Houellebecq
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Rezension des Buches Unterwerfung von Michel Houellebecq

Michel Houellebecq lässt in Unterwerfung politische Entwicklungen anhand einer Lebens-Schilderung eines Literatur-Professors Revue passieren.

Die Handlung der im Jahr 2015 erschienenen fiktiven Dystopie spielt in einem künftigen Frankreich des Jahres 2022. Der Autor Michel Houellebecq lässt dabei politische Entwicklungen Revue passieren anhand einer Lebens-Schilderung des Literaturwissenschaftlers François. Diese gipfeln in einem Wahlsieg einer islamischen Partei und der Machtübernahme eines muslimischen Präsidenten. Sie schaffen insbesondere eine Verbindung religiöser Glaubensfragen mit der Politik und weisen auf die sich daraus zwangsläufig erwachsenden Veränderungen hin.

Michel Houellebecq: Faible für Huysmans prägt François

Der 43-jährige, introvertierte Ich-Erzähler François, hat schon frühzeitig eine Passion für den Schriftsteller Joris-Karl Huysmans, einen Vertreter der französischen Literatur des 19. Jahrhunderts, entwickelt. So erforscht er dessen Leben und Werke und der Schriftsteller begleitet ihn auf diese Weise. Er nimmt durch seine Texte Einfluss auf eigene Entscheidungen, ist die meiste Zeit allgegenwärtig und wird von François sowohl interpretiert, publiziert, als auch verstanden. François kann sich gut mit ihm identifizieren. Schließlich wird Huysmans zum Gegenstand seiner wissenschaftlichen Dissertation.

Trennung von Freundin Myriam verstärkt innere Leere

François lehrt als Universitätsprofessor an einer Pariser Universität, der Sorbonne. Wegen der anstehenden politischen Veränderungen verlässt Myriam, eine Jüdin und seine langjährige Freundin, mit ihren Eltern Frankreich in Richtung Israel, und leitet bereits mit diesem Schritt ihre endgültige Trennung ein. Seine daraufhin verstärkt wahrgenommene und stets vorhandene innere Leere versucht François durch Sex mit immer jünger werdenden Studentinnen zu vertreiben. Jedoch sind das alles nur erfolglose Versuche, die ihm auf Dauer kein Glück oder gar eine sinnerfüllte Perspektive bieten können.

Wahlsieg Mohamed Ben Abbes leitet Islamisierung Frankreichs ein

Im Mai steht die Wahl des französischen Präsidenten bevor. Was zunächst schleichend beginnt, setzt sich im weiteren Verlauf der Handlung immer drastischer fort und endet schließlich in einer politischen und sozialen Islamisierung

Michel Houellebecq
Houellebecq – Thierry Ehrmann (CC BY 2.0)

Frankreichs. Ein Land, das offiziell als laizistischer Staat galt, das bislang keinerlei religiöse Einmischungen in staatliche Angelegenheiten duldete. Den Weg dafür ebnete der Wahlsieg des muslimischen Politikers Mohamed Ben Abbes. Mit ihm gingen die sozialistische Partei (PS) und die Konservativen ein Bündnis ein, um einen Erfolg des rechten Front National (FN) unter Marine Le Pen zu verhindern. Als Staatspräsident ändert Ben Abbes in Folge die laizistische Verfassung. Des Weiteren führte er die Theokratie, die Scharia, das Patriarchat und die Polygamie ein. In Paris und anderen Städten kommt es während der Wahl zu lebensbedrohlichen Ausschreitungen, die zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen führen.

Das erfährt auch François, der am Wahltag Paris ohne ein bestimmtes Ziel verlässt und schließlich Martel erreicht. Unterwegs findet er Tankstellen oder Gasthöfe entweder geschlossen oder ausgeraubt vor. Aus Wahllokalen wurden Urnen gestohlen, die Wahl muss daraufhin wiederholt werden. Danach kehrt allmählich die Normalität zurück. Mit einem Besuch der Schwarzen Madonna von Rocamadour begibt sich François darauffolgend für sechs Wochen auf Huysmans Spuren. Zurückgekehrt in Paris, stellt er zunächst oberflächlich erste Veränderungen fest, nämlich, dass Frauen weder kurze Röcke noch tiefe Ausschnitte mehr tragen.

