Seit vergangenen Freitag ist in Deutschland auch die Demoszene ein anerkanntes immatrielles Kulturerbe. Damit zieht man mit Finnland gleich.
Letzten Freitag erfolgten laut der Kultusminister Konferenz gleich 20 Neueinträge ins „Bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes“. Neben Gebärdensprache und dem Anbau von Streuobst gehört in Deutschland nun auch die Demoszene zum förderungswürdigen immateriellen Kulturerbe der UNESCO.
Demoszene ist jetzt auch in Deutschland ein anerkanntes Kulturerbe!
Damit zieht man mit Finnland gleich, dort erfolgte die Anerkennung schon vor mehreren Monaten.
Initiator war der Kölner Medienwissenschaftler Tobias Kopka, der früher in der Demoszene als Melkor der Gruppe Haujobb bekannt war. Kopka organisiert seit Jahren die Evoke Demoparty in Köln. Beruflich ist er derzeit bei reboot develop und curatomic tätig. Co-Initiator war Andreas Lange, der das Computerspielemuseum in Berlin gegründet hat.
Wir hatten ihn schon im Vorfeld befragt, was eine solche Eintragung denn konkret für die Demoszene und ihre Mitglieder bringen wird. Alleine aufgrund der Ernennung bekomme niemand automatisch irgendwelche Gelder, so Kopka. Aber mit Hilfe des Preises als europäisches Kulturerbe wäre es in Zukunft einfacher, Fördermittel für verschiedene Projekte zu beantragen. Kopka schrieb uns:
„Kurz gesagt: Es geht um Sichtbarkeit. Nachkommenschaft. Das würde Input aus allen Bereichen bringen, nicht nur aus denen, in denen wir traditionell groß geworden sind. Und das bedeutet noch mehr Kreativität.
Auch Demoszenen-Plattformen (Websites, um nur ein Beispiel zu nennen) von Förderinstitutionen wären möglich, und diese könnten leichter akquiriert werden. Das alles aber nur, wenn man es will und wenn man jemanden dahinter hat. Denn von alleine passiert nichts, so wie vor der Anerkennung, außer dass Museen oder andere Ausstellungen mit einem Fokus auf die Szene in Zukunft leichter zu organisieren sein werden.“
Türöffner für die Anerkennung weiterer digitaler Aktivitäten
Die Demoszene könnte somit auch bei der UNESCO zum Türöffner für andere digitale Kulturen werden. So beispielsweise für Schöpfer von Open-Source-Projekten. Der Browser Firefox ist Open Source. Oder der VideoLan, um nur ein Beispiel zu nennen.
Denkbar wären theoretisch auch Netlabels oder digitale Projekte wie Open Street Map, wo die ganze Welt kartiert wird. Und das geht auch ohne die Datenkrake Google. Viele derartige Projekte sind für die Allgemeinheit sehr nützlich. Sie besitzen keinen kommerziellen Charakter und wären es auch wert, anerkannt bzw. finanziell gefördert zu werden.
Viele neue Optionen, um sich Unterstützung zu holen
Wer nur genug Initiative zeigt und Ideen hat, könnte weitere Töpfe anzapfen. Wie wäre es mit staatlich bezahlten Kursen, in denen man den Teilnehmern das Coden, Pixeln, Rendern oder den Umgang mit einem Musik-Tracker beibringt? Gerade was den Nachwuchs betrifft, sieht es bei der Demoszene eher mau aus. Die Möglichkeiten wären vielfältig, wenn man seiner Fantasie freien Lauf lässt.
Demo-Partys, wenn sie nach Corona wieder stattfinden, könnten zumindest zu einem nicht unerheblichen Teil mit öffentlichen Geldern finanziert werden. Für die Veranstalter würde ein großer Teil des finanziellen Risikos entfallen.
Doch wie Tobias Kopka schon sagte, von alleine wird auch mit einer Anerkennung rein gar nichts passieren.
Intros und Demos als Gegenstand wissenschaftlicher Arbeiten
Die Macher hoffen, dass sich auch vermehrt Wissenschaftler professionell mit der Demoszene beschäftigen werden. Also mehr Hausarbeiten, Abhandlungen oder Bücher, die dieses Phänomen streng wissenschaftlich analysieren.
Wer oder was ist überhaupt die Demoszene?
Alles fing mit den ersten Crackintros in den 80er Jahren an. Demoszener erzeugen eigenhändig auf allen möglichen Computern ausführbare Programme, die etwas demonstrieren. Daher rührt der Namens-Teil Demo. Mit der Demonstration auf der Straße hat das Ganze nichts gemeinsam.
Demonstrationen können vorab berechnete Animationen sein, die allerdings innerhalb der Szene verpönt sind. Hoch im Kurs stehen musikalisch unterlegte Echtzeit-Animationen. Einige Produktionen der Demoszene sahen früher fast wie Musikvideos auf MTV & Co. aus. Viele Aktive sind im IT-Bereich tätig oder sogar in der Spieleindustrie oder bei Filmstudios.
Auch das Animationsstudio Pixar wurde vor einigen Jahren auf diese digitale Kunstform aufmerksam. Rick Sayre von Pixar lud im Sommer 2007 ein paar Mitglieder der Demoszene zu sich ins Büro ein. Sie haben ihm dann demonstriert, was man mit einem regulären PC und Grafikkarte so alles erzeugen kann. In der Folge spendierte Pixar den Betreibern des Szene-Archivs Scene.org 4.000 US-Dollar, um ihre Server zu aktualisieren.
Tarnkappe.info