Wir haben Peter Hajba aka Skaven von Futurecrew befragt, wie das populäre MS-DOS Demo "Second Reality" vor 30 Jahren entstanden ist.
„Second Reality“ ist nicht nur eine der besten MS-DOS-Demos aller Zeiten. Das Spielestudio Remedy Entertainment wurde unter anderem von einigen Future Crew-Mitgliedern gegründet. Bekannt sind die Entwickler vor allem für ihre Spieleserie Max Payne. Und auch das Benchmark-Tool der Futuremark Corporation, nennt sich nun 3DMark, haben maßgeblich einige Personen beeinflusst, die zuvor in der Demoszene aktiv waren.
Assembly Demo Party am 7. Oktober 1993 in Finnland. In diesem Herbst ist es schon 30 Jahre her, dass die Demo „Second Reality“ von der finnischen Gruppe Future Crew veröffentlicht wurde. Damit brachten sie die Demoszene im MS-DOS Format in etwa auf das Niveau, auf dem sich der Amiga schon lange vorher befand.
Eine Demo und 15 Remixes bzw. Portierungen auf andere Computer
Aber nicht nur das. Mit unzähligen Umsetzungen auf anderen Rechnern und Remixes ist diese Demo auch heute noch ein Thema, das immer wieder aufgegriffen wird. Die bekannteste Portierung ist wohl die von Smash Designs auf dem C64.
Als ich ein Vierteljahr später auf der „The Party“ in Dänemark war, hatten etwa 30 Mitglieder der Future Crew ihre PCs um mich herum auf ihren Tischen aufgebaut. Diese Produktion führte aber nicht nur zu einem enormen Mitgliederzuwachs, sondern animierte auch zahlreiche andere Kreative, schöne Intros und Demos auf dieser Computerplattform zu veröffentlichen. Nicht zuletzt haben auch Leute wie der Musiker Skaven, der hier interviewt wurde, die skandinavische Spieleindustrie nachhaltig beeinflusst.
Magst Du uns zu Beginn ein wenig über Dich erzählen?
Skaven: Hallo zusammen. Ich bin Skaven von der Future Crew, später wurde mein Handle zu Skaven252, wobei 252 in hexadezimaler Schreibweise FC bedeutet, was für Future Crew steht. Ich wurde im Dezember 1974 geboren. Nach den Abenteuern in der Demoszene und einem Animationsstudium in Dublin kam ich 1997 zu Remedy Entertainment, wo ich bis 2011 arbeitete. Derzeit arbeite ich als Senior Sound Designer in den Avalanche Studios in Stockholm, Schweden.
Für eine kurze Erklärung: Beides sind Spieleentwicklungsfirmen. Es gibt dieses lustige Video, in dem ihr fast 10 Minuten lang hinter geschlossenen Vorhängen in einem überfüllten Raum voller Hardware diskutiert und Fehler behebt.
Wie kam es, dass ihr euch kanntet? Und wie seid ihr auf die Idee gekommen, diese Produktion zu machen?
Skaven: Damals, in Finnland, waren Camcorder noch etwas selten :)
Und teuer, schätze ich. ;-)
„Es wurden viele Ideen (für Second Reality) vorgestellt, einige davon wurden verworfen.“
Skaven: Genau! Die Arbeit, die ihr in dem Video sehen könnt, fand in Trugs Haus in Pori, Finnland, statt, wo er extra ein Gästehaus für die Arbeit an der Demo eingerichtet hatte. Die Gruppe kam auf einer Art A kennt B, B kennt C-Basis zusammen. Ich nahm zunächst Kontakt mit Psi auf (wegen Scream Tracker) und etwas später lud er mich ein, der Future Crew beizutreten.
Bei dieser gemeinsamen Entwicklungssitzung wurden viele Ideen vorgestellt und einige davon wieder verworfen. Da wir alle zusammen waren, konnten wir schneller daran arbeiten und Ideen schnell ausprobieren.
