The Eye, Filesharing
The Eye, Filesharing

The Eye: Download-Seite oder ein Museum für digitale Geschichte?

Die Macher von The Eye sind der Meinung, dass die meisten Filesharing-Seiten im Web nichts als Mist sind. Ein Himmel auf Erden für Retro-Fans.

Die Macher von The Eye sind der Meinung, dass die meisten Filesharing-Seiten im Web nichts als großer Mist sind. Die Abzocke bei vielen Portalen und die Limits der Sharehoster finden sie abstoßend. Ihre Datenbank hält für Retro-Fans einen regelrechten Himmel auf Erden bereit. Doch das ist bei weitem nicht alles, was man dort entdecken kann. Was ist The Eye eigentlich? Noch eine weitere Anlaufstelle im Graubereich, oder vielmehr so etwas wie ein Museum für digitale Geschichte? Eher Letzteres. Wer sich die vielen Dateien für den Amiga, Atari, C64 und unzählige klassische Spielkonsolen anschaut, könnte auf die Idee kommen, jemand Älteres möchte gerne die Zeit anhalten, um das zu konservieren, was früher einmal so richtig gut war.

The Eye ist eine der größten kostenlosen Download-Seiten im Netz

Den Betreibern von The Eye geht es um die Umgehung von falschen Download-Buttons, oder allgemeiner gesagt, aller möglichen Abzocke, die praktisch überall im digitalen Untergrund präsent ist. Ziel der Aktion beim Aufbau war es, es den Nutzern so einfach wie möglich zu machen. Momentan werden dort Archive im Gesamtumfang von 22 Terabytes (TB) angeboten. Die Kosten von rund 400 US-Dollar monatlich werden im Großen und Ganzen durch Spenden getragen. Laut einer Ankündigung aus März 2018 wurde der Webserver monatlich 150 Millionen Mal angefragt, um im gleichen Zeitraum nicht weniger als 500 TB an Daten an die Besucher der Webseite zu übertragen.

Trotz der juristischen Winkelzüge von Nintendo gegen zahlreiche illegale Anbieter von Spielen, die derzeit gar nicht neu gekauft werden können, positioniert sich dieser Anbieter entgegen des Trends vieler Seiten, den Betrieb einzustellen oder alternativ neue Anlaufstellen zu errichten. The Eye bleibt bestehen und baut den Bereich „/public/rom/“ sogar aus, statt die N64, DS oder NES-Spiele von Nintendo zu löschen.

Um es ganz klar zu sagen: the-eye.eu ist eine regelrechte Fundgrube für Retro-Fans. Dort findet man unzählige Dateien für den Amiga, Atari, C64, NES, Gameboy und viele andere Retro-Computer und klassische Spielkonsolen. Wir wollten von den beiden Hintermännern wissen: Was ist The Eye eigentlich? Eine der vielen Warez-Seiten im Netz? Oder eine Art Museum, die unsere digitale Vergangenheit festhalten soll?

Absolute Fundgrube für Retro-Fans

Tarnkappe.info: Hallo Nem3sis, was war deine Motivation, dieses Projekt in die Realität umzusetzen? Wann ging es damit los?

The Eye: Unsere größte Motivation besteht darin, den Besuchern einen einfachen, freien und offenen Zugang zu jeglichen Informationen, Wissen und der Geschichte zu gewährleisten. Insgesamt machen wir das seit 15 Jahren, aber The Eye ist erst seit ungefähr 18 Monaten online.

Tarnkappe.info: Warum habt ihr euch eigentlich für ägyptische Motive entschieden?

The Eye: Wir haben uns für unsere Seite the-eye.eu für ägyptische Symbole entschieden, weil sie alte und zugleich historische Dinge repräsentieren. Die ägyptischen Grafiken sehen sehr cool aus und passen gut zu dem Leitmotiv dieses Projekts. Wir haben schon mehrere Leitmotive (Themes) durchprobiert und hören bei Veränderungen auf die Meinung unserer Nutzer. Wenn ein Theme gut angenommen wird, behalten wir es für eine Weile bei. Grundsätzlich kann man alle drei bis fünf Monate von Veränderungen ausgehen. Sie sind entweder sehr subtil und somit kaum sichtbar, oder aber dabei wird das Aussehen komplett ausgetauscht.

