shocked reader, Takedowns
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Bildquelle: stockcake

Takedowns wirken sich positiv auf Verkauf von Büchern aus

Takedowns, also das Löschen illegaler Links aus Suchmaschinen, kann den Absatz von Büchern fördern. Die Verkaufssteigerung lag bei 9 Prozent.

Takedowns, also die DMCA-Löschaufforderungen von illegalen Quellen an Bing, Google und andere Suchmaschinen wirken sich auf den Verkauf von gedruckten Büchern mit dem richtigen Ansatz positiv aus. Dies stellte kürzlich eine Studie fest.

Haben DMCA-Takedown-Meldungen den gewünschten Effekt?

Angesichts der wachsenden Beliebtheit von Schattenbibliotheken wie Z-Library, Anna’s Archive oder The Eye haben die Buchverlage ihre Bemühungen zur Bekämpfung der Online-Piraterie verstärkt.

Allein in diesem Jahr hat Google im Auftrag von Verlagen Hunderte von Millionen von Anträge auf Sperrung von Inhalten bearbeitet. Dies geschah so häufig wie nie zuvor. Dieselben Verlage wenden sich auch direkt an die Piraten-Websites und ihre Hosting-Provider. Sie tun dies in der Hoffnung, dass sie damit die Schwarzkopien löschen lassen können, was aber nur selten gelingt.

Doch kann man wirklich durch verstärkte Takedown-Meldungen Einfluss auf die Verkaufszahlen eines Buches nehmen? Um das herauszufinden, haben Forscher der Universität Warschau, Polen, einen Feldversuch durchgeführt. Sie wandten sich an mehrere große Verlage und schlossen sich mit einer Anti-Piraterie-Organisation zusammen. Sie wollten herausfinden, ob die Maßnahmen zur Entfernung von Raubkopien einen messbaren Effekt auf den legalen Buchverkauf haben.

Wie der Copyright-Blog TorrentFreak berichtet, hat man in der Studie nur gedruckte Bücher berücksichtigt. Der polnische E-Book-Markt ist eher klein, statistisch zuverlässige Verkaufsdaten sind nur schwer erhältlich.

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Einjähriges Takedown-Experiment

Die Forschungsmethodik für diese Studie ist recht einfach. Insgesamt nahmen 12 bekannte Verlage teil, von denen drei ausschieden. Die Verlage teilten sich zwischen 5 und 53 Buchtitel, die einer Takedown-Gruppe oder einer Kontrollgruppe zugewiesen wurden, für die keine Takedown-Benachrichtigungen verschickt wurden.

Die Gruppenzuweisung erfolgte nicht völlig zufällig. Stattdessen wurden die Bücher anhand von Merkmalen wie Preis, Format und früheren Verkaufszahlen paarweise zugeordnet. Damit wollte man aus der Statistik so viele störende Faktoren wie möglich entfernen.

Nach der Zuweisung der Bücher wurden die in der Takedown-Gruppe aufgeführten Bücher an die polnische Anti-Piraterie-Organisation Plagiat.pl weitergeleitet. Deren Mitarbeiter haben dann die Löschaufforderungen an die Suchmaschinenbetreiber verschickt. Bei den übrigen Büchern hat man keine Maßnahmen ergriffen. Insgesamt fand die Organisation Plagiat.pl auf 53 Websites Raubkopien und verschickte ein ganzes Jahr lang kontinuierlich Takedown-Bescheide.

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Takedowns waren wirksam, Verkaufstrend nach oben

Nach Abschluss der Untersuchung hat man drei Assistenten gebeten, Online-Recherchen durchzuführen. Sie sollten feststellen, ob es schwieriger war, Raubkopien „geschützter“ Bücher online zu finden. Das war eindeutig der Fall. Einerseits entdeckte man weniger Kopien über die Suchmaschinen, andererseits dauerte es auch länger, sie zu finden.

Die Auswirkungen dieser erfolgreichen Takedowns haben sich jedoch nicht eindeutig auf den Verkauf von gedruckten Büchern ausgewirkt. Die Forscher fanden zwar einen kleinen positiven Effekt in der Takedown-Kategorie, doch war dieser nicht ausgeprägt genug, um statistisch signifikant zu sein.