François nimmt politische und gesellschaftliche Umgestaltungen wahr

Während François Abwesenheit kommt es allerdings zu weitaus größeren politischen und gesellschaftlichen Umgestaltungen, die alle Bereiche betreffen und zudem die Lebensgewohnheiten aller erheblich verändern sollen. Auch François selbst ist davon betroffen, denn seine Arbeitsstätte, die Sorbonne, wird künftig zur islamischen Universität. Konkret heißt das für ihn, dass er in seiner Fakultät nicht mehr erwünscht ist, falls er nicht zum Islam konvertiert. Da er währenddessen nicht erreichbar war, wurde er kurzerhand pensioniert. Man zahlt ihm zwar ein monatliches Gehalt in Höhe seines Verdienstes bis zum Eintritt seines regulären Rentenalters, jedoch nimmt dafür sein ohnehin vorhandenes Gefühl der inneren Leere noch mehr zu und er fühlt sich zunehmend isoliert.

François konvertiert zum Islam

Zugleich orientiert sich François am Beispiel seines Kollegen Rediger, der bereits zum Islam übergetreten ist. Dessen Hochschulstelle ist gesichert, zudem hat er sich mit einer Fünfzehnjährigen vermählt. Somit entscheidet sich François letztlich dafür, zum Islam zu konvertieren. Die Vorteile überwiegen: Sein Gehalt verdreifacht sich und er dürfte zugleich drei Frauen ehelichen. Indem er konvertiert, unterwirft sich François den Gegebenheiten, die die Islamisierung mit sich brachten. Durch diesen radikalen Schritt sieht er für sich persönliche die letzte Möglichkeit für ein glückliches, ausgefülltes Leben, wie er es vorher nie kennengelernt hat.

Michel Houellebecq übt in „Unterwerfung“ Gesellschaftskritik

Islam
Foto David Monje, thx! Unsplash Lizenz.

Michel Houellebecq rechnet in seinem Roman Unterwerfung mit der Elite Frankreichs ab und übt zugleich Kritik an den gesellschaftlichen Verhältnissen. Die Antwort darauf, wie eine Machtübernahme des Islam erfolgen konnte, findet man in einer von Houellebecq treffend beschriebenen, sich quasi selbst zerstörenden Generation. Diese huldigt egoistisch und machtstrebend dem Kapital, während der einzelne Mensch dabei vereinsamt, wie man an François sieht. Das Ironische daran ist, dass François im Islam bessere Chancen für sich selbst erkennt und letztlich dazu konvertiert. Michel Houellebecq macht zugleich auf eine immer größer werdende Distanz zwischen der Bevölkerung und den Politikern aufmerksam, die nicht wirklich deren Interessen vertreten. Eben diese Distanz überbrückt im Roman die muslimische Partei. Diese setzt auf all die Dinge, die abhanden gekommen zu sein scheinen, wie Familie und gesellschaftlicher Zusammenhalt. Das Taschenbuch gibt es im Handel ab 10,99 Euro. Für dem DRM-verseuchten E-Book-Reader Kindle für 9,99 € .

Weitere Rezensionen von Büchern wie das von Marc Elsberg, diversen Filmen und TV-Serien sind übrigens hier verfügbar.

Foto Unterwerfung – Rezension von Michel Houellebecqs Buch. Quelle: Rudolf Langer, thx!

Tarnkappe.info

Über

Antonia ist bereits seit Januar 2016 Autorin bei der Tarnkappe. Eingestiegen ist sie zunächst mit Buch-Rezensionen. Inzwischen schreibt sie bevorzugt über juristische Themen, wie P2P-Fälle, sie greift aber auch andere Netzthemen, wie Cybercrime, auf. Ihre Interessen beziehen sich hauptsächlich auf Literatur.