Einige Leute haben sich beschwert, dass es zu viele Ähnlichkeiten mit dem Amiga-Demo „Desert Dream“ von Kefrens gibt. Kanntet ihr dieses Demo? Wie sehr habt ihr euch daran orientiert?
Skaven: Der ursprüngliche Plan war auf jeden Fall, von einem „Megademo“ (bei dem ein Effekt dem anderen folgt) zu einem besser gestalteten Fluss mit Übergängen zwischen den Teilen und einer besseren Synchronisierung mit der Musik überzugehen.
Ja, das Team hatte Desert Dream gesehen und war der Meinung, dass dies der richtige Weg sei.
„Wir wollten zeigen, dass so etwas auch auf MS-DOS möglich ist.“
Es ist zweifelsohne ein Megademo. Wie lange habt ihr gebraucht, um eure Arbeit an „Second Reality“ abzuschließen? Und warum habt ihr diese Computerplattform gewählt?
Skaven: Meine Arbeit (die Musik am Anfang und am Ende) nahm die 4-5 Tage in Anspruch, die wir mit der Entwicklung der Demo bei Trug verbracht haben, aber wir haben auch einige weitere Optimierungen und Entwicklungen vor Ort während der Assembly-Demoparty vorgenommen.
Die Abspannmusik klingt für den Abspann etwas heftig. Und der Grund dafür ist, dass sie ursprünglich für eine geplante Raumschiffschlachtszene gedacht war. Diese wurde jedoch zugunsten der Stadtflug-zu-Future-Crew-Logo-Szene verworfen, die wir in Second Reality gesehen haben.
Der PC wurde hauptsächlich wegen des Ehrgeizes der Programmierer (Psi, Trug, Wildfire) gewählt, die zeigen wollten, dass so etwas auch auf einem PC (und damals auf MS-DOS) möglich ist.
Eure Gruppe, Future Crew, hat mit einer Person auf dem C64 begonnen und ist dann auf MS-DOS umgestiegen. Wie kommt es, dass ihr damals nicht auf einem dieser modernen Computer für Kreative wie Amiga oder Atari aktiv wart?
Skaven: Keiner von uns hat damals einen Amiga oder einen Atari ST bekommen, aus dem einen oder anderen Grund – vielleicht ist das ein Grund, warum wir uns zusammengetan haben. Um herauszufinden und zu sehen, was der PC leisten kann.
Das Demo Second Reality leitete eine neue Ära ein
„Second Reality“ leitete nach seiner Veröffentlichung eine Ära neuer MS-DOS-Demos und -Gruppen ein. Mit welchen Erwartungen seid ihr zur Assembly gefahren? Tatsächlich habt ihr einen Meilenstein gesetzt und die PC-Szene für lange Zeit beeinflusst.
Skaven: Die frühere Unreal-Demo zeigte bereits das Versprechen, dass auch PCs für Demos geeignet sind – Second Reality war eine weitere Verfeinerung dieser Idee. Als Second Reality herauskam, waren bereits einige PC-Demogruppen aktiv und machten beeindruckende PC-Demos.
Unreal haben wir auf der Assembly 1992 veröffentlicht und war ebenfalls eine Produktion von Future Crew.
Als ich die The Party 3 (TP3) in Herning/Dänemark besuchte, sah ich etwa 20-30 Mitglieder (oder mehr) von Future Crew mit ihren T-Shirts. Wie viele Mitglieder hattet ihr denn wirklich? Oder habt ihr stattdessen dieses T-Shirt erfolgreich verkauft? ;-)
Skaven: Ich gebe zu, dass ich die Details nicht kenne, aber ja, wir haben ein paar verschiedene Future Crew T-Shirts drucken lassen und ich vermute, dass einige davon nicht nur innerhalb des Teams verteilt wurden.
