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Bildquelle: Kimzy Nanney, Lizenz

NordVPN: Datenschutz den Deutschen wichtiger als Alkohol und Marihuana?

Eine von NordVPN bezahlte Studie soll beweisen, dass den Deutschen Datenschutz wichtig ist. Die Mehrheit würde dafür auf Cannabis verzichten.

NordVPN hat beim Münchener Analyse-Spezialisten Norstat eine Umfrage zum Thema Internet-Nutzung und Datenschutz in Auftrag gegeben. 1.000 Personen im Alter von 18 bis 74 Jahren hat man dazu hierzulande befragt. Die Erhebung deckt angeblich auf, wie leidenschaftlich die Deutschen ihre Privatsphäre verteidigen und welche Opfer sie dafür bringen würden. Doch stimmt das auch?

Ist den Deutschen Datenschutz wichtiger als Marihuana?

Den Deutschen ist Datenschutz laut der Pressemitteilung wichtiger als der Konsum bewusstseinsverändernder Substanzen: Über 57 % der Deutschen würden auf das Rauchen von Marihuana und rund 40 % auf Alkohol verzichten, wenn dafür ihre Daten aus dem Netz nachhaltig verschwinden würden.

Die Statistik wäre aussagekräftig, wenn die Befragten allesamt Cannabis-Konsumenten wären. Das ist aber leider nicht der Fall. In Anbetracht der Tatsache, dass in Deutschland deutlich unter 10% der Einwohner häufiger bis regelmäßig Marihuana konsumieren, sind 42% sehr wenig. Da die Studie nach eigenen Angaben repräsentativ sein soll, wären dementsprechend auch nur unter 10% der Befragten Konsumenten von Bewusstseins verändernden Stoffen.

Die Zahlen muss man in Relation zum Anteil der Konsumenten setzen. Böse Zungen würden behaupten, das wäre in etwa so, als wenn man lieber auf orangenen Kaviar statt auf seinen eigenen Datenschutz verzichten würde. Man könnte die Personen auch fragen: Würden Sie den Konsum von Kohlrabi Lanro für ein besseres Klima aufgeben?

Datenschutz

Studie im Original mit ganz anderen Fragestellungen

Die Studie dürfte auf Außenstehende noch merkwürdiger wirken, weil im englischsprachigen Original der Pressemeldung von NordVPN der Konsum von Cannabis oder Alkohol gar nicht behandelt werden. Auch sind keine Fragen zum Thema Datenschutz erkennbar. In der weltweit durchgeführten Umfrage geht es lediglich darum zu hinterfragen, wie viele Stunden wir täglich online sind. Und auch, welche Nationen dabei pro Woche am längsten ihre internetfähigen Geräte einsetzen. Außerdem kann man nach Nationen aufgesplittet sehen, welche Online-Aktivitäten am meisten Zeit verbraucht haben. Die Befragten gaben auch an, wie viele Stunden sie für das Online Shopping, Streaming, ihre Beteiligung bei sozialen Netzwerken, online Musik hören, Gaming, E-Learning etc. verwendet haben.

Kommentar: Kann man Äpfel mit Birnen vergleichen?

Datenschutz ist wichtig, keine Frage. Aber ob die Deutschen wirklich so leidenschaftlich ihre Privatsphäre verteidigen, darf ernsthaft bezweifelt werden. Viele wollen vor allem eines: sie wollen Komfort! Wer beispielsweise als Online-Händler zu viele Hürden zum Schutz seiner Nutzer aufstellt, muss damit rechnen, dass zu viele Personen ihren Kaufvorgang abbrechen. Ansonsten geht die conversion rate in den Keller, die bei guten Anbietern höchstens bei etwa 4 Prozent liegt. Das heißt: Von 100 Besuchern einer Webseite schließen nur vier ihren Kauf tatsächlich ab.

Dazu kommt: Für die meisten Befragten ist Cannabis sowieso nicht relevant. Hätte es eine Datenschutz-Befragung dieser speziellen Gruppe gegeben, in deren Leben Cannabis eine nennenswerte Rolle spielt, wären die Zahlen aussagekräftig. So aber eben nicht.

Daran ändert leider der schön formulierte PR-Text von Brandmeier nichts und auch nicht die englischsprachige Umfrage, die NordVPN weltweit zu einem ganz anderen Thema beauftragt hat. Da war bei der Marketing-Agentur offenkundig jemand mit etwas zu viel Eifer bzw. Fantasie am Werk. Wir bedanken uns dennoch brav für die Übermittlung der Pressemitteilung, weil es diesen Artikel sonst nicht gegeben hätte…

Lars Sobiraj

Über

Lars Sobiraj fing im Jahr 2000 an, als Quereinsteiger für verschiedene Computerzeitschriften tätig zu sein. 2006 kamen neben gulli.com noch zahlreiche andere Online-Magazine dazu. Er ist der Gründer von Tarnkappe.info. Außerdem brachte Ghandy, wie er sich in der Szene nennt, seit 2014 an verschiedenen Hochschulen und Fortbildungseinrichtungen den Teilnehmern bei, wie das Internet funktioniert.