Ein unschöner Einblick in die Welt eines Online-Journalisten und wie dieser von einem Arbeitgeber behandelt wurde. Einzelfall oder die Regel?
Es begab sich, dass ich im Vorjahr bei einem deutschen Unternehmen als freier Mitarbeiter einstieg. Beginnen nicht alle Märchen so? Leider ist die Geschichte wahr, selbst wenn es nur meine Sicht der Dinge ist, die ich hier darlegen kann. Über ehemalige Arbeitgeber und andere Katastrophen.
Ehemalige Arbeitgeber und andere Katastrophen
Ich hatte das Blog schon seit längerer Zeit in meinem Feedreader. Der Ruf des Internet-Portals hatte in meinen Augen nach dem Betreiberwechsel keinen sichtbaren Schaden genommen. Viele der Artikel dort waren für mich als Leser nicht wirklich relevant. Ich hoffte aber, dass ich dort vielleicht einige meiner Kernthemen unterbringen könnte, eben weil es dort nur selten etwas darüber zu lesen gab. Nach meiner Bewerbung stellte ich schnell ein paar Unterschiede zu anderen Arbeitgebern fest. Es gab schon im Vorfeld einen Vertrag, selbst wenn er in manchen Punkten zu meinen Ungunsten formuliert war. Und es gab auch eine Verpflichtung in Voraus zu planen, bis zu welcher Uhrzeit die eigenen Artikel fertig sein sollten. Das war professionell. Auch die Bezahlung war für mich okay.
Privatsphäre bei diesem Arbeitgeber? Ein Fremdwort!
Ich fand es aber merkwürdig, dass man selbst als freier Autor zwingend die firmeneigene E-Mail-Adresse auf dem Server vom Arbeitgeber benutzen sollte. Einer meiner damaligen Kollegen hat später sogar seinen Gmail-Account komplett aufgegeben und ist seitdem nur noch über die Adresse des Unternehmens erreichbar. Die Nachteile liegen auf der Hand: Es sind deren Server. Bei unverschlüsselten E-Mails können diese auch Jahre später noch gelesen werden. Privatsphäre ist in dieser Form nicht möglich. Scheidet ein Mitarbeiter freiwillig aus oder wird er gekündigt, verliert er seine einzige Kontaktmöglichkeit. Er ist dann für alle früheren Geschäftspartner und Interviewpartner auf einen Schlag nicht mehr erreichbar. Das fördert meines Erachtens die Abhängigkeit vom Arbeitgeber. Bei Festangestellten ist eine betriebliche E-Mail nachvollziehbar. Bei Freiberuflern, die für diverse Portale schreiben, hingegen nicht. Der Zwang ging soweit, dass mir wichtige Informationen absichtlich an die firmeneigene E-Mail-Adresse geschickt wurden. Per Googlemail bekam ich lediglich den Hinweis, ich müsse bei ihnen nachschauen, wenn ich die Information haben will. Sorry, das fand ich äußerst merkwürdig.
2 bis 3 Euro Stundenlohn bei Interviews
Echt krass wurde es bereits wenige Tage später. Ich bekam die Anfrage des Redaktionsleiters, der damals noch zusätzlich für ein anderes News-Portal des Betreibers verantwortlich war. Er könne mir eine Flugreise für ein Interview in Südeuropa anbieten. Ich fragte freundlich zurück, wie denn die Konditionen aussehen. Es kam keine Antwort. Zwei Tage später fragte ich nach, was denn aus den Reiseplänen geworden sei. Er antwortete mir, ich hätte nicht nach den Konditionen fragen dürfen. Er hätte das Interview einem Kollegen vermittelt. Aha, denkt man sich dann. Ich fand es schade, weil mich das Gespräch schon gereizt hätte. Dann etwa 3 Tage vor dem Termin bekam ich eine Mitteilung, der Kollege habe es sich anders überlegt. Ob ich nicht doch fliegen könne. Ich fragte abermals nach den Konditionen. Bei einem Arbeitsaufwand von etwa 3,5 bis 4 Tagen inklusive dem Übersetzen und Mitschreiben des englischsprachigen Interviews, mit An- und Abreise, plus Formulierung eines allgemeinen Artikels über die Führung durch das Unternehmen – für all das sollte ich brutto 70 Euro bekommen. Man räumte mir „ausnahmsweise“ das Recht zur Zweitverwertung ein.
