Das geplante Gesetz über das UrhWissG sieht vor, dass Lehrende den StudentInnen bis zu 15 % eines Buches lizenzfrei online zur Verfügung stellen dürfen.
Am Montag (29.05.2017) findet eine öffentliche Anhörung zum Entwurf des Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetzes (UrhWissG) vor dem Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz des Deutschen Bundestags statt. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) will mit dem Gesetz die Nutzung digitaler Semesterapparate mit dem Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz an Universitäten vereinfachen.
UrhWissG soll verändert werden
Jedoch wollen sowohl die Verlage als auch die Union verhindern, dass Dozierende lizenzfrei Teile von Büchern Studenten zur Verfügung stellen können. Aber auch der Börsenverein des Deutschen Buchhandels warnt. Das Gesetz würde den freien Markt für Bildungs- und Wissenschaftsmedien außer Kraft setzen.
Das geplante Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz sieht vor, dass künftig Lehrende den StudentInnen bis zu 15 Prozent eines Buches online zur Verfügung stellen dürfen. Auch ohne Genehmigung von Verlagen und AutorInnen. Derzeit müssen RechteinhaberInnen gemäß Urheberrecht jeder Verwendung ihrer Werke ausdrücklich zustimmen. Allerdings kann der Gesetzgeber auch Ausnahmefälle, wie eine Kopie für private Zwecke, zulassen – die sogenannten „Schranken“ des Urheberrechts. Das regelt der Wissenschaftsparagraf 52a. Danach darf man „kleine Teile“ eines Werks für einen „abgegrenzten Kreis von Unterrichtsteilnehmern“ online zugänglich machen. Nach Präzisierung des Bundesgerichtshofs im Jahre 2013 in einem Grundsatzurteil stand dann fest: Als „kleine Teile“ meint man maximal 12 Prozent eines Werkes. Mehr darf man nicht lizenzfrei nutzen.
Justizminister Maas legte im Februar 2017 einen Referentenentwurf für das UrhWissG vor. Darin hieß es, es sollten bis zu 25 Prozent eines Buches ohne Lizenz in elektronische Semesterapparate eingestellt werden dürfen. Im Gegenzug müssen Unis – wie bisher – eine Vergütung an die Verwertungsgesellschaft (VG) Wort zahlen, die diese dann an die RechteinhaberInnen verteilt.
Wissenschaftsverlage fürchten um ihre Umsätze
Da die Hochschulen aber nur eine jährliche Pauschalgebühr zahlen und keine Informationen zu den genutzten Büchern weitergeben müssen, kann die VG WORT den eingehenden Betrag nur „mit der Gießkanne“ unter sämtlichen bei ihr gemeldeten wissenschaftlichen Urhebern aufteilen. Für die Verfasser des Lehrbuchs ergibt sich bestenfalls eine Ausschüttung von wenigen Cent. Die Höhe der Vergütung regelt der Gesetzentwurf nicht, branchenüblich wären zur Zeit aber 0,8 Cent pro Seite und StudentIn. Der Verlag erhält für die Nutzung seines Lehrbuchs kein Geld, da seine angemessenen Lizenzangebote von der Hochschule nicht vorrangig berücksichtigt werden müssen und er an den Ausschüttungen der Verwertungsgesellschaft (VG) Wort aufgrund eines Urteils des Bundesgerichtshofs nicht beteiligt wird.
Maximal 15 Prozent des Buches darf man lizenzfrei nutzen
Den Referentenentwurf hat die Bundesregierung im April 2017 gebilligt. Allerdings mit der Einschränkung, dass man nur 15 Prozent eines Buches lizenzfrei nutzen darf. Derzeit ist es so, wenn der Verlag ein angemessenes Angebot macht, muss die Uni einen Vertrag mit dem Verlag schließen und kann das Werk dann infolge dessen nicht mehr lizenzfrei nutzen. Das grundlegend Neue ist nun, dass der lizenzfreie Basiszugang auch dann gelten soll, wenn der Verlag ein „angemessenes“ Lizenzangebot macht.
