Im zweiten Teil der Dokumentation „The 8-Bit Philosophy“ dreht sich alles um die damaligen Cracker-Gruppen. Was hat die aktiven Mitglieder von AFL, Fairlight, Razor 1911, TRSI oder Triad dazu gebracht, ihre Jugend vor dem Amiga/C64 zu verbringen? Filmemacher Konstantin Stuerz war als Shining8-Member selbst Teil der Szene. Gehasst von den Firmen, angehimmelt von einer ganzen Generation von Gamern: die Cracker – the good and the bad guys.
The 8-Bit Philosophy – die Fortsetzung ist veröffentlicht
Vor vier Jahren erschien von Shining Movie Vision der erste Teil der Doku „The 8Bit Philosophy – A Commodore 64 Symphony“, der auch vom Sender 3SAT ausgestrahlt wurde. Konstantin Stuerz konzentrierte sich damals auf die populärsten und erfolgreichsten Komponisten von Computerspielen, die auf den Homecomputern der 80er- und 90er Jahre aktiv waren. Namen wie Chris Hülsbeck, Romeo Knight, Markus Schneider, Allister Brimble oder Thomas Detert sollten jedem Nutzer im Alter von 40 und mehr bekannt sein. Sie alle kommen im Film (Video siehe unten) zu Wort. Bis heute werden ihre Werke von Dritten ständig neu abgemischt. Unzählige Musiker tummeln sich noch immer in der so genannten Remix-Szene, um die es ebenfalls im ersten Teil der Dokumentation geht.
Doch in der Fortsetzung geht es um etwas ganz anderes. Cracker knacken seit jeher den Kopierschutz von Computerspielen, fügten als Erinnerung wer für den Release verantwortlich ist, eigene Crackintros hinzu und verbreiteten sie weiter. Nicht selten waren die digitalen Signaturen der Release Groups (Crackintros) viel interessanter, als das eigentlich Spiel, was illegal in Umlauf gebraucht wurde. In den Anfängen spielte das Internet in den Privathaushalten keine Rolle. DSL-, ISDN-Leitungen oder Modems waren noch nicht verfügbar, für Akustik-Koppler waren die Spiele viel zu groß. Deswegen mussten sich in den ersten Jahren die Cracker auf Copy-Partys treffen. Dort wurden neben den zahlreichen Erfahrungen auch die Games und Anwenderprogramme auf den mitgebrachten Disketten ausgetauscht.
Video: The 8-Bit Philosophy: Teil 1 der Dokumentation
So war es damals…
Doch wer seine Releases flächendeckend verbreiten wollte, musste über einen oder im Idealfall mehrere aktive Mailswapper verfügen. Das waren Personen, die die Disketten nebst privater Botschaften an ihre Kontakte verschickt haben. Mithilfe von PLKs (Postlagerkarten) sollte in Deutschland die Anonymität der Swapper gewährleistet werden. Es dauerte lange, bis die Polizei eine ungefähre Ahnung vom Treiben der Swapper hatte. Lange Zeit konnten die Softwarepiraten ihrem Hobby in aller Ruhe nachgehen. Erst in den 90er Jahren wurde es für Betreiber einer Mailbox (in Insiderkreisen BBS genannt) bzw. die Original Supplier gefährlich.
Jurist Freiherr von Gravenreuth versuchte im Auftrag mehrerer Software-Hersteller mithilfe von Insider-Kontakten die deutsche BBS-Szene dem Erdboden gleich zu machen. Als Helfershelfer setzte er dafür gegen Bezahlung Kim Schmitz aus Norddeutschland oder Darklord aus dem Ruhrgebiet ein. Sie besorgten ihm Mitschnitte der Boards, woraus hervorging, welche Warez diese auf ihren Festplatten vorrätig hatten. Von einem Test-Download, der Telefonnummer der deutschen BBS bis zum Besuch der Polizei war natürlich kein weiter oder schwieriger Weg. Gravenreuth hat binnen weniger Jahre rund 50 Amiga- und PC-Boards hochnehmen lassen, wo Cracks der unterschiedlichsten Hardware-Plattformen (SNES, Gameboy, N64, Amiga, PC etc.) vorrätig waren.
Supplier – eine wichtige Funktion in der Szene
Doch auch die Beschaffer der Szene (to supply = beschaffen) mussten irgendwann höllisch aufpassen. Manche Softwarefirmen gingen Mitte/Ende der 90er-Jahre dazu über, ihre Spiele im Verdachtsfall vor dem Verkauf mit einer versteckten Seriennummer zu versehen. Das sollte den Lieferanten (Original Supplier) enttarnen, der im Auftrag seiner Group die Spiele beim Software-Großhandel bezogen hat. So hat man in Nordrhein-Westfalen unter anderem Original Supplier von TRSI überführt. Dieser war beispielsweise im Umkreis von Wuppertal als Händler tätig.
Viele der Ehemaligen sind heute irgendwo in der IT-Branche tätig.
Konstantin Stuerz hat für seinen Film einige der bekanntesten Cracker, Original Supplier, Modem-Trader und Mail-Swapper vor die Kamera geholt. So auch Bacchus von Fairlight, Irata/TRSI, Injun/TRIAD, Lincoln/Paradox, Ziphoid/Razor 1911, Euzkera/Censor Design, Steve/Zenith/Laser/Success + The Ruling Company), Gothicman/Alpha Flight 1970 und viele andere mehr.
Vorstellung von The 8-Bit Philosophy auf verschiedenen Events
Die Premiere von „The 8-Bit Philosophy 2“ soll am 24. März in Zürich an der UZH (Historisches Seminar) stattfinden. Der Organisator des Workshops „Home Computer Subcultures and Society Before the Internet Age“, hat sich etwa 20 Jahre nach den Ursprüngen der Szene als Musiker, Party-Veranstalter und Autor selbst einen Namen gemacht.
Weitere Vorführungen der dreißigminütigen Cracker-Doku auf verschiedenen Festivals und Film-Festspielen sind geplant. Stuerz war überall in Europa unterwegs. Er hat mehrere Jahre an diesem Film gearbeitet und möchte ihn folglich auf so vielen Events wie irgend möglich vorstellen. Wann und ob der zweite Teil von The 8-Bit Philosophy auch auf YouTube erscheinen soll, ist allerdings noch unklar. Man hat uns letzte Woche vorab eine Testversion von The 8-Bit Philosophy 2 übermittelt.
Trailer von The 8-Bit Philosophy 2 – the good and the bad guys.
Mittlerweile gibt es die Dokumentation nur noch exklusiv bei Amazon Prime. Kostet wirklich nicht die Welt und ist echt zu empfehlen!
Tarnkappe.info