Naziparolen und Pornografie in Kinder-Apps, die von Kindern ab 10 Jahren gespielt werden. Datenschutz ist so gut wie nicht vorhanden.
Experten der Stiftung Warentest haben 14 Spiele-Apps für Kinder getestet. Die Ergebnisse waren teils alarmierend. Naziparolen und Pornografie in Kinder-Apps, die von Kindern ab 10 Jahren gespielt werden sollen. Getestet wurden unter anderem Minecraft, Brawl Stars, Fortnite und Clash of Clans.
Dass Kinder-Apps, die eigentlich für unsere Kleinsten geschrieben wurden, in diversen Tests schlecht abschneiden, ist ja eigentlich nichts Neues. Bereits 2017 kam eine Studie zu dem Ergebnis, dass sehr viele dieser Spiele für Kinder meist bedenklich und inakzeptabel sind.
Kinder-Apps: Mobbing, Werbung & versteckte Kosten
Eine Studie von Stiftung Warentest im Juli 2017 kam zu dem ernüchternden Ergebnis, dass eigentlich kein einziges Spiel für Smartphones und Tablet-PCs empfehlenswert war.
- Mobbing: 19 Apps schützten Kinder zu wenig vor Mobbing und unangemessener Kontaktaufnahme durch Fremde.
- Werbung: 19 Apps nervten mit Werbung, die sich ohne klare Kennzeichnung mit dem Spiel vermischt.
- Kosten: Aus Spielen heraus drohten Folgekosten (In-App-Käufe) von bis zu 350 Euro pro Mausklick.
- Daten. Die meisten Apps übertrugen Informationen, die fürs Spiel nicht erforderlich sind.
Auch Forscher des International Computer Science Institute Berkeley untersuchten 2018 rund 5.800 vermeintlich familiengerechte Apps aus Googles Playstore (USA). Auch da waren die Ergebnisse mehr als erschreckend:
- Unrechtmäßig: Mehr als 3.300 von 5.855 geprüften Apps sammeln unrechtmäßig Daten von Minderjährigen.
- Standort- und Kontaktdaten: Fast 300 dieser Apps sendeten unerlaubt Standort oder Kontaktdaten ihrer – eben auch minderjährigen – Nutzer.
- Targeting: Mehr als 1.100 Apps übermittelten eindeutige Kennungen ins Internet, die etwa Targeting für individuell angepasste Werbung ermöglichen.
- Unverschlüsselt: Mehr als 2.300 Apps sendeten persönliche Daten ohne angemessene Sicherheitsvorkehrungen. Die DAten wurden unverschlüsselt übertragen.
Pornografie oder doch lieber „böse Juden“ töten?
Dass sich, seitdem wenig bis gar nichts getan hat, um die Sicherheit der Kinder beim Spielen eigentlich altersgerechter Apps zu gewährleisten, ist erschreckend. Unverständlich ist auch, dass Apps die speziell an Kinder gerichtet sind, nicht vom Gesetzgeber vor ihrer Veröffentlichung getestet werden. Eltern verlassen sich ja schließlich auf die Altersfreigabe des Herstellers. Kaum ein Elternteil rechnet damit, in einer Spiele-App, die für Kinder ab 10 Jahren freigegeben ist und speziell auf Kinder in dem Alter ausgelegt ist, Werbung für Pornografie oder rechtsradikale Parolen zu finden.
Stiftung Warentest stellte fest:
„Bedenklich“ war noch das beste Urteil.
„Unsere Ergebnisse sind alarmierend: Keine einzige App können wir empfehlen. 13 bieten inakzeptablen Kinderschutz, die am wenigsten schlimme, Pokémon Go, stufen wir als bedenklich ein.“
Kinder sollen „böse Juden“ töten
„Oft kommen die Gefahren aus einer Ecke, die Eltern nicht erwarten dürften: Wir fanden etwa Verweise auf Pornoseiten, Mitspieler mit rechtsextremen Pseudonymen und ein Spiel, in dem ‚böse Juden‘ getötet werden sollen. Die Android-Version von Subway Surfers für Kinder ab 6 Jahren blendete Werbung für ein Spiel ab 18 Jahren ein, in dem unablässig Menschen erschossen werden.“
Die Tatsache, dass auch der Datenschutz bei vielen Kinder-Apps durchgefallen ist, wundert an dieser Stelle kaum noch. Ob unzulässige Klauseln in den AGB oder schlicht und einfach für Kinder unverständlich erklärt: spätestens beim Datenschutz sind alle getesteten Apps durchgefallen.
