IT-Fachanwälte warnen, dass in den letzten Wochen zigtausende Abmahnungen wegen der Nutzung von Google Fonts verschickt wurden.
Was sind Google Fonts Abmahnungen überhaupt?
Das mit den Google Fonts ist ganz einfach zu verstehen. Die Datenschutzrichtlinie der EU, die DSGVO, gibt vor, dass es grundsätzlich zu keinem unregulierten Transfer von Daten in die USA kommen soll. Außerhalb der EU werden die Daten nämlich mitunter eben nicht in dem Maß geschützt, wie es hierzulande der Fall ist.
Google Fonts sind für Webseitenbetreiber eigentlich nützlich und wirklich hilfreich. Doch wer sie eingebaut hat, der ermöglicht darüber, dass Google jede Menge Informationen von den eigenen Besuchern der Webseite erhält. Viele haben Google Fonts für ihren WordPress-Blog integriert.
Es ist mal wieder so typisch für Google. Sie erfinden immer wieder supernützliche Online-Dienste, die einem das Leben erleichtern können. Doch wer sie einsetzt, muss damit leben, dass man damit Google tiefe Einblicke unter die eigene Haube gewährt. Die Problematik ist hierbei so brisant, weil man die eigenen Webseiten-Besucher nicht vorher um Erlaubnis gefragt hat. Doch genau das muss ich als Seiten-Betreiber tun.
Wie hat sich das Szenario entwickelt?
Mittlerweile gibt es gleich mehrere Kanzleien, die auf den Zug mit den Google Fonts-Abmahnungen aufgesprungen sind. Wir haben Daniel Loschelder, Fachanwalt für IT-Recht und gewerblichen Rechtsschutz, gefragt, wie man sich im Fall der Fälle verhalten soll. Loschelder warnt auf seinem eigenen Blog vor Abmahnungen der RAAG Kanzlei Dikigoros Kairis, die im Auftrag von Wang Yu erstellt wurden.
Sehr aktiv ist auch Rechtsanwalt Kilian Lenard aus Berlin, der Abmahnungen wegen Google Fonts für seinen Mandanten Martin Ismail ausspricht. Darüber hinaus sind überall im Netz Schreiben der gleichen Kanzlei für eine Loris Bachert aufgetaucht.
Aktiv ist zudem eine Kanzlei brodauf. Und ja, wer weiß, wer demnächst noch alles auf den Zug aufspringt? Man kann dabei offenbar mit wirklich fragwürdigen Mitteln viel Geld in kurzer Zeit verdienen.
Loschelder: „In den letzten Wochen zigtausende Abmahnungen“
Tarnkappe.info: Herr Loschelder. Es geht um die Google Fonts-Abmahnungen. Offenbar hat man in den letzten Tagen viele weitere davon verschickt. Können Sie ein solches Aufkommen überhaupt bestätigen?
Daniel Loschelder: Ja, absolut. Wir gehen davon aus, dass in den letzten Wochen Zigtausende Abmahnungen ausgesprochen wurden.
Tarnkappe.info: Als Grundlage der Rechtsverletzung nennt man ein Urteil vom LG München. Darin sprach man einer Frau im Januar dieses Jahres 100 Euro Schmerzensgeld zu. Ist das Urteil in diesem Fall überhaupt relevant?
Daniel Loschelder: Schon. Aber bei den neu aufgetauchten Abmahnungen war wahrscheinlich niemand selbst auf den Webseiten. Man ließ vielmehr durch eine Art Webcrawler prüfen, ob irgendwo Google Fonts im Einsatz sind.
Google Fonts Abmahnungen vor Gericht wahrscheinlich chancenlos
Tarnkappe.info: Wie groß ist die Chance, dass man vor Gericht dafür verurteilt wird?
Daniel Loschelder: Die abmahnende Kanzlei dürfte vor Gericht wahrscheinlich keine Chance haben. Hier drängt sich ein rechtsmissbräuchliches Verhalten auf, das einem grundsätzlich legitimen Anspruch entgegengehalten werden kann.
