cyberbunker 2.0 identitäre bewegung
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Cyberbunker-Prozess strebt nach knapp einem Jahr auf Abschluss zu

Alle Beteiligten des Cyberbunker-Prozesses, darunter 8 Angeklagte und 16 Verteidiger, erwarten laut Medienberichten ein baldiges Prozessende.

Eines der größten Cybercrime-Verfahren, das es in Deutschland bislang gab, nähert sich nach dutzenden Prozesstagen nunmehr seinem Ende. Die Beteiligten sahen sich während des Cyberbunker-Prozesses mit tausenden Seiten an Akten, 100 Zeugen und Zigtausenden Straftaten konfrontiert, meldet die dpa. Michael Eichin, der Verteidiger des hauptangeklagten Niederländers, setzte alle davon in Kenntnis, dass die Kammer „ihr Programm gegen Ende September abschließen“ wolle. Folgen würden dann noch Beweisanträge von der Verteidigung sowie die Plädoyers. Somit wäre der Prozess bis Ende 2021 terminiert.

Als weltweiten Schlag gegen Cyberkriminelle verbuchte das Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz Ende September 2019 ihren Ermittlungserfolg im Cyberbunker-Fall. Nach ca. fünf Jahren der Nachforschungen in Zusammenarbeit des LKA mit Beamten aus Hessen, Bayern und den Niederlanden hat die Polizei schließlich das in Rheinland-Pfalz ansässige Rechenzentrum namens Cyberbunker vom Netz genommen. Zudem nahm man damals sieben Tatverdächtige in Gewahrsam. Kriminalhauptkommissar Patrick Fata vom Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz informierte darüber, dass man beim Zugriff die ungeheuere Datenmenge von zwei Millionen Gigabyte unter anderem auf 886 physischen und virtuellen Servern sichergestellt hat.

Hauptverdächtiger vom Cyberbunker gibt sich ahnungslos

Am 07. April 2020 erhob die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz Anklage gegen acht Tatverdächtige. Als Hauptakteure im Cyberbunker-Fall gelten die beiden Niederländer, Sven Olaf Kamphuis und Herman Johan Xennt. Er hat den Cyberbunker Ende 2013 von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) über eine Stiftung erworben, gleich nach dem Abzug des Militärs. Infolge traf er auch alle geschäftlichen Entscheidungen. Jedoch gab er an, nichts von den Server-Inhalten gewusst zu haben.

Vor dem Landgericht (LG) Trier steht nun seit dem Oktober 2020 die Gerichtsverhandlung in Sachen Cyberbunker an. Die acht Angeklagten werden beschuldigt, in einem Cyberbunker ein illegales Rechenzentrum als Schaltstelle für millionenschwere illegale Darknet-Geschäfte betrieben zu haben. Sie sollen damit Beihilfe zu mehr als 249.000 Straftaten geleistet haben. Zudem hätten sie eine kriminelle Vereinigung gegründet.

Cyberbunker

Cyberbunker gilt als Cybercrime-Schaltstelle

Jürgen Brauer, Leiter der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz, gab damals an, über die 400 Server sollen über eine halbe Million Fälle von Drogenhandel, Datenhehlerei in gut 500 Fällen, Falschgeld-Deals, Verbreitung von Kinderpornos sowie Computersabotage in mehr als einer Million Fälle, Mordaufträge und Cyberangriffe gelaufen sein.

Zwar hätten die Angeschuldigten die Taten nicht selbst begangen. Sie hätten diese jedoch durch die Server-Bereitstellung maßgeblich unterstützt und gefördert. Zudem wären ihnen die besonderen Aktivitäten bekannt gewesen. Immerhin warb der Cyberbunker damit, mit höchsten Sicherheitsstandards kriminelle Kunden vor dem Zugriff staatlicher Organe zu bewahren. Somit lautet die Anklage auf Beihilfe. Allerdings stellt sich die Frage, ob den Angeklagten hier konkret nachgewiesen werden kann, inwiefern sie volle Kenntnis über die illegalen Machenschaften ihrer Kunden besaßen und diese dabei unterstützt haben.

Ist der Beihilfe-Vorwurf tragfähig?

Anwalt Eichin schätzt ein, dass „das mit der Beihilfe wohl nichts wird. Aber was natürlich weiter im Raume steht, ist die Bildung einer kriminellen Vereinigung“. Aber auch das halte er für ungerechtfertigt. Ebenso skeptisch äußert sich Anwalt Sven Collet, Verteidiger der Calibour GmbH. Er meint, das sei schwierig und vergleicht dabei das Rechenzentrum mit einem Bankschließfach. „Die Beihilfe müsste man ja für jeden einzelnen Fall hinbekommen. Und solange wir nicht selber aufschließen und da reingucken können, wissen wir doch nicht, was die Leute da reintun.“ Der Vorwurf der kriminellen Vereinigung treffe ebenso „nicht für alle“ zu. Collets Einschätzung nach könnte das Verfahren bereits Mitte November beendet sein.

Der Vorsitzende Richter Günther Köhler führte auf die Frage nach dem Verfahrensstand aus, dass die Beweisaufnahme noch laufe. Die lange Prozessdauer der Causa Cyberbunker sei „dem Umfang des Prozessstoffes geschuldet“. Die Beweisaufnahme werde am heutigen Montag und Dienstag (27./28.09.) fortgesetzt. „Der weitere Verlauf und die Dauer des Verfahrens hängt insbesondere auch vom Verteidigungsverhalten der Angeklagten ab“, so Köhler.

Anwalt Eichin macht auf Ermittlungsdefizite aufmerksam

Als Kritik wies Eichin auf „gravierende Ermittlungsdefizite“ im Laufe des Verfahrens hin. So hätte man bei der Serverauswertung behauptet, „es wäre nichts Legales auf diesen Servern gewesen. Und dann stellt sich heraus, man hat nur fünf Prozent ausgewertet“. Als „absurd“ bezeichnet er deshalb die Behauptung, dass sein Mandant davon Kenntnis gehabt haben soll. Zudem habe die Staatsanwaltschaft „wirklich sehr, sehr einseitig“ ermittelt. „Man guckt wirklich nur: Was ist belastend? Das Entlastende wird völlig ausgeblendet.“ Natürlich wollen sie alle einen Abschluss herbeiführen. „Aber man muss sich vorstellen: Die Menschen sitzen jetzt schon teilweise seit zwei Jahren in Untersuchungshaft.“

Cyberbunker, Verantwortungsdiffusion
Screenshot von https://cyberbunker.com/web/index.php

Geht Fall zum BGH?

Letztlich wies Eichin darauf hin, dass man über den Cyberbunker-Prozess sicher nicht in Trier entscheide. „Egal, wie er ausgeht, geht er sicherlich zum Bundesgerichtshof.“ Auszuschließen wäre auch eine Verfassungsbeschwerde nicht. „Das wird alles Zeit in Anspruch nehmen. Und dann werden wir vielleicht in vier bis fünf Jahren wissen, wie es wirklich war. Nur dann wird sich keiner mehr daran erinnern.“

Tarnkappe.info

Über

Antonia ist bereits seit Januar 2016 Autorin bei der Tarnkappe. Eingestiegen ist sie zunächst mit Buch-Rezensionen. Inzwischen schreibt sie bevorzugt über juristische Themen, wie P2P-Fälle, sie greift aber auch andere Netzthemen, wie Cybercrime, auf. Ihre Interessen beziehen sich hauptsächlich auf Literatur.