 

the eye statistics

Tarnkappe.info: Eigentlich wollte ich die Grafiken von eurer Seite nutzen. Ich fand dann allerdings heraus, dass sie früher einmal vom kommerziellen Bilderdienst shutterstock benutzt wurden. ;-)

Aus Chaos Ordnung machen

Aber zurück zum Thema. Euer Motiv, das Auge, scheint um sich herum alles wahrzunehmen – alles zu sehen. Gibt Euer Projekt für die User tatsächlich so viel her, wie ein omnipräsentes Auge? Welcher tiefere Sinn steckt hinter dem Namen?

Nem3sis: Nach unserer Meinung ist The Eye ein Symbol, das die Fähigkeit repräsentiert, Aufmerksamkeit zu erzeugen. So kann jeder letztlich aus Chaos Ordnung entstehen lassen, sei es für eine ganze Gesellschaft oder für sein individuelles Leben und das Handeln. The Eye kann auch als allsehendes Auge interpretiert werden, von dem gesagt wird, dass es das Auge eines Heiligen oder von Gott ist. Es sieht alles. Nichts kann sich vor ihm verbergen.

The Eye: das Kernteam besteht aus zwei Personen

Tarnkappe.info: Ich hoffe inständig, die Polizei oder das FBI wird nie so ein Auge besitzen. ;-) Wie viele Personen sind denn an diesem Projekt beteiligt? Was sind ihre Aufgaben?

the eye logo discordThe Eye: Das Projekt wird von zwei Personen geleitet. Während ich, (Nem3sis), am Front-End und der Entwicklung der Features der Seite arbeite, kümmert sich Archivist um die Beschaffung der Inhalte. Daneben wickelt er den täglichen Betrieb des Servers ab.

Wir haben ein paar andere Mitarbeiter (freiwillige Helfer), die sich in unserem Discord-Kanal austauschen und uns mit allem möglichen Dingen unterstützen. Das geht von der Beschaffung von Inhalten (Warez etc.), bis zur Besorgung größerer Datensätze auf ganz andere Weise.

Wir bieten größere Datensätze über rclone an. Das Ganze muss aber noch ordentlich bei uns auf der Seite dokumentiert werden.

Tarnkappe.info: Du bist ganz offensichtlich „etwas“ älter, weil ihr sehr viele klassische E-Books und uralte Roms von Spielkonsolen der Vergangenheit anbietet. Außerdem gibt es bei euch nur wenig Musik. Pornos sind schwer auffindbar. Wie kam es dazu? Welche Warez sind bei euch nicht willkommen? Und wenn das so ist, warum?

The Eye: Unsere Roms machen nur bis zu 3.1 TB der 22 TB aus, die wir derzeit anbieten. Doch aufgrund des momentanen Klimawechsels in der Szene im Bereich Emulationen bzw. Roms, nehmen wir verstärkt „Flüchtlinge“ von Webseiten wie EmuParadise auf.

Wir bieten keine lizenzfreie Musik an. Die Pornos beschränken sich auf die Werke, die von Reddit-Nutzern eingereicht wurden. Musik und Pornos waren nie als ein großer Bestandteil von dem geplant, was wir auf The Eye anbieten wollten. 

So simpel wie möglich! Wir wollen keine Abzocke oder anderen Mist!

SpiegelbestTarnkappe.info: Wie kam es eigentlich dazu, dass ihr direkte Downloads anbietet, statt wie üblich, einen für die Szene typischen One-Click-Hoster zu verlinken?

The Eye: Die (meisten) Filesharing-Portale sind einfach scheiße. Wir waren seit Jahren Konsumenten der von uns bevorzugten Inhalte und finden es sehr nervig, wie man seinen Weg (von den Download-Portalen) durch die Sharehoster suchen muss. Dazu kommen die üblichen Transfer-Begrenzungen oder Sachen wie nachgemachte Download-Buttons (für hochpreisige „Angebote“) etc. pp. 