Über die Portierung von Smash Designs: „Ich wusste nicht, dass der C64 dazu überhaupt in der Lage sein würde.„
Was haltet ihr von den C64- (Smash Designs), Atari- (von Checkpoint) und Smartwatch-Portierungen (Bedrock Bros.) eurer Demo? Habt ihr gehofft, dass sie auftauchen würden, wenn ihr euren Quellcode offenlegt? Oder was war die Motivation, dies zu tun?
Skaven: Ich bin beeindruckt von diesen Portierungen, ich wusste nicht, dass der C64 dazu überhaupt in der Lage ist. Was die Freigabe des Quellcodes angeht, so kenne ich die genauen Details nicht. Aber ich denke, dass man es damals gemacht hat, um die Leute zu ermutigen, der Demoszene beizutreten.
Ich habe Gerüchte gehört, dass einige der Leute, die hinter dieser Demo standen, später die Firma Futuremark (3DMark) gegründet haben, ist das wahr? Das Unternehmen nennt sich aktuell UL Solutions.
Skaven: Der Spieleentwickler Remedy Entertainment wurde von Leuten gegründet, zu denen auch Mitglieder der Future Crew (Markus „Henchman“ Mäki und Samuli „Gore“ Syvähuoko) gehörten, und ich und Aki „Marvel“ Raula kamen hinzu, um mitzuarbeiten. Die Futuremark Corporation wurde ursprünglich als Tochtergesellschaft von Remedy gegründet, um Benchmarking-Demos zu erstellen. Es gab sicherlich einen Einfluss der Demoszene, aber es war nicht nur die Future Crew, sondern auch Complex und Aggression – wir hatten eine ganze Reihe von Szene-Mitgliedern, die zu dieser Zeit bei Remedy arbeiteten.
Was machen die Mitglieder der Future Crew heute?
Wo arbeiten die anderen heute? Was ist ihr aktueller Job oder ihre Firma? Sind sie immer noch an der Demoszene interessiert?
Skaven: Trug hat die Firma Bitboys OY gegründet, die sich auf die Entwicklung von Grafikhardware spezialisiert hat.
Psi ist heute ein freiberuflicher Programmierer, der hauptsächlich an persönlichen Projekten arbeitet.
Gore gründete Remedy, dann Futuremark, dann Fathammer (Multiplattform-Engine für mobile Spiele) und ist heute ein Serieninvestor und -gründer von Entwicklern mobiler Spiele.
Henchman ist der Executive Chairman von Remedy Entertainment.
Abyss war Mitbegründer und Mitarbeiter von Assembly Organizing. Er hat mit Applifier und Unity gearbeitet; derzeit ist er CEO und Mitbegründer von Noice.
Pixel arbeitete an Videografie und visuellen Künsten / VFX / Komposition und ist jetzt Filmregisseur bei Wild Gift Content.
Purple Motion hat sein Musikstudium fortgesetzt und ist nun hauptberuflich als Komponist und Orchestrator tätig.
Wildfire hat an verschiedenen Projekten als Systemarchitekt gearbeitet.
Marvel kam als Grafiker zu Remedy. Er arbeitete später bei Housemarque als Spieldesigner und Projektleiter und ist jetzt als unabhängiger Designer tätig.
Der Geist der Demoszene lebt immer noch in uns allen weiter. Aber wir sind auf unseren Wegen weitergezogen, durch das, was das Leben uns bringt. ^_^
Vielen Dank für die ausführlichen Antworten. Vielleicht sehen wir uns ja beim nächsten Jubiläum wieder, also in rund 30 Jahren. ;-)
Dieses Interview erscheint in wenigen Tagen in der englischen Sprache im Rahmen der zwanzigsten und wahrscheinlich letzten Ausgabe des Amiga Demoszene-Magazins Jurassic Pack.
Ein weiteres Interview mit Skaven aka Peter Hajba kann man sich hier durchlesen.