Glosse
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Bildquelle: piqsels

Unter dem Radar – der satirische Monatsrückblick (September/2015)

Im satirischen Monatsrückblick werden die Irrungen und Wirrungen des Monats Oktober (unter anderem des BND und der Firma AVG) kommentiert.

Wieder einmal ist ein Monat vergangen – Zeit, zurück zu blicken (womit nicht „Zurück in die Zukunft“ gemeint ist, auch wenn für Fans dieses Science-Fiction-Klassikers in Kürze ein wichtiges Jubiläum ansteht) und Bilanz zu ziehen. Wie so oft gibt es dabei vor allem eines zu vermelden: reichlich Irrsinn und Inkompetenz von Seiten der Mächtigen – aber auch einige verblüffende Fehlgriffe derjenigen, die diese Mächtigen herausfordern. Alles wie immer also in unserem nicht ganz ernst gemeinten, dafür um so kompromissloseren Monatsrückblick…

An Apple a day keeps the snooper away

Dass man wegen Inkompetenz im Job Ärger bekommen kann, ist ja nichts Neues (auch wenn es bei Fußball-Funktionären, Politikern, Microsoft-Mitarbeitern und der Führungsetage von VW gelegentlich in Vergessenheit zu geraten scheint). Dass das Gegenteil allerdings auch möglich ist, ist weniger bekannt. Gibt’s aber in diesen verrückten Zeiten auch – prominentes Beispiel: Apple. Der bekannte, ebenso geliebte wie gehasste Konzern aus Cupertino streitet sich derzeit mit der NSA vor Gericht, weil seine Verschlüsselungssoftware genau das tut, was sie soll, nämlich verschlüsseln. Das nämlich kommt den Schlapphüten reichlich ungelegen. Sie hatten von Apple verlangt, Nachrichten des Messaging-Dienstes „iMessage“ in Echtzeit herauszugeben.

Das allerdings geht nicht, weil diese – man ahnt es schon – verschlüsselt sind. Daraufhin reagierte die NSA zunächst wie ein trotziges Kleinkind, dem man den Lutscher verweigert hat, mit Herumgejammer. Anschließend besann sich die Behörde auf echte amerikanische Werte und Traditionen und zog vor Gericht. Damit hat man sich klar für unseren Monatsrückblick qualifiziert.

Der Monatsrückblick für September 2015

Die Moral aus dieser Posse: schließt besser eure Wohnung nicht ab, und wenn, stellt sicher, dass die Dienste einen Zweitschlüssel haben.Anderenfalls könntet auch ihr euch bald vor Gericht wiederfinden. Oder aber das stimmt überhaupt nicht und die Mächtigen haben wieder einmal die digitale Welt nicht verstanden und/oder wollen sich in dieser nie da gewesene Sonderrechte ergaunern. Ich denke, ein angemessener Kompromiss wäre, die Ermittler beim Einstieg in die eigenen vier Wände mit Obst zu bewerfen. Wobei das wahrscheinlich heutzutage mindestens unter Landesverrat (in Deutschland) oder Unterstützung des Feindes (in den USA) zählt.

123456? QWERTZ!

Auch für unsere Bildung wurde diesen Monat reichlich gesorgt. So gab es unter anderem ein informatives Video zur Passwort-Sicherheit. Dass das bitter nötig ist, weiß ich spätestens seit einem DeepSec-Vortrag, der sich mit der Analyse geleakter Website- und Foren-Dumps im Hinblick auf Passwort-Sicherheit befasste. Die Klassiker wie „123456“, „QWERTY/QWERTZ“ sowie Benutzername als Passwort waren reichlich vertreten (also, liebe NSA: die Überschrift dieses Absatzes ist kein subversiver Geheimcode, ihr braucht mich nicht nach Guantanamo zu bringen).

Außerdem weiß ich seitdem, was „Passwort“ auf finnisch, italienisch und türkisch heißt – auch das ist nämlich eines der beliebtesten Passwörter. Lustiger Nebeneffekt für die Konferenzteilnehmer: sie konnten ohne Fragen oder Facebook-Stalking die Metalheads im Publikum identifizieren – das waren nämlich diejenigen, die sich ohne vorherige Erklärung über die finnischen Kraftausdrücke (auch diese sind, in jeder Sprache, hoch im Kurs – Einzelheiten überlasse ich eurer Fantasie) amüsierten.

