Vor einem Jahr flammten die Proteste gegen die Urheberrechtsreform auf. Doch wer hat für die ganzen Kampagnen das Geld zur Verfügung gestellt?
Wer war Geldgeber der Kampagne gegen die Urheberrechtsreform?
Neuere Erkenntnisse erlauben einen genaueren Blick auf die Kampagnen und deren Hintergründe, insbesondere jedoch auf die „Key Player“ der Finanzierung derselben. Vor etwa einem Jahr nahmen die deutschen Proteste gegen die Urheberrechtsreform der EU ihren Anfang. Eine Gruppe von etwa 120 Demonstranten versammelte sich seinerzeit vor dem Brandenburger Tor. Die Demonstranten hatten allerdings etwas Pech mit dem Wetter; der 22. Juni war einer der wenigen Regentage im sonst sehr trockenen Sommer 2018. Wie wir auf unserem Blog berichtet haben, gab die Diskrepanz zwischen der Größe dieser und weiterer Demonstrationen und der schieren Masse der im Juli und August 2018 bei den Abgeordneten des EU-Parlaments eingegangenen Mails und Tweets Anlass zu erheblichem Zweifel an der tatsächlichen Größe der mutmaßlichen Protestbewegung. Dass die Proteste an sich einen realen Kern hatten, wurde dabei von niemandem in Frage gestellt – auch nicht durch hier veröffentlichte Beiträge. Viel mehr wurden die seinerzeit benutzen Tools in den Vordergrund gestellt, weil es z. B. keinerlei Verifikationen gab. Ein Ansteuern der Tools mittels automatisierter Skripte war problemlos möglich, eventuell sogar erwünscht.2017: Ursprünge der Kampagnen gegen die EU-Urheberrechtsreform
Um die Kampagnen gegen die Urheberrechtsreform insgesamt besser zu verstehen, lohnt sich ein etwas weiter gefasster Rückblick. Im Frühjahr 2017 tauchten die Begriffe Censorship Machine und Link Tax bei der kanadischen NGO Open Media im Zusammenhang mit der EU-Richtlinie auf.
Mangelnde Transparenz
Open Media stellt sich hinsichtlich ihrer Finanzierung leider alles andere als transparent dar. Der letzte geprüfte Geschäftsbericht stammt aus dem Jahr 2016. Platinum-Sponsoren wie Mozilla verschwinden auf mysteriöser Art und Weise von der Webseite, und Finanzberichte wurden zeitweise von der Seite entfernt. Wer Open Media im Jahr 2017 und danach also wirklich finanziert hat, verbleibt ungeklärt. Kurze Zeit, nachdem Open Media das Framing der Begriffe Censorship-Machines und Linktax für ihre Kampagne in der EU einführte, fand in Berlin die Internetkonferenz Re:Publica statt, wo auch ein Panel zum Thema Censorship-Machines zu sehen war.Was war die Rolle von Mozilla?
Die Zusammensetzung des Panels ist vor allem deswegen ausgesprochen interessant, weil drei der vier Panelteilnehmer bzw. deren Arbeitgeber im späteren Verlauf der Kampagne eine entscheidende Rolle spielen sollten: – Jake Beaumont-Nesbitt, International Music Manager Forum, eher ein Exot in dieser Runde, aber sein Verband ist Mitglied bei Copyright for Creativity (C4C). – Raegan MacDonald, Senior EU Policy Manager von Mozilla, – Diego Naranjo, Senior Policy Advisor bei EDRi – Caroline de Cock, die auf den Re:Publica Webseiten als Coordinator von Copyright for Creativity (C4C) beschrieben wird; dass sie nebenbei auch Geschäftsführerin des belgischen Lobbyunternehmens N-Square ist, fand keinerlei Erwähnung.
Dreh- und Angelpunkt der relevanten Kampagnen: ein US-Branchenverband!
Die „Ad-hoc-Koalition“ C4C (Eigenaussage) mit der „Koordinatorin“ de Cock zählt den im Jahr 1972 gegründeten US-Branchenverband CCIA (Computer and Communication Industry Association) zu ihren Geldgebern. Die CCIA finanzierte aber u.a. auch die Kampagnenseite Create.Refresh, die nachweislich gezielt YouTuber seit dem Sommer 2018 angesprochen hatte, um Videos gegen den damaligen Artikel 13 der Urheberrichtlinie erstellen zu lassen. Bei diesem Vorgehen hat man praktischerweise gleich Regieanweisungen mitgeliefert, die, obwohl falsch, etliche und sogar prominente YouTuber stumpf übernommen haben. Recherchen der FAZ ergaben weiterhin, dass einigen YouTubern auch Geld für die Erstellung derartiger Videos angeboten wurde. Create.Refresh dürfte daneben auch einen hohen Anteil seiner Mittel in die Kampagne über Twitter investiert haben. Vom Zeitpunkt August/September 2018 an war es kaum noch möglich, den gesponsorten Twitter Posts zu entgehen, zumal die deutsche Abgeordnete der Piratenpartei Julia Reda solche und weitere gesponsorten Tweets – bei denen es sich um politische Werbung handelt – munter retweetete.
Woher kam das Geld?
Die CCIA darf man in der Kampagne als Key Player bezeichnen. Von diesem ging nicht nur die Finanzierung von C4C, saveyourinternet.eu sowie Create.Refresh aus, es wurden auch auch erhebliche Teile des 2018er Budgets von N-Square bzw. der Mutterfirma KDC Group zur Verfügung gestellt, wie der EU-Transparenzbericht Ende Juni 2019 feststellt.
Freunde der Wissenschaft
Es rundet das Bild ab, dass auf der Re:Publica 2019 Prof. Kretschmer von der Universität Glasgow einen Vortrag zu der Urheberrechtsreform der EU hielt.
Fazit Urheberrechtsreform
Sein nachträglicher Versuch, die tatsächlichen Zusammenhänge zu verwischen bzw. deren Offenlegung zu entkräften, vermag daher nur schwerlich zu überzeugen. Eher erweckt er den Eindruck von einem Beißreflex. Der angesichts der möglichen Folgen des Bekanntwerdens solcher Verwicklungen auch nicht einer gewissen Binnenlogik entbehrt. Es lässt sich daher nur spekulieren, ob seine im Video zu hörende Äußerung, dass er bei der Debatte „nicht ganz unschuldig sei“ möglicherweise auch ganz anders gemeint war. Die Wahrheit kennt Prof. Kretschmer nur selbst. Beitragsbild: „Stoppt Uploadfilter“. Foto von Hanna Prykhodzka, epiccenter works, thx! (CC BY 2.0) Tarnkappe.info(*) Alle mit einem Stern gekennzeichneten Links sind Affiliate-Links. Wenn Du über diese Links Produkte oder Abonnements kaufst, erhält Tarnkappe.info eine kleine Provision. Dir entstehen keine zusätzlichen Kosten. Wenn Du die Redaktion anderweitig finanziell unterstützen möchtest, schau doch mal auf unserer Spendenseite oder in unserem Online-Shop vorbei.