Genau hierin sieht die CDU/CSU-Fraktion Ansatz für Kritik. So meint der CDU-Abgeordnete Stefan Heck. Maas’ Vorschlag sei eine „Absage an die freie Marktwirtschaft“ und könnte Verlagen und AutorInnen wirtschaftlich ruinieren. SPD-Abgeordneter Christian Flisek hält dagen. Wenn es weiter einen Vorrang der Lizenzangebote gebe, dann bleibe die Rechtsunsicherheit bestehen, „weil niemand weiß, was denn ein ‚angemessenes‘ Angebot ist“. Auch Minister Maas verteidigt sein Konzept mit den Worten: „Diese lebensfremde Regelung schaffen wir ab.“
Große Schäden befürchtet
In einer Stellungnahme gibt Verlegerin Barbara Budrich zu bedenken, dass die Verlage bei Abschaffung des bestehenden und funktionierenden Lizenzvorrangs enormen Schaden nehmen würden. „Für meinen Verlag heißt dies konkret, dass nicht nur die bestehenden Angebote weniger genutzt werden. Es bedeutet auch, dass wir weniger gedruckte Bücher und Zeitschriften verkaufen werden. Und es bedeutet, dass es für unsere beträchtlichen privatwirtschaftlichen Investitionen keine Sicherheit bei den Rahmenbedingungen gibt“. Auch hieße das, die Verlage müssen auf ein Subventionsgeschäft umbauen. Die Bücher können somit nicht mehr im gleichen Umfang Erlöse erzielen.
Alexander Skipis, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins, gab in einer Pressemitteilung bekannt: „Wenn das Gesetz wie geplant verabschiedet wird, erhalten Verlage und Autoren keine nennenswerten Erlöse mehr für die Nutzung ihrer Werke in Forschung, Unterricht und Lehre. Das wäre ein kapitaler Fehler: Unsere Wissensgesellschaft braucht keine Lehrbücher zum Nulltarif, sondern einen freien Markt für hochwertige Medien. Nur Lizenzeinnahmen gewährleisten eine faire, angemessene Vergütung für Autoren und Verlage. Und damit private Investitionen in ein breitgefächertes und hochwertiges Angebot an wissenschaftlicher Literatur.“
Kein Geld mehr für neue Werke?
Durch das Gesetz werde die Qualität von Bildung und damit die Basis des Bildungs- und Wissenschaftsstandorts Deutschland Schaden nehmen, so Skipis. „Verlagen werden die Mittel fehlen, in neue Publikationen und attraktive Modelle für die Zugänglichmachung von Werken zu investieren. Autoren haben keinen Anreiz mehr, ihr Wissen für den Nachwuchs aufzubereiten und Lehrbücher zu verfassen. Man zerstöre damit gut funktionierende, privatwirtschaftlich finanzierte Publikationsstrukturen. Am Ende müsste der Staat die Veröffentlichung wissenschaftlicher Werke organisieren und mit Steuergeldern bezahlen. Das kann niemand wollen.“
Das Kernproblem des Gesetzentwurfs bestünde aus Sicht der Verlage in dem Wegfall der Lizenzierungsmöglichkeit. Dafür, dass Schüler, Studierende, Lehrende und Forschende große Teile von Lehrbüchern oder ganze Zeitschriftenartikel kostenlos vervielfältigen, herunterladen und ausdrucken können, sollen Bibliotheken und Bildungseinrichtungen keine Lizenzverträge mehr mit Verlagen abschließen müssen. Stattdessen würden Verlage und Autoren nur noch eine minimale Pauschalvergütung erhalten.
UrhWissG bleibt problematisch
Für dieses Problem hätte der Börsenverein eine praktikable Lösung im Angebot. „Verlage unterbreiten Bibliotheken und Universitäten Lizenzangebote für die Nutzung ihrer Werke. Für einen bestimmten Preis pro Seite und Nutzer können Bildungseinrichtungen und Bibliotheken dann Auszüge aus Lehrbüchern, Zeitschriften und anderen Medien digital beziehen und Studierenden, Lehrenden und Forschenden zur Verfügung stellen.“
Das Justizministerium hingegen glaubt nicht, dass durch das Gesetz die Existenz der Wissenschaftsverlage bedroht wäre. Sie sind davon überzeugt, eine einfache und rechtssichere Regelung werde vielmehr die Einnahmen, die über die VG Wort verteilt werden, deutlich erhöhen. Doch selbst wenn damit ein Rückgang verkaufter Bücher und Lizenzen kompensiert werden könnte. Die Verlage werden sich deswegen wohl kaum beruhigen. Denn nach aktueller BGH-Rechtsprechung stehen die VG-Wort-Einnahmen ausschließlich den AutorInnen der Bücher zu. Diesen steht es jedoch frei, etwas an ihre Verlage abzugeben.
Verabschiedung des UrhWissG noch in dieser Legislaturperiode?
Das Gesetz soll von der Bundesregierung noch in dieser Wahlperiode beschlossen werden. Im März 2018 soll das Gesetz dann in Kraft treten. Nächster wichtiger Termin ist die öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz am 29.05.2017.
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