Datenkraken und die Privatsphäre
Datenkraken und die Privatsphäre

Datenkraken: Nicht nur Google will wissen wo ihr seid und was ihr macht

Die Standortverfolgung von Google auf Android und iOS Geräten ist legendär. Aber es gibt noch viel mehr Datenkraken um uns herum.

Die Standortverfolgung von Google auf Android Geräten ist legendär. Datenschutz ist fast immer ein Riesen-Problem. Datenschützer gehen regelmäßig auf die Barrikaden. Strafverfolgungsbehörden reiben sich immer öfter die Hände. Mehr noch, mittlerweile hat die größte Datenkrake von allen eine „beispiellose“ Datenerfassung für Strafverfolgungsbehörden geschaffen. Eine Datenerfassung, der wir in der Regel immer und meist auch unwissentlich zustimmen. Aber auch sonst verrät unser Android Smartphone oder iPhone so einiges über uns. Und das unabhängig davon, ob wir das wollen, oder auch nicht. Warum stimmen wir der Datensammelleidenschaft unwissentlich zu, werden jetzt sicher manche Leser fragen. Man kann doch die Standortverfolgung in den Einstellungen ausschalten. Oder ich schalte einfach in den sogenannten „Flugzeugmodus„, oder nehme alternativ meine SIM-Karte aus dem Handy. Dann kann Google meinen Standort nicht mehr tracken und alles ist gut, denkt man. Warum das so nicht ganz richtig ist und was unser Androide bzw. iPhone und andere sonst noch so alles an Daten über uns sammeln, wollen wir uns heute in diesem Artikel einmal genauer anschauen.

Standortverfolgung: Google macht keine halben Sachen

Auch wenn wir den „Standortverlauf“ oder „Location History“ bei iPhones und Android-Smartphones deaktivieren, ortet die Datenkrake Google weiterhin seine Nutzer. Selbst wenn die Funktion „Standortverlauf“ ausgeschaltet ist, wertet Google bzw. Apps, die wir auf unserem Androiden installiert haben, den Standort des Nutzers aus und speichern diesen lokal auf dem jeweiligen Gerät. Öffnen wir bestimmte Apps oder Dienste, werden die Daten dann übertragen. Selbst im „Flugzeugmodus“ oder ohne SIM-Karte sammelt Google durchgehend im Hintergrund, also indirekt, Standortdaten zu jedem einzelnen unserer Schritte. Sobald unser Smartphone dann wieder Zugang zum Internet hat, werden die in der Zwischenzeit über uns gesammelten Daten automatisch zu Googles Sensorvault-Datenbank hochgeladen.
Nicht ohne Grund sprach die New York Times Anfang des Jahres von einem Segen für alle Strafverfolgungsbehörden weltweit.
Law enforcement officials across the country have been seeking information from a Google database called Sensorvault – a trove of detailed location records involving at least hundreds of millions of devices worldwide„. (NYT)

Reverse Location Search: Standortverlaufsdaten von Google werden routinemäßig mit der Polizei geteilt

Ja, spätestens an diesem Punkt werden viele Leser sagen: „Warum sollte mich das interessieren? Ich habe doch nichts zu verbergen„. Aber nur, weil man nichts zu verbergen hat und unschuldig ist, heißt das leider nicht, dass man sich deswegen keine Gedanken machen sollte. Manchmal reicht es schon aus, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein. So erging es z.B. 2018 einem Lagerarbeiter aus Phoenix (USA). Bei einer Mordermittlung geriet er durch den Standortverlauf seines Handys ins Fadenkreuz der Mordkommission. Er saß eine Woche in Haft, bevor er wegen der Mordsache entlastet werden konnte. Das Forbes Magazin hat erst kürzlich wieder über dieses Thema berichtet. 1.494 Geräte-IDs konnte Google an die Ermittlungsbehörden von Milwaukee, Wisconsin zwecks Ermittlungen in einem Fall von Brandstiftungen übergeben. Und das sogar überraschend schnell. Jerome Greco, ein öffentlicher Sprecher der Digital Forensics Unit der Legal Aid Society, erklärte gegenüber Forbes:
Die Anzahl der in diesem Bereich identifizierten Telefone zeigt zwei wichtige Punkte. Zum einen wird anhand dieses Beispiels gezeigt, wie viele Bewegungen pro Minute von Google derzeit genau erfasst werden können. Zweitens zeigt es die verfassungswidrige Natur von Reverse-Location-Search-Befugnissen, da sie von Natur aus in die Privatsphäre zahlreicher Personen eingreifen, denen alle zustimmen, dass sie mit dem untersuchten Verbrechen nichts zu tun haben, und nur die Möglichkeit bieten, einen Verdächtigen zu identifizieren.“ (Jerome Greco)
Dieses gigantische Datenschutzproblem betrifft nicht nur weltweit ca. zwei Milliarden Nutzer von Android-Geräten. Auch Hunderte Millionen iPhone-Nutzer weltweit sollten sich darüber Gedanken machen. Wer jetzt neugierig geworden ist, kann sich ja einmal anschauen, was Google so alles über uns weiß.