Tarnkappe.info: Was hat es mit dem Auskunftsanspruch auf sich, der in den Google Fonts-Schreiben häufiger erwähnt wird?
Daniel Loschelder: Ein Auskunftsanspruch nach DSGVO über Datenverarbeitung – Art und Umfang der Verarbeitung, etc. besteht zwar. Aber hier stellt man den Auskunftsanspruch auf Basis von sachfremden Erwägungen an. Es geht letztlich wahrscheinlich darum, eine Drohkulisse aufzubauen. Wenn der Anspruch also aus sachfremden Erwägungen – und nicht aus dem eigentlichen Auskunftsinteresse heraus – geltend gemacht wird, kann dem ebenfalls der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegengehalten werden.
Wie sollte man sich nach Eintreffen des Schreibens verhalten?
Tarnkappe.info: Wenn man von einer solchen Abmahnung betroffen ist, wie sollte man sich verhalten?
Daniel Loschelder: Unsere Kanzlei reagiert wie folgt: Wir schreiben die Gegenseite an und weisen die Ansprüche als unberechtigt zurück. Wenn sich ein Rechtsanwalt für einen Mandanten bestellt, darf der Mandant nicht direkt von dem gegnerischen Anwalt angeschrieben werden. Das bringt zunächst mal Ruhe in die Angelegenheit.
Was bei nichts tun passiert, weiß man nicht. Da fehlen noch die Erfahrungswerte. Wir werden sehen, ob in dem einen oder anderen Fall Klage erhoben wird. Die Erfolgsaussichten dafür dürften aber verschwindend gering sein.
Geringe Höhe der Google Fonts Abmahnungen wohl kein Zufall
Tarnkappe.info: Jetzt aber mal ganz ehrlich: Die Summe von ca. 226 Euro ist ja auffallend niedrig. Viele werden bezahlen, weil sie keinen weiteren Aufwand mit der Sache haben wollen. Würden Sie sagen, die Höhe der Kostennote ist zufällig oder wohl doch eher pure Absicht?
Daniel Loschelder: Nun, sagen wir mal so. Wenn Sie da mit 2.000 Euro reingehen, würde die Sache sicher anders ausgehen. Dann würden nur wenige bezahlen, weil sich in dem Fall der Aufwand lohnt, einen Fachanwalt damit zu beauftragen. Aber so …
Die Gewährung eines gewissen Datenschutz-Niveaus ist aber grundsätzlich richtig und wichtig. Wenn man das allerdings ausnutzt, geht das Ganze in die völlig falsche Richtung. Bedauerlich ist auch, dass die Abmahnwellen ohne Zweifel den Ruf der DSGVO beschädigen, was ich persönlich beklage.
Tarnkappe.info: Herr Loschelder, vielen Dank!
Der Berliner Medienrechtsanwalt Ehssan Khazaeli geht in seiner Einordnung der Google Fonts-Abmahnungen sogar noch einen Schritt weiter. „Das ist offenbar ein verzweifelter Versuch einiger raffinierter Anwaltskollegen, die inflationsbedingten Mehrkosten wieder reinzuholen“, sagte er Samstag Abend gegenüber der Tarnkappe.
Forderung nicht bezahlen, auch wenn es unbequem ist!
Khazaeli vertritt die Ansicht, Betroffene sollten auf die Forderungen aus der Abmahnung keinesfalls eingehen. Vielmehr sollte man sich unbedingt dagegen zur Wehr setzen. Dies auch dann, wenn schon die erste Kostennote des eigenen Anwalts wahrscheinlich höher ausfallen wird, als der Rechnungsbetrag, der laut Abmahnung zu bezahlen ist.
Aber gut. Das mit der Höhe der Forderung ist ja, wie schon gesagt, wahrscheinlich gar kein Zufall.