Eigentlich sollten bis zur Urteilsverkündung der drei Angeklagten von RapidShare nur sechs Wochen vergehen. Jetzt sind es schon neun Monate.
Die Urteilsbegründung des umfangreichen Strafverfahrens gegen drei ehemalige Betreiber von RapidShare hält immer noch an. Das Urteil wird sich auf das laufende Verfahren gegen die Cyando AG (Uploaded.net) auswirken. Es entscheidet zudem darüber, ob die Schweiz weiterhin als sicherer Hafen für Schwarzkopierer gelten wird.
Aus sechs Wochen wurden für RapidShare neun Monate
Mitte September 2018 begann der Prozess gegen drei Personen, die früher den Online-Speicherdienst RapidShare betrieben haben. Gemeint ist der Geschäftsführer Christian Schmid nebst seiner Ehefrau und seinem Anwalt. Aus den geschätzten sechs Wochen bis zur Urteilsverkündung ist mittlerweile ein Dreiviertel Jahr geworden. Laut Fachanwalt Martin Steiger gilt in der Schweiz das sogenannte „Beschleunigungsgebot„. Es ist also bei Strafverfahren standardmäßig Eile geboten. Urteile, die allerdings inhaltlich schwierig zu begründen seien, würden aber deutlich mehr Zeit in Anspruch nehmen.
War RapidShare ein Vorreiter der Sharehoster-Szene?
Aus dem uns vorliegenden Plädoyer geht deutlich hervor, dass die Betreiber bis Februar 2015 alles Menschenmögliche unternommen haben, um jeglichen Missbrauch zu unterbinden oder zumindest einzugrenzen. Man hatte in der Sharehoster-Szene eine „Vorreiterrolle“ inne, weil man sich proaktiv für technische Lösungen zur Missbrauchsbekämpfung entschlossen hat, heißt es im Plädoyer.
So gab es bei RapidShare lange vor der Konkurrenz eine Anti-Abuse-Abteilung mit 14 Mitarbeitern, die 24/7 tätig war. Diese führte eine produktive Suche nach Urheberrechtsverletzungen auf einschlägig bekannten Szene-Seiten durch. Zudem wurden Werke per MD5-Prüfsumme gefiltert, die ihnen gemeldet wurden. Damit hat man Re-Uploads verhindert. Nach eigenen Angaben bestand auch ein steter Dialog mit den Content-Inhabern und Ermittlungsbehörden. Zur Vermeidung von weiteren Urheberrechtsverletzungen wurde ebenfalls eine Registrierungsprozedur eingeführt. Wer schneller bzw. mehrere Downloads parallel durchführen wollte, musste sich beim Anbieter anmelden bzw. identifizieren.
Es gibt keine absolute Sicherheit
Im Plädoyer heißt es weiter: „Eine vollständige Verhinderung von Missbrauch von Informatiksystemen zu illegalen Zwecken ist zudem schlicht unrealistisch und unmöglich, wie es auch keine 100%-ige IT-Sicherheit gibt oder geben kann. Wäre die Wunschvorstellung der Staatsanwaltschaft tatsächlich realistisch, so wären Themen wie Kreditkartenmissbrauch, Identitätsdiebstahl, Ehrverletzungsdelikte in sozialen Medien und vieles mehr inexistent. Im Übrigen ist es auch in der analogen Welt eine Realität, dass letztlich jeglicher Gegenstand bzw. jede Dienstleistung im Endeffekt zu illegalen Zwecken missbraucht werden kann, ohne dass dem Anbieter dieser Waren und Dienstleistungen daraus ein strafrechtlicher Vorwurf gemacht werden könnte.“
Das Katz-und-Maus-Spiel ist nie zu Ende
Der Kampf gegen gewerbsmäßige Verletzungen des Urheberrechts mittels der Maßnahmen stelle ein „veritables Katz-und-Maus-Spiel“ dar, was naturgemäß nie beendet werden kann.