Worauf ich damit hinaus will? Auf nichts bestimmtes, glaube ich. Allerdings: wenn ihr euch bei einem der oben angesprochenen Passwörter wiedererkennt, solltet ihr dieses vielleicht schnellstmöglich wechseln. Es sei denn, ihr erwartet Interesse von Seiten der Geheimdienste…

Datenhandel für Anfänger und Fortgeschrittene

„Pastors Kinder, Müllers Vieh, gedeihen selten oder nie,“ pflegten unsere Altvorderen zu sagen. Und damit sind wir direkt beim Thema Datenhandel. Nicht direkt, aber irgendwie doch – lasst es mich erklären. Manche Unternehmen bieten uns Dienste scheinbar kostenlos an, lassen uns diese aber mit unseren persönlichen Daten bezahlen. Von Mark Zuckerberg und Konsorten wissen wir das schon lange. Bedenklicher aber ist, wenn ein Unternehmen, das Sicherheitssoftware anbietet – und somit eigentlich als Experte in Sachen Datenschutz- und Sicherheit gelten sollte – auf diesen Zug aufspringt.

So geschehen jüngst im Fall AVG. Ja, ohne Zweifel ist dies ein Fall für den Monatsrückblick. Wenn man im Konversations-Lexikon „Die müssten es doch eigentlich besser wissen“ nachschlägt, findet man das Firmenlogo von AVG. Das ist, als würde man nicht den Bock zum Gärtner machen, sondern der Gärtner auf einmal auf die Idee kommen, dass es eine gute Idee wäre, seinen Bock zur Arbeit mitzubringen. Was kommt als nächstes? Diätberater, die das Wechselgeld für ihr Honorar in Chips und Schokolade auszahlen? Lehrer, die ihr Geld damit verdienen, dass sie den Kindern Egoshooter und Pornos verkaufen? Wir dürfen gespannt sein.

Von hungrigen Hunden und verschwundenen E-Mails

„Der Hund hat meine Hausaufgaben gefressen,“ war in meiner Schülergeneration der Prototyp der vollkommen dreist-unglaubwürdigen, aber immer wieder gerne zitierten Ausrede für akademische Versäumnisse. Stellen wir uns jetzt einmal vor, der säumige Schüler wäre der BND. Tja und die vergessenen Hausaufgaben ein ungleich ernsterer Verstoß gegen das Allgemeinwohl. Dann haben wir in etwa die Situation, die letzte Woche im NSA-Untersuchungsausschuss für Diskussionen sorgte. Statt „Bello hatte Hunger“ hieß es da „Wir sind zu blöd, unsere E-Mail-Software umzustellen“ – angeblich der Grund dafür, dass entgegen ausdrücklicher Anweisung wichtige E-Mails gelöscht wurden.

unter dem radar die glosse tarnkappe.infoIch weiß nicht, was beleidigender ist – dass der BND so dreist auf unseren Rechten herum trampelt, oder dass er irgendwen für dumm genug hält, so eine Ausrede zu glauben. Ironisch ist es jedenfalls auf alle Fälle. Daten, die der BND gar nicht haben, geschweige denn speichern sollte, werden nie gelöscht. Die, die er unbedingt behalten soll, verschwinden auf wundersame Weise. Vielleicht ist das ein bisschen so wie mit dem Mann, der hätte geheilt werden können, wenn er es nur geschafft hätte, einen ganzen Tag nicht an rose Elefanten zu denken. Der Schwierigkeitsgrad lässt sich allerdings erhöhen: versucht mal, beim Begriff „BND“ nicht an „dreiste, machtgeile Lügner“ zu denken…

Kommt gut durch den Oktober

Egal, ob ihr in unserer privaten BND-Challenge Erfolg habt: ich hoffe, ihr kommt gut durch den Oktober. Erfreut euch am alltäglichen Wahnsinn – und seid versichert, dass dieser hier nächsten Monat wieder in gewohnter Weise zerpflückt wird. Dann nämlich erscheint der nächste Monatsrückblick.

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