70 EUR für 1 Woche Arbeit
Also nochmal zum Mitschreiben: 4 von 5 Wochenarbeitstage soll ich aufwenden und kriege 70 zu versteuernde Euro, wobei für den Auftraggeber wahrscheinlich keinerlei Reisekosten entstanden sind. Ich dachte, mich kriegen sie. Kalkuliere ich wirklich mit 4 Tagen und somit 32 Stunden Zeitaufwand, komme ich auf einen Stundenlohn von 2,1875 Euro brutto. Bei 3 Tagen bin ich bei knapp 3 Euro pro Stunde. Da mein Ausweis zu diesem Zeitpunkt tatsächlich abgelaufen war, und ich wegen eines Wasserschadens die Handwerker im Haus hatte, habe ich dankend abgelehnt.
Ich weiß selbst zu genau, dass im Online-Bereich die Einnahmen der Betreiber nicht in den Himmel wachsen. Aber wieso ist es nicht nachvollziehbar, wenn ich bei rund 2,20 Euro pro Stunde keine Luftsprünge mache? Mein Vorgesetzter war weniger begeistert, hat das Thema aber auch nicht weiter angesprochen. Das war auch gut so, ich hätte bei so viel Freizügigkeit ansonsten bei nächster Gelegenheit in seine Tischkante gebissen.
Übrigens hat sich das Szenario munter wiederholt, das war keine Ausnahme. Wir wurden häufiger dazu aufgefordert, auf eigene Kosten zu irgendwelchen Firmenmeetings zu fahren, die sonst wo stattfanden. Kurz vor Ende kam eine Anfrage wegen eines Interviews mit Microsoft. Das gleiche Spiel, ein vergleichbarer Aufwand, die gleiche Bezahlung. Ich hätte gerne mehr als die angebotenen 70 Euro für insgesamt zwei Artikel, schrieb ich zurück. Auf meine Nachfrage wurde ich vom Redaktionsleiter an den Geschäftsführer verwiesen. Der gab mir nach wenigen Minuten Bedenkzeit per E-Mail zu verstehen, dass man den Auftrag anderweitig „intern“ vergeben hätte, was auch immer das bedeuten mag.
Der Arbeitgeber als Kommunikationszentrale
Spannend auch der Umgang mit internen Absprachen. Ich schlug dem Vertreter des Redaktionsleiters zwei Themen vor und versuchte ihm per ICQ klarzumachen, wie wichtig mein präferiertes Facebook-Thema sei. Nein, keine Chance, Facebook wollte er nicht. Das war an sich nichts Neues. Meine Artikelvorschläge wurden häufiger abgelehnt, das ging aber nicht nur mir so. Das ist soweit nachvollziehbar, das kann einem überall passieren. Wir machten aus, ich solle das andere Thema bearbeiten und um ca. 11 Uhr würden wir uns nochmals kurzschließen. Dazu kam die Ansage, später sei das Facebook-Thema möglicherweise schon zu alt. Gut, okay. Damit konnte ich leben.
Eher zufällig schaute ich um kurz vor 11 Uhr im Blog meines Arbeitgebers vorbei und sah, dass meine vorgeschlagene Facebook-News mittlerweile von einem anderen Freiberufler veröffentlicht wurde. Ich muss also davon ausgehen, mein Vorgesetzter hat sich die Sache kurz nach dem Chat anders überlegt und gab das Thema ohne jede Info an mich weiter. Oder aber mein Kollege war selbst darüber gestolpert und er bekam dafür die Zusage. Auch wenn ich keine verbindliche Zusage erhalten hatte, so hatte ich dennoch schon zu Schreiben angefangen. Ich war echt schockiert über dieses Verhalten. Für mich steht fest: Wer einen Mitarbeiter so behandelt, schätzt ihn nicht! Ein einziger Satz per E-Mail oder ICQ hätte gereicht und alles wäre prima gewesen. Aber nein, das war ja offensichtlich nicht nötig.
Weniger Honorar als Belohnung?