So kann man beim Upload Dateien willkürlich benennen (z.B. Urlaubsfotos_2019.rar), um eine Kontrolle auf Basis des Dateinamens zu verhindern. An den Inhalt von passwortgeschützten Archiven kommt auch RapidShare nicht heran, um nur zwei von vielen Beispielen zu nennen, wie man die Abuse-Abteilung überlisten kann. Es wird sich also zeigen, ob die drei Beschuldigten strafrechtlich dafür büßen müssen, „dass ein kleiner Teil der Nutzer von www.rapidshare.com eine beeindruckende Kreativität darin an den Tag legte, ein absolut legitimes Dienstleistungsangebot trotz aller von der RapidShare AG getroffenen Präventionsmaßnahmen und entgegen den klaren Nutzungsbestimmungen zu missbrauchen.“ Fakt ist natürlich auch, dass RapidShare ähnlich wie Megaupload im Laufe der Jahre sehr viel Geld an den illegal verbreiteten Werken verdient hat. Die erste Börse überhaupt, das Forum von gulli.com, war zum damaligen Zeitpunkt ohne RapidShare gar nicht denkbar.
Bananenkartons voller Akten
Die Richterin wird noch gut zu tun haben. Wie die Luzerner Zeitung berichtet, standen auf dem Richterpult etliche aufeinander gestapelte Bananenkisten mit Verfahrensakten. In Anbetracht der Komplexität hält der ehemalige Geschäftsführer von RapidShare, Christian Schmid, die Verzögerung nicht für sonderlich verwunderlich.
Er und sein Team haben „Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um Missbrauch auf unserer Plattform zu bekämpfen, auch wenn es die stark verzerrenden Medienberichte gerne anders sehen möchten„, schrieb uns Schmid gestern per E-Mail.
Und selbst wenn das Urteil keine Auswirkung mehr auf die bald kommende Revision des schweizerischen Urheberrechtsgesetzes haben wird, so geht von ihm eine gewisse Signalwirkung auf künftige Entscheidungen aus. Bislang galt die Schweiz als geeigneter Standort für alle Betreiber von Share- und Streaminghostern. Das hat sich spätestens seit den zahlreichen Verurteilungen der Cyando AG geändert, bei denen die Betreibergesellschaft immer wieder für die wiederholten Urheberrechtsverletzungen auf Uploaded.net haftbar gemacht wurde.
Ein Urteil mit Signalwirkung
Die Entscheidung wird in Fachkreisen mit viel Spannung erwartet. Auch wenn in der Schweiz derzeit im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Ländern keine Netzsperren gegen offensichtlich rechtswidrige Portale durchgeführt werden dürfen, so steht mit dem Urteil dennoch der Standort Schweiz auf dem Prüfstand.
Nach Ansicht von Rechtsanwalt Martin Steiger wird die Entwicklung auf jeden Fall erhebliche Auswirkungen auf die dortige Internet-Wirtschaft haben.
Hintergrund des RapidShare Prozesses
Der weltweit erste Online-Speicherdienst RapidShare ging im Mai 2002 ans Netz. Auch wenn Kim Schmitz aka Dotcom häufiger das Gegenteil behauptet, so hob er sein Megaupload erst viel später, nämlich im März 2005, aus der Taufe. Zuvor hatte der RapidShare-Gründer das E-Commerce-System Rapidtec und die Forensoftware Rapidforum veröffentlicht. Schmid wurde in Süddeutschland geboren und lebte später mit seinen Eltern unter anderem im Ruhrgebiet.
2006 verlegte er den Sitz seines Unternehmens nach Cham im Kanton Zug. 2007 war Rapidshare.com die weltweit elftmeist besuchte Website. 2008 nutzten tagtäglich über 42 Millionen Menschen seinen Service. Anfang 2010 hat man dort rund 150 Millionen Dateien gehostet. Die Handelszeitung bezifferte Schmids zu versteuerndes Jahreseinkommen für 2006 auf 17,4 Millionen Schweizer Franken.
Nach Medienangaben erwarb er im März diesen Jahres ein Schloss in Salenstein (Kanton Thurgau) für 30 Millionen Franken. Schmid lebt dort mit seiner Ehefrau, die ihr Geld früher als Programmiererin verdient hat.
Beitragsbild: Der ehemalige RS-Hauptsitz in Baar, Schweiz. Foto von Schulerst – Wikimedia, thx! (CC BY-SA 3.0)
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