Wir möchten die Dinge so einfach wie möglich für den Endnutzer gestalten. Mit unserer Verzeichnis-Struktur kann man die Downloads mit nur einem Klick durchführen. Und es gibt bei uns keinen Mist, wie gefakte Bedienelemente, die man bis zum tatsächlichen Download umschiffen muss.

Tarnkappe.info: Könnt ihr eure Kosten von 400 US-Dollar (für vier Wochen) für den Transfer von 500 TB monatlich überhaupt bezahlen?

The Eye: Wir mussten von Zeit zu Zeit die Server-Rechnungen selbst bezahlen, aber die Spenden halten uns größtenteils über Wasser. Wir haben halt unsere guten und unsere schlechten Monate.


Foren? Ich war seit 8 Jahren in keinem Forum!

Tarnkappe.info: Warum gibt es bei Euch einen Discord Chat-Kanal statt eines Forums (Boards) für die Nutzer?

Nem3sis: Foren? Ich habe in den letzten acht Jahren oder so kein Forum mehr benutzt. Discord scheint für uns die beste Plattform zu sein. Es beinhaltet eine gute Balance von Features und hat für uns bisher einfach gut funktioniert. Wir würden etwas mit demselben Feature-Set lieben, das dezentral aufgebaut ist. Bisher haben wir leider nichts Vergleichbares auf dezentraler Basis gefunden.

The Eye
Foto von Linnea Sandbakk, thx! (CC0 1.0)

Tarnkappe.info: Was hat es eigentlich mit den „JFK Dateien“ auf sich?

The Eye: Es geht dabei um Wissen, Geschichte und Popularität. Wir waren die Ersten wenn es darum geht, dieses Material offen für diese Reddit-Community zu hosten. Dort ist man tief in die Materie eingedrungen, um interessante Enthüllungen rund um den ermordeten Präsidenten John F. Kennedy (JFK) auszugraben.

Hin und wieder DMCA-Löschaufforderungen

Tarnkappe.info: Wie sieht es aus: Bekommt ihr häufig Löschaufforderungen (Take-down-Notices) laut dem DMCA? Was passiert dann?

The Eye: Ich würde nicht oft sagen, angesichts unseres (großen) Daten-Aufkommens, aber wir bekommen hin und wieder mal den einen oder anderen DMCA rein. Wir erfüllen alle Löschaufforderungen und kooperieren mit den Rechteinhabern.

 

„Das TOR-Netzwerk ist nicht fürs Filesharing ausgelegt.“

 

Tarnkappe.info: Warum habt ihr euch für das Clearnet statt für das Deep Web entschieden? Wäre es nicht viel sicherer im Deep Web?

The Eye will nicht ins Darknet abwandern

The Eye: Aufgrund des einfachen Zugriffs im Clearnet, haben wir das Hosten im TOR-Netzwerk nie in Betracht gezogen. Ich denke, unser Datenaufkommen würde um 90% sinken, wenn wir diesen Weg gehen würden. Das TOR-Netzwerk ist auch gar nicht für das Teilen von Dateien ausgelegt, da ein derart großes Datenaufkommen für alle anderen Teilnehmer das Netzwerk verlangsamen würde.

Tarnkappe.info: Hey, danke für die ganzen Antworten! Wer will, kann das Projekt unter der URL the-eye.eu besuchen. Und bitte an die Wahrung der Urheberrechte im jeweiligen Land denken. Das gilt leider auch für die Spiele, die es im Handel schon seit Jahren nicht mehr zu kaufen gibt.

Übrigens: Es existiert auch eine englischsprachige Version des Interviews.

Beitragsbild von Color Crescent, thx! (CC0 1.0 PD)

Tarnkappe.info

Lars Sobiraj

Über

Lars Sobiraj fing im Jahr 2000 an, als Quereinsteiger für verschiedene Computerzeitschriften tätig zu sein. 2006 kamen neben gulli.com noch zahlreiche andere Online-Magazine dazu. Er ist der Gründer von Tarnkappe.info. Außerdem brachte Ghandy, wie er sich in der Szene nennt, seit 2014 an verschiedenen Hochschulen und Fortbildungseinrichtungen den Teilnehmern bei, wie das Internet funktioniert.