Um einen Verdächtigen vor Gericht als Täter zu überführen, entfernte ihm die Polizei mit Photoshop seine Tätowierungen aus dem Gesicht.
Damit mehrere Bankkassierer einen bestimmten Verdächtigen als Täter identifizieren, entfernte ein Polizist dem Verdächtigen mit Photoshop die Tätowierungen aus dem Gesicht, obwohl er sehr auffällig tätowiert ist. Sogar der zuständige Staatsanwalt von Oregon und ein FBI-Mitarbeiter bezeichneten die Vorgehensweise ihrer Kollegen vor dem Bezirksgericht als „umsichtig“ und „angemessen„.
Der Rechtsanwalt eines Angeklagten deckte in Oregon auf, mit welchen Mitteln die dortige Polizei arbeitet. Verbreitet wurden die merkwürdigen Recherche-Methoden von der US-amerikanischen Zeitschrift „The Atlantic“.
Einige Polizisten arbeiteten an der Aufklärung einer Reihe von Banküberfällen, an denen ein etwa 50-jähriger Mitbürger mit afrikanischen Wurzeln beteiligt war. Die Polizisten glaubten den Täter zu kennen. Das Problem war nur, dass der fünfzigjährige Tyrone Lamont Allen, der dem Bankräuber sehr ähnlich sieht, sehr auffällige Tattoos im Gesicht hat. Bei den Zeugenaussagen der Bankkassierer fand sich aber niemand, der sich an die Gesichts-Tattoos erinnern konnte. Auch das wiederhergestellte Material der Überwachungskameras zeigte keinen Gesichtsschmuck.
Photoshop für Überführung eines Verdächtigen als Täter
Anstatt nach anderen Verdächtigen zu suchen oder eine Gegenüberstellung trotz der Tattoos durchzuführen, nutzten die Polizisten Photophop, um ihr Problem zu „lösen“. Sie ahnten sicher, dass beim Foto im Originalzustand niemand den Mann einwandfrei als Täter identifiziert hätte. Um ihre Chancen zu maximieren, haben sie den Kassierern bei der Beweisaufnahme verschwiegen, dass sie das Foto des Verdächtigen zuvor manipuliert hatten.
Jedes der Tattoos von Tyrone Lamont Allen, auf den man sich als Täter geeinigt hatte, hatte man vor Identifikation des Bankräubers entfernt. Die Polizei präsentierte den Kassierern dann das veränderte Bild von Allen zusammen mit Fotos von fünf ähnlich aussehenden Männern zur Identifizierung. Die Polizisten haben wie gesagt niemandem gesagt, dass sie Allens Foto verfremdet haben. Einige der Kassierer wählten in der Folge Allen als den Täter aus.
Staatsanwaltschaft, FBI & Polizei: Wir haben doch alles richtig gemacht!
Vor Gericht gaben die betroffenen Polizisten zu Protokoll, dass sie alles richtig gemacht hätten. Im Gegenteil: Man wisse nicht, dass man etwas falsch gemacht hätte. Auch präsentierte man ein Papier der Bundesanwaltschaft, welches die Richtigkeit ihrer Vorgehensweise unterstreichen sollte. Auch der lokale US-Staatsanwalt von Oregon, Paul Maloney, war sich keiner Schuld bewusst. Das Ganze sei seine Idee gewesen. Er wollte den verdächtigen Mr. Allen dazu bringen, sich „anzupassen“, damit sein Foto nicht so auffällt. Weil der Bankräuber einen Hut und eine Brille im Baseball-Stil trug, hätte man die Tattoos ja sowieso nicht sehen können. Staatsanwalt Maloney bestätigte, dass man die Absicht verfolgte, das Foto für die Aufstellung so zu ändern, dass der Verdächtige eher wie der Räuber aussah. Maloney fand das sowohl klug als auch angemessen!
FBI bringt Mitarbeitern Photoshop in der Ausbildung bei
Doch das Sahnehäubchen setzte dem Verfahren noch Detective Brett Hawkinson auf. Hawkinson verfügt über mehr als 18 Dienstjahre im Polizeibüro. Er leitete die Taskforce des FBI für Bankraub und war als leitender Ermittler diesem Fall zugeordnet. Der FBI-Mitarbeiter war es auch, der die Photoshop-Manipulation angeordnet hatte. Er sagte vor Gericht im Kreuzverhör, dass die Veränderung von Fotos „Standard unter den Ermittlern“ sei. Er habe davon in seiner Ausbildung von seinen Vorgesetzten erfahren.
Auch der Grafiker, der für den Fall das Gesicht des Verdächtigen von jeglichen Tätowierungen bereinigt hatte, wurde befragt. Er sagte vor Gericht, es habe absichtlich keinen Bericht über seine Tätigkeit verfasst. Man habe ihn schon mehrfach um vergleichbare Tätigkeiten gebeten. Er hätte seine Aufträge nie schriftlich fixiert, weil er kein Gesetz kannte, die ihm dieses Vorgehen explizit erlaubt hätte.
Meinung
Zumindest der Grafiker hat bei der Angelegenheit sein Gehirn eingeschaltet. Wenn auch nicht um Unschuldige, sondern lediglich um die eigene Vita zu schützen. Irgendwie ist keiner der Beteiligten im Laufe der Zeit auf die Idee gekommen, das Verfahren zu stoppen, damit niemand mehr unschuldig verurteilt werden kann. Es bleibt unklar, wie oft derartige Manipulationen von Beweisfotos zu Verteilungen von Außenstehenden geführt haben.
Offenbar ist unsere Gesellschaft schon vor Jahren in eine Ära eingetreten, in der die moderne Technik sogar vor Gericht eine simple Manipulation von Beweisstücken wie Audio-Mitschnitte, Videos und Fotos ermöglicht. Dass leitende Polizisten, Mitarbeiter des FBI und der Staatsanwaltschaft derartige Verfahren nicht anzweifeln, sondern sogar aktiv unterstützen, ist in Oregon und sicher auch anderswo der eigentliche Skandal. Die Ermittler hätten im ersten Schritt feststellen müssen, wann genau die Tätowierungen angefertigt wurden. Schon alleine damit hätte man eine Beteiligung an den Straftaten beweisen oder entkräften können.
Es ist nicht die erklärte Aufgabe des FBI, der Staatsanwaltschaft oder der Polizei, für einen möglichst schnellen Abschluss der Fälle zu sorgen. Es ist ihr gottverdammter Job, dass am Ende der Schuldige und nicht irgendein Verdächtiger verurteilt wird. Für eine Verurteilung ist es schlichtweg nicht ausreichend, wenn jemand einem Täter ähnlich sieht.
Tarnkappe.info