Ohne Foto sei keine Identifikation des Fahrers möglich. Rein theoretisch soll die neue Datenerhebung für jeden Verkehrsteilnehmer erkennbar erfolgen. Außer es kommt zu einem Verstoß gegen das Diesel-Fahrverbot, dann müssen die Daten spätestens sechs Monate nach ihrer Erhebung gelöscht werden. Bei einem Treffer müssen die Daten hingegen sofort gelöscht werden, nachdem man den Verstoß der zuständigen Verwaltungsbehörde für Ordnungswidrigkeiten übermittelt hat.
Weit über das Ziel hinaus…
Gegenüber heise online kritisierte der Bundestagsabgeordnete Konstantin von Notz, dass der vorliegende „Vorstoß“ der Bundesregierung weit über das Ziel hinaus schießen würde. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) wolle offensichtlich anlasslos nahezu flächendeckend alle einfahrenden Autos auf Dauer überwachen. Der stellvertretende Vorsitzende der Grünen, von Notz, bezeichnete die geplante vollautomatische Überwachungs-Infrastuktur als „absolut unverhältnismäßig und verfassungsrechtlich bedenklich„.
Rechtfertigt der Diesel-Skandal die geplante PKW-Massenüberwachung?
In den Augen der Organisation Digitalcourage will der Bundesverkehrsminister Scheuer gerade durch die Hintertür die Büchse einer neuen Daten-Pandora öffnen. Die Ursachen der Abgas- und Umweltprobleme löst man nicht. Auch übt man keinen massiven Druck auf die Fahrzeughersteller aus. Stattdessen will die Bundesregierung mit dem geplanten „Autofahr-Überwachungs-Gesetz“ quasi nach dem Gießkannenprinzip alle Personen überwachen, die ein Auto fahren.
Digitalcourage schreibt auf ihrer Webseite „Die Autoindustrie soll im Dieselskandal geschont werden, die Bevölkerung wird mit Überwachung bestraft: Überall dort, wo Dieselfahrverbote oder andere abgasbezogene Verkehrsregelungen gelten, sollen massenweise automatisch die Gesichter der Fahrenden und die Fahrzeuge gefilmt werden. In der Praxis werden aber alle (Personen) im näheren Umfeld erfasst.“
Die Logik von Scheuer & Co. hat der Datenschützer Jochim Selzer mal wieder sehr schön bei Twitter auf den Punkt gebracht:
Was sind wir?
„Innenstädte!“
Was wollen wir haben?
„Saubere Luft!“
Was ist die Ursache?
„Dieselabgase!“
Was brauchen wir deswegen?
„KAMERAÜBERWACHUNG MIT AUTOMATISCHER KENNZEICHENERKENNUNG!“— Jochim Selzer (@jselzer) 16. November 2018
Da die Bundesregierung den Entwurf bereits Anfang November 2018 im Kabinett beschlossen hat, wird es nicht mehr lange dauern, bis darüber im Bundestag abgestimmt wird. Digitalcourage hat deswegen vor wenigen Tagen einen Appell gegen die geplante PKW-Massenüberwachung online gestellt, den man hier unterzeichnen kann. Weitere Informationen zu diesem Thema sind hier verfügbar.
Kommentar zur geplanten PKW-Massenüberwachung
Der eine oder andere geneigte Zuschauer wird sich fragen: Wer kann oder will die festgelegten Lösch-Fristen eigentlich überprüfen? Fraglich ist auch: Ist diese neue Massenüberwachung zielführend, weil man das Problem mal wieder beim Symptom und nicht bei den Ursachen bekämpfen will? Statt den Bürgern, die sich möglicherweise rechtswidrig verhalten, auf die Pelle zu rücken, wäre es schon vor X Monaten dran gewesen, die Hersteller der Dreckschleuder (Diesel-Fahrzeuge) endlich mal unter Druck zu setzen.
Diverse Hersteller haben nachweislich getrickst, als es um die Messung des Schadstoff-Ausstoßes ihrer Diesel-Fahrzeuge ging. Aber nein, erneut setzt die Bundesregierung dort an, wo mit weniger Gegenwehr zu rechnen ist. Statt bei Audi, Porsche VW oder wie sie alle heißen, Nägel mit Köpfen zu machen. So trifft es mal wieder das einfache Volk. Und dann wundert man sich im gleichen Atemzug über das um sich greifende Desinteresse der Bürger, wenn es um politische Themen geht? Oder über die vielen Protestwähler, die man mit solchen Aktionen erneut der AfD zuschanzt?
Beitragsbild von Jake Givens @ Unsplash, thx! (CC0 1.0)
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