Wenig überraschend konnten die Herren meine Aufregung nicht nachvollziehen. Auch weil ich mit der angekündigten Reduzierung des Honorars um 6 Euro nach Ende der Probezeit nicht einverstanden war, telefonierte ich tags darauf mit dem Geschäftsführer. Ich solle mir doch nicht so viel Mühe bei der Erstellung meiner Artikel machen, dann würde auch der Stundenlohn wieder passen, sagte er mir. Solche Aussagen habe ich aber noch nie zu hören bekommen. Er könne es verstehen, dass die Reduzierung nicht motivierend wirke. Aber das anfängliche Honorar könne er auf Dauer nicht bei den Gesellschaftern realisieren. Daraufhin folgten die für trainierte Manager üblichen Fragen, um mich zu verunsichern. Er wolle mir helfen. Wo denn meine Probleme liegen würden, warum ich so lange für einen Artikel brauche und vieles mehr. Na klar! Wenn ich einfach den Text von anderen Quellen umformuliere, statt eine Anfrage bei der zuständigen Pressestelle durchzuführen, weil ich eine zitierfähige Aussage haben will, geht alles schneller. Aber dann ist es exakt das Geschmiere, welches die Firma haben will und jetzt auch bekommt. Dann wurde mir noch gesagt, eine Absprache wegen der Facebook-News hätte nicht stattfinden müssen. Sie seien doch „keine Kommunikationszentrale“.
Aktion und Reaktion
Gut dachte ich mir. Ich auch nicht! Daraufhin habe ich bei Thunderbird den Firmen-Account augenblicklich gelöscht. Denn ich verhalte mich bei einer derartigen Behandlung sicher auch nicht wie eine Kommunikationszentrale. Jeder bekommt, was er verdient. Wer noch etwas von mir wollte, musste mich halt über Googlemail anschreiben, fertig!
Zwischenzeitlich erfolgte eine wirklich ausgefallene Weihnachtsfeier, wo man es den Mitarbeitern an wirklich nichts mangeln ließ. Sogar die Kinder der Angestellten wurden bestens versorgt. Unterhaltung, Speisen und Getränke vom Feinsten. Es gab sogar für die Freien ein dickes Weihnachtsgeschenk, was mich an dem Tag deutlich milder stimmte.
Doch das dicke Ende kommt noch. Ich habe Anfang dieses Jahres gekündigt, weil ich das Gefühl hatte, ich kann bei diesem Unternehmen nichts lernen. Texte einfach im Eiltempo herunterschreiben, das kann ich überall. Ich möchte im Idealfall dort arbeiten, wo ich mich wohlfühle, weil ich gut behandelt werde. Wenn es geht, möchte ich mich sogar mit der Firma und dem Produkt identifizieren. Andere Menschen sind vielleicht weniger empfindlich. Zu bleiben war mir unter den gegebenen Umständen nicht möglich. Um nicht zu viele Interna zu verraten, bleiben an dieser Stelle mehrere „Zwischenfälle“ unerwähnt. Das bisher Geschriebene reicht völlig aus, um sich ein Bild von den dortigen Verhältnissen zu machen.
Basic Thinking hatte alle Beiträge gelöscht
Mein Kontakt Uwe aus Bochum schrieb mich an, neben dem Interview von mir sei kein Name zu sehen. Wie, was? Ich hatte das Interview doch gerade erst bei Google Plus, Facebook, Twitter, Xing und LinkedIn angekündigt, das war höchstens 10 Minuten her. Und tatsächlich. Der Redaktionsleiter hatte meinen Namen auf Anweisung der Geschäftsleitung noch vor Ablauf des Arbeitsvertrages aus allen Artikeln entfernt. Dort stand lediglich:
„Ehemalige ***** ******** Autoren / Dieses Posting wurde von einem Blogger geschrieben, der nicht mehr für ***** ******** aktiv ist.“
Ich befinde mich dort übrigens in bester Gesellschaft. Ich habe auf 22 Übersichtsseiten Artikel gefunden, die nachträglich anonymisiert wurden. Angeblich würde dies nur bei Personen geschehen, die nur kurzfristig für das Unternehmen bloggten, wurde mir zur Antwort gegeben. Und nein, ich hätte keinerlei Anspruch darauf, namentlich genannt zu werden. Lieber Vorgesetzter, das ist einfach falsch. Schon Satz 1 von § 13 des Urheberrechtsgesetztes besagt, der Urheber hat ein Recht auf Anerkennung seiner Urheberschaft am Werk. Er kann bestimmen, ob dieses mit einer Urheberbezeichnung zu versehen und welche Bezeichnung zu verwenden ist. Dazu kommt, dass mir sogar vertraglich zugesichert war, dass mein Name erwähnt werden muss. Wenn der Redaktionsleiter den Vertrag nicht kennt, wieso glaubt er mir schreiben zu müssen, dass ich kein Recht auf meine Namensnennung hätte? Ich verstand die Welt nicht mehr.
