Prozess um Chemical Revolution
Prozess um Chemical Revolution
Bildquelle: maxsafaniuk.gmail.com

Chemical Revolution: Hohe Haftstrafen für Darknet-Drogenhändler

2019 stoppte die Polizei Deutschlands größten Online-Drogen-Shop, Chemical Revolution. Sieben Angeklagte bekamen nun hohe Haftstrafen.

Das Landgericht Gießen (LG) sprach heute das Urteil im Prozess bezüglich der Hintermänner von Chemical Revolution. Den Tatverdächtigen warf man vor, sie hätten bandenmäßig im Clearweb und Darknet Betäubungsmittel im großen Umfang verkauft. Nun hat man sie nach einem einjährigen Prozess zu hohen Haftstrafen verurteilt. Der Hauptangeklagte soll mehr als neun Jahre hinter Gittern verbringen.

Die Angeklagten hatten im Prozess die Vorwürfe weitgehend zugegeben. Die Vertreterin der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt, Lisa Zimmermann, forderte für die sieben Angeklagten zum Teil hohe Haftstrafen wegen acht konkret nachweisbarer Taten. Bei vier Angeklagten ging sie von erwiesenen Vorwürfen aus. Demgemäß verhängte das Gericht Haftstrafen zwischen zwei Jahren und acht Monaten sowie neun Jahren und zwei Monaten für den Hauptangeklagten.

Chemical Revolution war der größte deutschsprachige Onlinehandel für Drogen

Im Sommer 2019 schaltete das BKA den ehemals deutschlandweit populärsten Drogen-Onlineshop Chemical Revolution ab. Gleichzeitig verhaftete die Polizei elf Tatverdächtige. Den früheren Betreiber erwischte man bei seiner Einreise aus Spanien. Bereits im Mai wurden mehrere Läufer und später ein Mitbetreiber hochgenommen. Die Auswertung der beschlagnahmten Asservate dürfte bei der Ermittlung aller Beteiligten entsprechend hilfreich gewesen sein. Die Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft hatte vor dem LG Gießen Anklage wegen bandenmäßigem Drogenhandel in 320 Fällen erhoben. Zwischen 2017 und 2019 sollen die Angeklagten eine Million Euro in Bitcoin erzielt haben.

Vier Männer galten als Kern der Bande

Dem Deutschen Daniel B., der unter dem Pseudonym »Joko« agierte, und Arkadiusz D., einem Niederländer mit polnischen Wurzeln, warf man vor, Chemical Revolution im Spätsommer 2017 gegründet zu haben. Über die gleichfalls illegale Plattform, Crime Network, sollen sie sich kennengelernt haben. Daniel B. wäre sowohl für die Auftragsvergabe, als auch für die Drogen-Bestellung, das Marketing sowie die Internet- und Darknetauftritte verantwortlich gewesen. Ferner hätte er sich auch um die Geldbeschaffung gekümmert. Als Startgeld hätte er 10.000 bis 15.000 Euro selbst eingebracht. Zudem wären ihm durch bisher noch unbekannte Teilhaber weitere 30.000 Euro in Bitcoin zugegangen.

Chemical Revolution:„Geschäftsfeld mit eigenem Entscheidungsspielraum“ für jeden der Vier

Für den Drogen-Ankauf soll Daniel B. Bitcoins an Arkadiusz D. übermittelt haben. Davon hätte dieser dann die Drogen in den Niederlanden bezahlt. Für die Transport-Organisation wäre der Deutsch-Pole Michael G. verantwortlich gewesen. Die Lagerung in Ferienwohnungen im Bundesgebiet, das Verpacken und den Versand übernahm der Deutsche Matthias B. Den Gewinn haben sich die Vier untereinander aufgeteilt. 35 Prozent erhielt infolge Daniel B. Den gleichen Anteil bekam Matthias B. Die übrigen 30 Prozent teilten sich Arkadiusz D. und Michael G., berichtete die Gießener Allgemeine.

Zimmermann wertete den Zusammenschluss der Vier als Bandenbildung. Gleichfalls hob sie hervor, dass sie professionell vorgegangen wären, da sie verschlüsselte Kommunikation nutzten. Auch stellten sie Sonderangebote zu speziellen Anlässen, wie Weihnachten, bereit. Zudem wären die angebotenen Drogen von »sehr guter Qualität« gewesen. Besonders negativ bewertete sie zudem die großen Mengen an Drogen und die Vielzahl der Taten.

