In einer Klage nach einer P2P-Abmahnung erfüllte die Beklagte die sekundäre Darlegungslast, indem sie einen Schuldigen benennen konnte.
Das Amtsgericht Charlottenburg fällte am 24.09.2019 ein Urteil in einer P2P-Klage unter dem Az. 231 c 76/19. Verhandlungsgegenstand war das Nutzen eines illegalen Tauschbörsenangebotes von urheberrechtlich geschützten Filmaufnahmen. Die Klägerin, die Warner Bros. Entertainment GmbH, verschickte eine P2P-Abmahnung aufgrund einer Urheberrechtsverletzung. Vertreten wurde sie durch die Anwaltskanzlei Waldorf Frommer. Die beklagte Anschlussinhaberin, vertreten durch Rechtsanwalt Ehssan Khazaeli, genügte in diesem Fall der sekundären Darlegungslast. Sie gab an, dass ein anderer Täter für die begangene Urheberrechtsverletzung in Betracht kommt. Dem Gericht genügte diese Aussage, um die Klage abzuweisen. Das Ende einer P2P-Abmahnung.
Klägerin fordert Schadenersatz für Urheberrechtsverletzung
Die Klägerin ist Inhaberin exklusiver Verwertungsrechte an den Film „Run All Night“ mit Liam Neeson in der Hauptrolle. Die Beklagte war im Jahr 2015 Inhaberin eines Internetanschlusses der Vodafone Kabel Deutschland. Über die dem Internetanschluss der Beklagten zuzuordnende IP-Adresse wurde am 01.11.2015 in einer P2P-Tauschbörse besagter Spielfilm heruntergeladen und gleichzeitig zum Download angeboten. So ergaben es im Auftrag der Klägerin durchgeführte Ermittlungen. Demnach konnte die IP-Adresse zu den genannten Zeiten eindeutig dem Anschluss der Beklagten zugeordnet werden. Die Klägerin behauptet, die Beklagte sei Täterin der ermittelten Rechtsverletzung.
P2P-Abmahnung in Höhe von über 1.100 Euro
Mit anwaltlichem Schreiben vom 12.11.2015 mahnte die Klägerin die Beklagte ab. Wegen der behaupteten Urheberrechtsverletzung über ihren Internetanschluss forderte sie zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 1.107,50 € und Ersatz der Anwaltskosten auf. Allerdings blieb die verlangte Zahlung aus, der Fall kam so vor Gericht. Die beklagte Partei wurde vertreten von Rechtsanwalt Ehssan Khazaeli. Man beantragte, die Klage abzuweisen.
Beklagte benennt einen alternativ infrage kommenden Täter
Die Beklagte trägt zu ihrer Entlastung vor, weder habe sie den Film Dritten über das Internet zum Download zur Verfügung gestellt, noch nutze sie P2P-Tauschbörsen. Ihren Laptop benutze sie lediglich für E-Mails, Literaturrecherche, zum Hören von Musik und Hörbüchern, zum Ansehen von Filmen, zur Nutzung von sozialen Netzwerken und zur Durchführung von Reise-Recherchen. Zum Tatzeitpunk war sie nicht zu Hause, sondern hielt sich in einem kleineren Ort in der Schweiz auf. Allerdings habe sie in diesem Zeitraum einen syrischen Flüchtling unentgeltlich bei sich wohnen lassen. Sowohl hatte er Zugang zu ihrem Laptop, als auch zu ihrem Internetanschluss.
P2P-Abmahnung: Benannter Täter bekennt sich zur Tat, bricht danach jedoch den Kontakt ab
Nach Zugang der P2P-Abmahnung hat sie sofort das Gespräch mit dem Syrer gesucht. Dieser hat ihr gegenüber die Tat gestanden. Den streitgegenständlichen Film hätte er über die App Popcorn Time angesehen. Zudem habe er noch einen weiteren Film heruntergeladen. Auch hierüber bekam die Beklagte prompt eine weitere Abmahnung. Er habe sich bei der Beklagten entschuldigt und angegeben, die Filme sowie das Programm bereits gelöscht zu haben. Die Beklagte gab an, über den Syrer den Vor- und Zunamen zu wissen, wann er in etwa geboren ist und dass er an der Universität Mannheim studiere. Nach Eingang der Anspruchsbegründungsschrift habe die Beklagte im Mai 2019 erneut versucht, ihn über Facebook zu erreichen. Dieser habe trotz Nachfrage keine Adresse von sich angegeben und danach den Kontakt völlig abgebrochen.
Klägerin verwirft pauschal Aussage der Beklagten
Die Kanzlei Waldorf Frommer behauptet zu dem Vortrag der Beklagten, dass der Syrer konkret zu den streitgegenständlichen Zeiten nicht die Möglichkeit gehabt habe, auf den Internetanschluss der Beklagten zuzugreifen. Dieser könne mittels P2P-Filesharing die Urheberrechtsverletzung nicht begangen haben.