Erst als die Forscher eine Bayessche Inferenz durchführten und Daten aus früheren Untersuchungen hinzufügten, stellten sie einen Anstieg der Buchverkäufe fest. „Wir waren in der Lage, die nicht autorisierte Verteilung erheblich einzuschränken, was zu einem kleinen, positiven Effekt auf die Verkäufe führte„, schreiben die Forscher.

Während wir mit der klassischen Analyse herausfanden, dass der Effekt nicht signifikant von Null abweicht, führte ein Bayes’scher Ansatz, der frühere ‚Piraterie‘-Studien zur Generierung eines Priors (führenden Werkes) nutzte, zu der Schlussfolgerung, dass der Schutz vor Piraterie zu einer signifikanten Verkaufssteigerung von etwa 9 Prozent führte.

Offenes Ende, das Spiel geht weiter …

In dem Papier führt man das Fehlen eines eindeutigen ersten Ergebnisses auf die relativ geringe Stichprobengröße zurück. Mit mehr Büchern wäre es einfacher gewesen, eine eindeutigere Antwort zu erhalten. Die positive Tendenz steht jedoch nicht im Widerspruch zu früheren Untersuchungen.

e-book

In einer früheren Studie wurde beispielsweise festgestellt, dass DMCA-Löschaufforderungen zu einem Anstieg der Verkäufe von E-Büchern führen können, die digital sind und daher einen direkteren Ersatz für Raubkopien darstellen.

Ob die Ergebnisse nun überzeugend sind oder nicht, sei einmal dahingestellt. Die Forscher sind der Meinung, dass ihre Arbeit einen wichtigen Beitrag zur bestehenden Literatur darstellt. Die Piraterieforschung stützt sich in der Regel auf Vorher-Nachher-Vergleiche, während diese Studie einen Vergleich der Ergebnisse im gleichen Zeitraum und mit einer vollständigen Kontrollgruppe ermöglichte.

Letztendlich bleiben jedoch viele Fragen unbeantwortet, so dass Folgeuntersuchungen gerechtfertigt sind. Es wäre beispielsweise interessant, den gleichen Ansatz auch in Ländern zu verfolgen, in denen E-Books stärker verbreitet sind. Und dann im Idealfall mit deutlich mehr Werken, damit man die Zahlen besser vergleichen kann.

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Da die großen Verlage inzwischen stark in Takedown-Bemühungen involviert sind, könnte es für sie interessant sein zu sehen, ob sich ihre Investitionen lohnen. Schließlich ist das Versenden von Takedown-Benachrichtigungen in der Regel nicht kostenlos.

Es ist auch ein open end, weil sich die Piraten durch neue Sub-Domains und andere Maßnahmen ein nicht enden wollendes Hase-und-Igel-Spiel mit den Rechteinhabern liefern. Dazu kommt: Wer einmal bei einer der Schattenbibliotheken fündig wurde, wird bei nächster Gelegenheit wahrscheinlich keine Suchmaschine mehr einsetzen, um eine andere Schwarzkopie eines Werkes zu erhalten. Das dürfte den eher leichten Anstieg des Umsatzes um nur 9 Prozent erklären.

Eine kostenlose Kopie des PDF-Dokuments, das in einer aktuellen Ausgabe des Journal of the Economic Science Association veröffentlicht wurde, ist hier online verfügbar. Hardy, W., Krawczyk, M. & Tyrowicz, J. Internet-„Piraterie“ und Buchverkäufe: ein Feldexperiment. J Econ Sci Assoc (2024).

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Lars Sobiraj

Über

Lars Sobiraj fing im Jahr 2000 an, als Quereinsteiger für verschiedene Computerzeitschriften tätig zu sein. 2006 kamen neben gulli.com noch zahlreiche andere Online-Magazine dazu. Er ist der Gründer von Tarnkappe.info. Außerdem brachte Ghandy, wie er sich in der Szene nennt, seit 2014 an verschiedenen Hochschulen und Fortbildungseinrichtungen den Teilnehmern bei, wie das Internet funktioniert.