Tutanota
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Tutanota muss Polizei E-Mails unverschlüsselt übermitteln

Überwachung in Echtzeit: Laut einem Urteil vom AG Itzehoe muss der E-Mail-Anbieter Tutanota künftigig eine Backdoor für Behörden einrichten.

Laut einem Urteil des Amtsgerichts Itzehoe muss der E-Mail-Anbieter Tutanota Ermittlern künftig die Möglichkeit einräumen, nach Eingang der Gerichtsanordnung unverschlüsselt auf die E-Mails von Verdächtigen zuzugreifen. Das Hannover Unternehmen war einer erstmaligen Aufforderung vom Oktober 2018 nicht nachgekommen.

Tutanota soll Behörden Überwachung in Echtzeit ermöglichen

Nach Informationen von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung forderte das Amtsgericht Itzehoe in Schleswig-Holstein Tutanota auf, die E-Mails von Verdächtigen der Polizei unverschlüsselt und in Echtzeit zur Verfügung zu stellen. Tutanota wurde dazu verurteilt, gerichtlichen Anordnungen künftig Folge zu leisten. Das Amtsgericht verweist in seinem Urteil auf Tutanotas Verpflichtung der Preisgabe von Daten zu Ermittlungszwecken gemäß Strafprozessordnung (StPO) § 100a und dem Telekommunikationsgesetz (TKG) § 11. Außerdem wurde ein Bußgeld in Höhe von von 1.000 Euro verhängt. Die Geschäftsführung des E-Mail-Providers aus Hannover gab bekannt, man werde sich gegen diese Anordnung nicht weiter juristisch zur Wehr setzen.

Zu dem Verfahren kam es, nachdem Cyberkriminelle letztes Jahr mehrere in Schleswig-Holstein ansässige Betriebe mit ihrer Schadsoftware bedroht und über Tutanota mit den Unternehmen kommuniziert hatten. Die Polizei forderte den vollen Zugriff auf die E-Mails, um ihre Ermittlungen durchführen zu können. Alle Daten der Kunden liegen aber bei Tutanota per Voreinstellung verschlüsselt vor. Das betrifft auch den Kalender, die Notizen oder den Cloud-Speicher der Nutzer. Alle E-Mails von einem Tutanota-Kunden zum anderen werden, ähnlich wie bei Protonmail, ebenfalls automatisch verschlüsselt.

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Behörden verlangen eigene Backdoor

Der deutsche Anbieter wirbt damit, der „weltweit sicherste E-Mail-Service“ zu sein. Sechs Millionen Kunden nutzen den Dienst mittlerweile, viele davon haben ein kostenloses Konto. Tutanota muss jetzt um weitere Bußgelder zu vermeiden, eine Art behördliche Backdoor einrichten, damit nach Eingang des gerichtlichen Schreibens die Polizei sofort Zugriff auf die E-Mails der Verdächtigen erhalten kann. Der Geschäftsführer Matthias Pfau sagte der Süddeutschen Zeitung, er würde sich stattdessen lieber auf ganz andere Dinge konzentrieren, als den Behörden erweiterte Zugriffsrechte zu ermöglichen.

E-Mail-Anbieter aus der EU in bestimmten Kreisen nicht sonderlich beliebt

E-Mail-Anbieter: die Qual der Wahl.

Für Cyberkriminelle kommt diese Nachricht nicht von ungefähr. Der Berliner Wettbewerber Posteo räumt jedes Jahr in seinem Transparenzbericht freiwillig die Anzahl der behördlichen Anfragen ein. Auch Posteo hatte seit Jahren erfolglos versucht, sich gegen die Herausgabe der Daten vor Gericht zur Wehr zu setzen. Der Mathematiker Jochim Selzer sagte uns damals im Interview, dass er noch manche Punkte bei Tutanota für durchaus verbesserungswürdig hält. Andere Aspekte würden ihm aber recht gut gefallen.

Wer das deutsche Gesetz brechen will, nutzt sowieso in den seltensten Fällen einen Anbieter innerhalb Europas. Im digitalen Untergrund sind seit langem die E-Mail-Dienste von Offshore-Firmen oder russische E-Mail-Provider hoch im Kurs. Wo keine EU-Gesetzgebung greift, kann man auch keinen Betreiber gerichtlich zur Preisgabe von Kunden-Daten zwingen.

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Tarnkappe.info

Lars Sobiraj

Über

Lars Sobiraj fing im Jahr 2000 an, als Quereinsteiger für verschiedene Computerzeitschriften tätig zu sein. 2006 kamen neben gulli.com noch zahlreiche andere Online-Magazine dazu. Er ist der Gründer von Tarnkappe.info. Außerdem brachte Ghandy, wie er sich in der Szene nennt, seit 2014 an verschiedenen Hochschulen und Fortbildungseinrichtungen den Teilnehmern bei, wie das Internet funktioniert.