Okay, zugegeben.
Ich hatte die Nase gestrichen voll und via social media angekündigt, dass dies definitiv mein letzter Beitrag für diesen Arbeitgeber sei. Sonst hatte ich nichts Wertendes geschrieben. Das war mein Fehler und leider auch unprofessionell. Professionell wäre es gewesen, zu allem zu lächeln und sich still und heimlich zu sagen, dass die Welt um einen herum einfach total verrückt ist.
Wieso die ganze Aufregung? Das ist im Prinzip ganz einfach. Wer sich als freier Journalist etablieren will und eine Chance zum Publizieren bekommt, der gibt Vollgas. Ich wollte mit besonders guter Arbeit und interessanten Statements von Insidern bei künftigen Arbeitgebern punkten. Wenn mein Name neben dem Artikel fehlt, wird mir diese Chance natürlich genommen. Ich kann beim Bewerbungsgespräch schlecht sagen: Lieber Portalbetreiber, da stand mal mein Name, der wurde aber gelöscht.
Vor allem Quereinsteiger suchen nach Möglichkeiten, Referenzartikel zu veröffentlichen um sich einen Namen zu machen. Wenn ich das Statement eines Filehosters, eines Landtagsabgeordneten, von Rechtsanwälten, Hackern etc. vorweisen kann, wäre das wertvoll gewesen. Das weiß ich, das wussten sicher auch meine Vorgesetzten.
Einen Rechtsanwalt habe ich zur Durchsetzung meiner Rechte glücklicherweise nicht einschalten müssen. Dennoch hat man die Wiedereinsetzung so gelöst, dass der eigene Name über die Suchmaschinen nicht mehr sonderlich gut auffindbar ist. Natürlich hätte man das auch mit Hilfe von WordPress lösen können. Doch ich befürchte, das wollte man schlichtweg nicht.
Fazit zum Thema Arbeitgeber
Kaum begann ich hinter die Kulissen zu blicken, kamen mir die ersten Zweifel, ob ich dort gut hinpassen würde. In den wenigen Monaten meiner Mitarbeit wurde für mich mit jeder Woche offensichtlicher, dass Autoren für diese Firma nichts weiter als austauschbare menschliche Schreibmaschinen sind. Blogbeiträge sollen so wenig wie möglich kosten, die Qualität ist dabei nachrangig. Zugegeben: Man muss nicht aus jeder News eine Doktorarbeit machen. Und manchmal neige ich zu aufwändigen Ausarbeitungen. Aber ein gewisses Maß an Qualität ist für mich einfach nicht diskutabel. Die Leser sind nicht blöd und schalten ab, sobald sie sich nicht gut unterhalten fühlen.
Wirklich schlimm in dem Zusammenhang ist, dass solche Arbeitgeber über eine schier endlos sprudelnde Quelle an Nachwuchsautoren verfügen. Es wird immer genug Leute geben, die sich darüber freuen, für mehr als nur für die fünfzig Leser ihres eigenen Blogs zu schreiben. Mir hätte es anfangs ganz genauso passieren können. Ich habe im Sommer 2006 auch mit unendlich viel Enthusiasmus und Spaß meine ersten News bei gulli.com veröffentlicht. Ich hätte damals Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, nur um weiter publizieren zu dürfen. Glücklicherweise war das nicht nötig, weil die Zusammenarbeit funktionierte und bis heute funktioniert.
Ich habe übrigens lange darüber nachgedacht, ob ich mich überhaupt über dieses Thema auslassen soll. Zu leicht könnte der Eindruck entstehen, dass ich eine Krawallschachtel bin. Dann heißt es, der Sobiraj regt sich selbst über kleinste Kleinigkeiten (seine früheren Arbeitgeber) auf. Doch weder das eine noch das andere ist der Fall. Ich habe einfach keine Lust, mich (nahezu) pausenlos schlecht behandeln zu lassen.
Tarnkappe.info
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