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Bildquelle: Nym Blog

Nym will eigenes Darknet erschaffen

Das Schweizer Startup Nym entwickelt ein eigenes verschlüsseltes Netzwerk. Mehr als 270 Millionen US-Dollar hat man dafür zur Verfügung.

Die Entwickler von Nym arbeiten quasi an einem Tor 2.0 auf Blockchain-Basis. Das geplante Netzwerk hat signifikante Vorteile, weil es sicherer sein soll. Es gibt leider auch extreme Nachteile, die aufgrund des Aufbaus schon jetzt sehr deutlich auf der Hand liegen.

Um das Tor-Netzwerk sicherer zu gestalten, braucht das Tor-Projekt so viele Bridges wie möglich, um darüber den Datenstrom zu leiten. Mit Geschenken wie T-Shirts und Stickern will man Freiwillige seit November dazu motivieren, selbst einen Teil der technischen Infrastruktur zur Verfügung zu stellen. Das birgt seit jeher juristische Gefahren und kostet natürlich Geld.

Die Gefahr bei Bridges besteht stets darin, dass die Knotenpunkte von Diktaturen identifiziert und für das Netzwerk unbrauchbar gemacht werden. Umso mehr Bridges es gibt, umso schwerer können diese aufgespürt und gleichzeitig die Datenströme nachvollzogen werden. Man wird sehen, ob ein paar verschenkte Aufkleber und Kapuzenjacken ausreichen, um der sinkenden Anzahl an Helfern entgegenzuwirken. Anfangs wirkte die Gratis-Aktion zumindest positiv auf die Anzahl der Tor-Bridges.

Nym hat zirka 270 Millionen US-Dollar gesammelt

Nym will es anders machen, Geld genug für die Entwicklung hat man schon gesammelt. Das Problem: Aufgrund des Aufbaus eignet sich Nym eben nicht für das Browsen im Internet. Dafür sind die Daten-Übertragungen schlichtweg zu langsam. Downloads von größeren Archiven oder das Streamen von Filmen ist darüber erst recht nicht möglich. Nym eignet sich deswegen nur für den Austausch von Dateien und Transaktionen, die langsam verschickt werden und die niemand nachverfolgen kann. Doch es wird einige Zeit dauern, bis die Nachrichten angekommen sind. Ein reger Austausch per Chat wird somit leider auch nicht möglich sein. Doch wenn Browser und Messenger als Einsatzgebiete wegfallen, was bleibt dann eigentlich noch übrig !??

Die Ursache für die Verzögerung ist das geplante Mixnet, wo auch bei Nym die Daten über mehrere Server übertragen werden, um das Nachvollziehen zu erschweren. Allerdings will man zusätzlich die Daten mischen, Zufallsdaten und Zeitverzögerungen einbauen, um eine Überwachung auszuschließen. Version 1.0.1 der Plattform ist bereits seit dem 6. Mai fertig. Doch das Netzwerk ist offenbar trotzdem noch weit davon entfernt, live zu gehen.

Ein weiteres Nischen-Projekt für Krypto-Enthusiasten?

Wer Nym nutzen will, wird sich zudem zwangsweise den hauseigenen Token des Projekts kaufen müssen. Die Installation der Software alleine, wird für den Einsatz nicht ausreichend sein. Die Macher gehen davon aus, dass die Teilnehmer finanzielle Anreize brauchen, um sich bei Nym voll einzubringen.

Das Ganze funktioniert so. Die Gebühren für die Teilnahme am Netzwerk, die in NYM gesammelt werden, gehen in einen Belohnungspool, der an die Mix-Knoten verteilt wird. Die Betreiber der Mix-Knoten belohnt man auf der Grundlage ihrer Leistung und der Menge an NYM, die an ihren Knoten gebunden sind. Wer die verdienten Token in klingende Münze umwandeln will, muss sie wie eine Kryptowährung bei einem Online-Handelsplatz verkaufen.

Für Normalsterbliche klingt das alles schon viel zu kompliziert. Da erscheint es sicher viel einfacher, mal eben den Tor-Browser zu installieren. Außerdem muss man sich nicht umgewöhnen, weil es sich beim Tor-Browser bekanntlich um eine Modifikation vom Firefox handelt, den eh jeder schon einmal benutzt hat.

Politisch Verfolgte in der Dritten Welt besitzen keine Token!

Für Menschen eines Schwellen- oder Entwicklungslandes, die unter einer Diktatur leiden und die ein Darknet für ihren Informationsaustausch benötigen, wird sich das Netzwerk Nym wohl eher nicht anbieten. Blockchain basierte Darknets wie ZeroNet gibt es sowieso schon, auch wenn dieses ganz anders aufgebaut ist.

Chelsea Manning, das Aushängeschild von Nym

Noch ist die Entwicklung von Nym alles andere als fertig, auch wenn man für die Eröffnung von Datenschutz-Konferenzen wie die CPDP2022 schon prominente Sprecher wie die Whistleblowerin Chelsea Manning gewinnen konnte. Bleibt abzuwarten, ob Nym trotz des vielen zur Verfügung stehenden Geldes zu einem weiteren Nischen-Projekt für ein paar Krypto-Enthusiasten wird. Das wäre sehr bedauerlich. Umso mehr aktive verschlüsselte Netzwerke es gibt, umso schwerer wird für Geheimdienste, Behörden und Regierungen die Aufdeckung ihrer Teilnehmer.

Für weniger technikaffine Nutzer werden die Hürden wahrscheinlich einfach viel zu hoch sein. Dazu kommt: Da man über Nym weder chatten noch einen Browser nutzen kann, dürfte das Projekt für viele Menschen schlichtweg nicht weiter interessant sein. Bleibt am Ende die Frage: Hätte man das viele Geld nicht lieber in die Weiterentwicklung des Tor-Netzwerks stecken sollen?

Lars Sobiraj

Über

Lars Sobiraj fing im Jahr 2000 an, als Quereinsteiger für verschiedene Computerzeitschriften tätig zu sein. 2006 kamen neben gulli.com noch zahlreiche andere Online-Magazine dazu. Er ist der Gründer von Tarnkappe.info. Außerdem brachte Ghandy, wie er sich in der Szene nennt, seit 2014 an verschiedenen Hochschulen und Fortbildungseinrichtungen den Teilnehmern bei, wie das Internet funktioniert.