Überwachung muss zugestimmt werden
Laut Datenschutz-Grundverordnung müssen die Datenschutzerklärungen für Dienste, die sich auch an Kinder richten, so formuliert sein, dass Kinder sie verstehen können. Hier ist jede der getesteten Apps durchgefallen. Keine einzige war kindgerecht, also leicht verständlich. Auch übertragen die Apps in den allermeisten Fällen weit mehr Nutzerdaten, als sie zum Funktionieren brauchen.
Die Stiftung Warentest sagt dazu:
„Keine der geprüften Apps hält sich an die Datenschutz-Grundverordnung. Auch deshalb bewerten wir den Datenschutz bei keinem Spiel als angemessen. Zudem übertragen die meisten von ihnen mehr Nutzerdaten, als sie zum Funktionieren brauchen. Ein Beispiel von vielen: Temple Run 2 übermittelt in der Android-Version Nutzungsstatistiken der Spieler an einen Analysedienst – selbst wenn der Nutzer das ‚Tracking‘ deaktiviert hat.“
„In den allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Apps fand unser Fachjurist zahlreiche unzulässige Klauseln. 10 der 14 Apps enthalten in der Android- und iOS-Version sehr deutliche Mängel. Die Macher von Angry Birds 2 erklären etwa, dass sie ihre Nutzer überwachen, und legen fest: „Du stimmst dieser Überwachung und Aufzeichnung unwiderruflich zu. Entsprechend willigst du ein, dass du keine Privatsphäre … erwartest, einschließlich, aber nicht beschränkt auf Chattexte oder Sprachnachrichten.“ Candy Crush zum Beispiel will keine Verantwortung für Verluste tragen, falls Betrüger auf das Nutzerkonto zugreifen“
Statt Kinder-Apps: Warum nicht mal wieder Mensch ärgere dich nicht?
Wirklich nichts, was im Netz und anderswo als „umsonst“ angepriesen wird, ist tatsächlich umsonst. Das sollte jetzt wirklich jeder begriffen haben. Der Markt für auf Kinder zugeschnittene Werbung ist riesig. Aber auch sonst wird alles an Daten gesammelt und ausgewertet, womit man Geld verdienen kann. Das kennen die Erwachsenen ja ganz genauso. Umso erschreckender ist es, dass viele Eltern ihren Kindern immer früher ein Handy oder einen Tablet-PC in die Hand drücken. Vielen Müttern und Vätern scheint immer noch nicht bewusst zu sein, dass eben auch ihre Kinder ganz klar für gewisse Firmen sehr interessant sind. Viele dieser Kinder-Apps sind nichts anderes als „verkappte“ Datensammel-Apps. Klar, je früher man anfängt das Netz mit seinen Daten zu füttern, umso mehr Daten stehen irgendwelchen Firmen über die Jahre hinweg für ein effektives Marketing zur Verfügung. Doch was haben wir davon?
Sicher, es mag bequemer sein für viele Eltern, wenn ihr Kind sich stundenlang durch irgendwelche Levels daddelt und nicht dauernd nach Aufmerksamkeit verlangt. Man macht sein Kind damit halt auch zu einem Produkt, was Firmen kommerziell ausschlachten. Ob unsere Kinder sich dafür bei uns eines Tages bedanken werden, darf man gerne bezweifeln.
Andere Frage: Wie wäre es mal wieder mit einer gemütlichen Runde Mensch ärgere dich nicht? Und sich nebenher ein wenig mit seinem Kind unterhalten? Da muss man sich sogar nicht mal über den Datenschutz oder irgendwelche AGBs, geschweige denn Altersbeschränkungen Gedanken machen.
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