Kann ich meine Standortverlaufsdaten sehen? Was weiß Google noch?

Wer sich schon einmal durch die ganzen Datenschutz-Erklärungen und Optionen von Google geklickt hat, weiß, dass man da schnell den Überblick verlieren kann. Einiges ist so tief „vergraben„, dass man es gerne übersieht. Darum hier eine kleine Sammlung nützlicher Links, die allen Lesern zeigen werden, was Google so alles weiß. Aber auch wie Google euch sieht, bzw. was der Internet-Riese über euch denkt.
  • Findet heraus, was Google über euch denkt: Um relevante Anzeigen schalten zu können, erfasst Google Daten von euch und erstellt damit ein Profil. Ihr könnt die Informationen, die Google über euch hat, hier kontrollieren und überprüfen.
  • Findet euren Standortverlauf heraus: Versendet mein Android-Mobilfunkgerät möglicherweise Standort-Daten an Google? Hier kann man sich jeweils den gesamten Standortverlauf eines Nutzers anschauen.
  • Wer will, kann das komplette Google-Suchprotokoll in Erfahrung bringen: Google speichert jede einzelne Suche, die ihr jemals durchgeführt habt. Darüber hinaus wird jede Google-Anzeige auf die eine Person jemals geklickt habt, gespeichert. Dieses Protokoll ist in den Steuerelementen der Google Web History verfügbar.
  • Überblick über Apps und Erweiterungen, die auf unsere Google-Daten zugreifen:
  • Die Kontoaktivitätsseite bietet auch eine Liste aller Apps, die auf eure Daten zugreifen können. Den genauen Typ der Berechtigungen, die der App erteilt wurden, könnt ihr hier einsehen. Wer will, kann dort auch den Zugriff auf die eigenen Daten widerrufen.
Nicht zu vergessen YouTube. Auch hier speichert der Gigant natürlich jede jemals von uns gemachte Suchanfrage.

Ja, und was ist mit unserer digitalen Privatsphäre?

Datenschutz - Süddeutsche Aber nicht nur die ewige Datenkrake Google oder irgendwelche Ermittlungsbehörden sind an unseren Daten interessiert. Die Süddeutsche Zeitung hat eine sehr umfangreiche und schöne Reportage (es sind Paywall Artikel dabei) mit sehr gut recherchierten Fakten zum Thema digitale Privatsphäre gemacht. Sehr gut nachvollziehbar erklären sie uns, wer da noch so alles an unsere Daten will. So erfahren wir z.B. das Google immer noch die Nr.1 im Datensammeln ist. Dicht gefolgt von Facebook auf dem 2. Platz. Auf dem dritten Platz finden wir dann allerdings gleich einen Smartphone-Hersteller. Xiaomi sammelt von den vielen Handy-Herstellern am meisten Daten über uns. Aber das ist für viele Handy-Nutzer, die sich schon einmal mit dem Thema Xiaomi und Datenschutz auseinandergesetzt haben, bestimmt nicht wirklich eine Überraschung. So richtig spannend wird es, wenn wir erfahren, was da genau im Hintergrund und zumeist ohne das wir es Wissen abläuft.
Sie verraten mehr über sich, als Sie denken. Ständig und überall. Sie glauben uns nicht?“ (SZ-Recherche)

Schutz vor Datenkraken nur für die Reichen?

Der wirklich „gruselige“ Teil kommt aber noch. In einem weiteren Teil dieser sehr interessanten Doku-Reihe von SZ-Recherche erklären uns die Datenkraken-Experten, warum gerade Privatsphäre und Schutz immer mehr zu Luxusgütern werden. „Wer billige Handys kauft, zahlt dafür mit Daten. Das Internet wird zum Zwei-Klassen-Netz, in dem Privatsphäre käuflich ist„. Oder: „So entsteht ein Zwei-Klassen-Netz: eines für Reiche mit Geld für Premium-Anwendungen, eines für Arme, die mit Daten zahlen. Der demokratische Internet-Traum – das eine System, das allen gleichermaßen gehört -, er verblasst.“ (Süddeutsche) Datenschutz: Arm und ReichEs ist wirklich erschreckend. Wer die eben erwähnten Artikel gelesen hat, wird bestimmt demnächst etwas genauer auf die Datenkraken achten. Wissen was mit unseren Daten passiert, kann nie verkehrt sein. Datenschutz sollte uns allen zur Gewohnheit werden. Der „Datendieb“ lauert ja, wie wir spätestens jetzt wissen, (fast) an jeder Ecke. Aber auch die Einschränkung der Privatsphäre und die gigantischen Ausmaße dieser komplexen Problematik sollten uns lange Zeit zu denken geben. Foto TheDigitalArtist, thx! Tankappe.info
Sunny

Über

Sunny schreibt seit 2019 für die Tarnkappe. Er verfasst die wöchentlichen Lesetipps und berichtet am liebsten über Themen wie Datenschutz, Hacking und Netzpolitik. Aber auch in unserer monatlichen Glosse, in Interviews und in „Unter dem Radar“ - dem Podcast von Tarnkappe.info - ist er regelmäßig zu hören.