"Predictive Policing" heißt das neue Zauberwort. Algorithmen berechnen anhand von Statistiken, wo als nächstes mit einem Verbrechen zu rechnen ist.
Das neue Zauberwort der Polizei lautet „Predictive Policing“. Algorithmen berechnen anhand von Statistiken, wo als nächstes mit einem Verbrechen zu rechnen ist. Kritiker wie MdB Andrej Hunko warnen davor, dass die Behörden die Software mit immer mehr Daten von uns Bürgern füttern wollen. So wäre es möglich, auch die Daten von Kennzeichenscannern oder vielen anderen Quellen zu nutzen. Die Software testet man derzeit in acht Bundesländern.
Anstatt von Personen mit seherischen Fähigkeiten wie in Philip K. Dicks Kurzgeschichte, die später als „Minority Report“ (in Deutsch: Minderheiten-Bericht) verfilmt wurde, sollen Algorithmen vorhersagen, was in naher Zukunft mit großer Wahrscheinlichkeit passieren wird. Die Vorgehensweise wird als Predictive Policing bezeichnet.
Das Ganze ist aber schon lange keine Science-Fiction mehr, selbst wenn es so klingen mag. Schon vor rund zwei Jahren hat sich Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) länderübergreifend für das so genannte „Predictive Policing“ stark gemacht. Daraufhin verständigten sich Ende Oktober 2016 die Innenminister von Belgien, der Niederlande, Deutschlands sowie von Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Niedersachsen auf die „Aachener Erklärung“.
Predictive Policing: auch hierzulande keine Science-Fiction mehr
Aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage von Andrej Hunko (Die Linke) geht hervor, dass inzwischen acht Bundesländer die Fähigkeiten von digitalen Kriminalitätsvorhersagen ausprobieren. Zudem will man auf Landesebene Vorbereitungen treffen. Die Software wird bei der Polizei flächendeckend eingesetzt, sobald sie ausgereift ist. Die Landeskriminalämter in Bayern, Baden-Württemberg, Berlin, Hessen, Niedersachsen nutzen beziehungsweise erproben Anwendungen zur Vorhersage von Einbrüchen in Wohnungen. Nordrhein-Westfalen, Hamburg und Brandenburg führen Studien zu Grundlagen und Ausbau der Predictive Policing-Methodik durch. Zusammen mit dem Bundeskriminalamt und der Bundespolizei beraten die Behörden über weitere Möglichkeiten „softwarebasierter Prognose-Methoden“.
Die Bundesländer erproben die Software dabei komplett unterschiedlich. So will man beispielsweise Brennpunkte ausmachen, wo einzelne Delikte besonders häufig geschehen sind. Dabei verfolgt man die Annahme, dass Orte und/oder Personen mehrfach in kürzester Zeit von den Tätern aufgesucht werden. Richtig interessant wird es laut André Schulz vom Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) erst, sollte die Polizei entgegen des geltenden Datenschutzes alle Big-Data-Möglichkeiten ausschöpfen und die Informationen mit den personenbezogenen Daten der Täter verknüpfen.
Der Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko prophezeit, dass die Ermittler auf Dauer den Ausbau polizeilicher Datenbanken verlangen werden. „Einen solchen Datenhunger beobachten wir derzeit in allen Bereichen der digitalen Polizeiarbeit. Mich besorgt, dass die Funktionen der Anwendungen stetig ausgebaut werden. Für den Versuch einer Vorhersage von Diebstählen wäre es beispielsweise möglich, Kennzeichenscanner einzubinden. Viele Bundesländer schaffen derzeit solche Geräte an.“ BDK-Vorsitzender Schulz kritisiert, dass die dezentrale Entwicklung sehr viel Geld koste und vergleichsweise wenig bringe. In seinen Augen wäre es sinnvoller, die Software zentral vom BKA in Zusammenarbeit mit einigen wenigen Experten entwickeln zu lassen. Stattdessen „tüfteln derzeit acht Bundesländer an einer eigenen Softwarelösung“ herum, kritisiert Schulz gegenüber dem Handelsblatt.
Auch Unschuldige können in den Fokus der Ermittler gelangen
Andrej Hunko kommentiert das Ergebnis seiner Kleinen Anfrage wie folgt: „Länder wie die USA, Großbritannien und Australien sind beim Predictive Policing bereits einige Jahre voraus und wollen die Straffälligkeit von Verdächtigen oder die Rückfälligkeit von Verurteilten berechnen. Deutsche Kriminalämter laden die Hersteller der Software zur jährlichen Polizeimesse in Berlin ein, um entsprechende Möglichkeiten zu diskutieren.“ Daran zeige sich, dass die Vorhersagesoftware nach ihrer Anschaffung in Bezug auf den Einsatz kaum eingegrenzt werden kann.
„Bei computergestützten Prognosen geraten außerdem Personen ins Visier der Computer, die privaten oder geschäftlichen Kontakt zu Verdächtigen oder Beschuldigten haben. Dabei ist unklar, wie die vermeintlichen Risikoanalysen eigentlich berechnet werden, denn die Firmen legen den Quellcode der Software nicht offen. Schon aus diesem Grund verbietet sich der Einsatz durch Polizei und Geheimdienste“, schließt Hunko seine Argumentation ab.
Dabei sollen „Predictive Policing-Systeme bisher nicht mehr als das leisten können, wozu gute Kriminalisten in der Lage sind. Zum jetzigen Zeitpunkt sei dies wahrlich kein Allheilmittel gegen Kriminelle. Experten gehen davon aus, dass man gut ausgebildete und erfahrene Kriminalpolizisten wahrscheinlich niemals ersetzen kann. Polizeigewerkschafter Schulz bezeichnete die Vorhersage-Programme sogar als „dumme Algorithmen“. Doch wie man die Software auch bezeichnen mag, die Entwicklung geht stetig weiter.
Wenige Jahre später sind in Deutschland schon die ersten Systeme im Einsatz.
Tarnkappe.info