Daniel B. gab in der Verhandlung an, jahrzehntelang kokainabhängig gewesen zu sein. Offenbar hatte er zum Ziel, in eine Entzugseinrichtung eingewiesen zu werden. Allerdings negierte Zimmermann das Ansinnen. Sie sehe keinen Zusammenhang zwischen den Taten und seinem Kokainkonsum:

»Er war nicht in Geldsorgen, konnte sich ein extrem kostspieliges Leben auf Mallorca finanzieren. Es steht ihm frei, nach der Entlassung auf eigene Kosten eine Therapie anzutreten«.

Notwendige Therapie verkürzt Gefängnisaufenthalt des Haupttäters

Zimmermann forderte insofern eine Gesamtfreiheitsstrafe in Höhe von neun Jahren und fünf Monaten. Richter Dr. Klaus Bergmann sprach hingegen neun Jahre und zwei Monate Haft für ihn aus. Allerdings ordnete die Neunte Strafkammer nach Verbüßung eines Teils seiner Strafe eine Unterbringung in einer Entzugseinrichtung an. Da Daniel B. bereits lange in U-Haft war, so könnte er wohl schon allzu bald in Therapie gehen.

Für Arkadiusz D. wurde positiv gewertet, dass er »umfangreiche Angaben« mit »erheblicher Bedeutung« zur Sache beitrug. Zwar gab er an, an einer seltenen Krankheit zu leiden und deshalb bei Chemical Revolution mitgewirkt zu haben. Er wollte sich so die teuere Behandlung finanzieren. Jedoch nahm Zimmermann ihm das nicht ab. Sein protziger Lebensstil und die hohe kriminelle Energie würden dagegen sprechen. Allerdings wäre er aufgrund jener Krankheit auch nicht haftfähig. Somit fordert Zimmermann für ihn, als zweiten Mann der Bande, eine Geldstrafe in Höhe von 115.550 Euro, zahlbar in 700 Tagessätzen je 165 Euro. Das Gericht verurteilte ihn letztlich zu einer Geldstrafe von knapp 40.000 Euro.

Geständnisse wirkten sich positiv auf Urteile aus

Matthias B. legte durch ein von vornherein gemachtes Geständnis den Grundstein für den weiteren Fahndungserfolg. Zimmermann forderte hier eine Gesamtstrafe von vier Jahren und zehn Monaten. Der Forderung schloss sich das LG in dem Fall an.

Michael G. gestand gleichfalls. Er solle für sieben Jahre und drei Monate in Haft, so die Staatsanwaltschaft. Youssef E. solle für fünf Jahre und zwei Monate in das Gefängnis. Das LG Gießen verurteilte Matthias G. zu sieben Jahren Haft. Dieser hätte erst zu spät gestanden, so der Vorwurf. Youssef E. wurde wegen des Handeltreibens mit Drogen in nicht geringer Menge real zu vier Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt.

Bei den Drogenkurieren forderte Zimmermann immerhin auch Haftstrafen von vier Jahren und zwei Monaten für Piotr F.  sowie von zwei Jahren und zehn Monaten für Radoslaw S. Piotr F. verurteilte das Landgericht wegen unerlaubter Einfuhr und Beihilfe zum Handeltreiben mit Drogen in nicht geringer Menge zu einer Haftstrafe von drei Jahren und elf Monaten. Radoslaw S. hingegen muss für zwei Jahre und acht Monate in das Gefängnis.

Das Landgericht verhandelt im Fall Chemical Revolution allerdings noch weiter. Zwar ist das Urteil für sieben Angeklagte nunmehr gesprochen. Jedoch gab es insgesamt elf Angeklagte. Gegen die übrigen vier wird noch eine spätere Verhandlung angesetzt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Tarnkappe.info

 

Über

Antonia ist bereits seit Januar 2016 Autorin bei der Tarnkappe. Eingestiegen ist sie zunächst mit Buch-Rezensionen. Inzwischen schreibt sie bevorzugt über juristische Themen, wie P2P-Fälle, sie greift aber auch andere Netzthemen, wie Cybercrime, auf. Ihre Interessen beziehen sich hauptsächlich auf Literatur.