Gericht sieht sekundäre Darlegungslast als erfüllt an, Klage wird abgewiesen
Das Gericht kam hier zu dem Schluss: Die zulässige P2P-Klage ist unbegründet und wird abgewiesen.
„Nach diesen Grundsätzen zur sekundären Darlegungslast besteht keine täterschaftliche Haftung der Beklagten im vorliegenden Fall. Denn sie ist ihrer sekundären Darlegungslast nachgekommen, indem sie angegeben hat, dass in dem Zeitraum, in den die streitgegenständlichen Feststellungen fallen, sich eine weitere Person in der Wohnung aufgehalten habe und Zugriff auf das WLAN-Netzwerk gehabt habe. Sie hat konkret vorgetragen, dass Herr … Zugriff auf ihren Internetanschluss und auch ihren Laptop gehabt habe. Sie hat ferner konkret unter Angabe der näheren Umstände dargelegt, dass dieser ihr gegenüber die Täterschaft eingeräumt habe. Nach dem Beginn des hiesigen Verfahrens hat die Beklagte nochmals Kontakt zu dem Herrn … aufgenommen und versucht, dessen Adresse von ihm in Erfahrung zu bringen.
Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die sekundäre Darlegungslast nicht nur dann erfüllt, wenn die Anschlussinhaberin der Rechteinhaberin einen konkreten Täter benennen kann, sondern bereits dann wenn ein anderer genauso in Betracht kommt. Dies ist hier der Fall, denn der nach Beklagtendarstellung in der Nutzung technischer Möglichkeiten des Internets ausreichend kompetente Herr … war nach dem Vortrag der Beklagten zum Tatzeitpunkt in der Wohnung anwesend. Der Beklagte hat nachvollziehbar vorzutragen, dass der Herr … mit Rücksicht auf sein Nutzerverhalten, seine Kenntnisse und Fähigkeiten sowie in zeitlicher Hinsicht Gelegenheit hatte, die fragliche Verletzungshandlung ohne Wissen und Zutun des Anschlussinhabers zu begehen. Er ist nach dem Beklagtenvortrag ernsthaft als Täter in Betracht zu ziehen.
P2P-Abmahnung verworfen
Bei diesem Vortragsstand müsste nunmehr die Klägerin die Täterschaft der Beklagten darlegen und gegebenenfalls Beweis hierfür erbringen. Dies ist ihr aber nicht gelungen. Die Klägerin hat schon nicht ausreichend substantiiert dargelegt, dass der Herr … nicht der Täter der streitgegenständlichen Urheberrechtsverletzung war. Trotz gerichtlicher Auflage, näher zu eigenen Nachforschungen betreffend die Täterschaft des ernsthaft als Täter in Betracht kommenden Herrn, hat sie sich darauf beschränkt vorzutragen, warum sie keine weiteren Nachforschungen habe betreiben können.
Soweit sie meint, ihr fehlten ausreichende Daten des Herrn … waren ihr durch den Beklagtenvortrag jedenfalls Vor- und Zuname sowie zwei als Geburtsdaten in Frage kommende Daten bekannt. Nachforschungen bei Einwohnermeldeämtern oder ähnliche Bemühungen hat die Klägerin offenbar nicht angestellt. Dies konnte sie ebenso gut tun wie die Beklagte. Selbst eine Aussichtslosigkeit solcher Versuche unterstellt angesichts der dünnen Datenlage ginge dieses Risiko zu Lasten der Klägerin, weil sie nach den oben dargelegten Grundsätzen darlegungs- und beweispflichtig für die Täterschaft der Beklagten ist, nicht diese für das Gegenteil.
… ins Blaue hinein?
Die Behauptungen der Klägerin, der Herr … habe zum Tatzeitpunkt keinen Zugriff auf den Internetanschluss der Beklagten gehabt und die streitgegenständliche Rechtsverletzung nicht begangen, stellt vor diesem Hintergrund bloßes Bestreiten „ins Blaue hinein“ ohne ausreichende Substanz dar. Auf die zweifelhafte Annahme, im Fall ausreichenden Vortrags zu eigenen Nachforschungen und zur Nicht-Täterschaft des Herrn … sei die Angabe „Universität Mannheim“ als ladungsfähige Anschrift des Herrn … ausreichend gewesen um diesen als Zeugen zu benennen.“
Zudem hielt das Gericht auch eine Störerhaftung der Beklagten betreffend der Abmahnkosten für nicht gegeben. Somit hat die Kosten des Rechtsstreites die Klägerin zu tragen. Gegen die Entscheidung kann noch Berufung eingelegt werden. Da man die Forderung vor Gericht bislang nicht erstreiten konnte, wird diese P2P-Abmahnung wohl auch nicht im Blog von Waldorf Frommer auftauchen. Dort berichtet man nur, wenn die süddeutsche Medienkanzlei einen Sieg vor Gericht davongetragen hat.
Bildquelle: privat, thx!
Tarnkappe.info