SPD Zukunftsprogramm
SPD Zukunftsprogramm

SPD fordert Identifikationspflicht für die Nutzer deutscher Foren

Gestern hat die SPD ihr Zukunftsprogramm vorgestellt. Man fordert u.a. die Identifikation aller Nutzer durch die Betreiber deutscher Foren.

Knapp sieben Monate vor der Bundestagswahl hat am gestrigen Dienstag die SPD ihr Zukunftsprogramm vorgestellt. Man fordert darin unter anderem, dass die Betreiber von Foren die Identifikation aller Diskussionsteilnehmer zwingend gewährleisten müssen. Damit soll jegliche anonyme Teilhabe ausgeschlossen werden.

Zukunftsprogramm der SPD wirkt oberflächlich und widersprüchlich

Auf Seite 15 des Zukunftsprogramms (Link zum PDF-Dokument) geht es in die Tiefe, wenn auch viel zu wenig. Dummerweise widersprechen sich die Genossen bei ihren Forderungen. So heißt es, dass die SPD für den Schutz der Privatheit und der Daten im Internet einsteht. Die anonyme und pseudonyme Nutzung des Netzes schütze viele Journalisten und Freiheitskämpfer in aller Welt vor Verfolgung und Bedrohung. Auch warnt die SPD vor zu vielen staatlichen Überwachungsmaßnahmen im Netz.

Und dann kehrt man die Forderungen in das genaue Gegenteil um. Dort heißt es im O.-Ton:

„Zur Verfolgung von aus dem oder im Internet begangenen Straftaten braucht es technisch und personell hinreichend ausgestattete Strafverfolgungsbehörden. Bei hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkten auf eine Straftat müssen Verdächtige identifiziert werden können.

Wir werden deshalb auch die Plattformbetreiber verpflichten, die Voraussetzungen für eine grundsätzliche Identifizierbarkeit zu schaffen. Zur Sicherheit im Netz gehört es, konsequent gegen alle Formen von Hasskriminalität, Betrug und andere Straftaten vorzugehen. Wir werden die nationalen Schutzvorschriften im Strafgesetzbuch und Netzwerkdurchsetzungsgesetz weiterentwickeln und setzen uns für verbindliche Regelungen auf europäischer Ebene (Digital Service Act) ein. Es braucht aber neben den rechtlichen Vorgaben auch ziviles Engagement, um dem Respekt zwischen den Bürger*innenin der digitalen Kommunikation wieder mehr Geltung zu verschaffen. Organisationen, die gegen Hass und Hetze im Netz aktiv sind, sichern wir unsere Unterstützung zu.“

Worin sollen „die Voraussetzungen für eine grundsätzliche Identifizierbarkeit“ bestehen?

Genauso wie bei den meisten anderen Punkten auch, äußert man sich in diesem Programm leider sehr wenig konkret. Beispielsweise erläuert man nicht, wie die Voraussetzungen für eine grundsätzliche Identifizierbarkeit der Foren-Nutzer denn überhaupt geschaffen werden sollen.

Wäre es schon ausreichend, bei der Registrierung irgendeinen Klarnamen anzugeben? Oder müssen die User vor ihrem ersten Posting sogar einen Scan ihres Ausweises übermitteln, so wie bei Facebook? Wer würde dann alles Zugriff darauf erhalten? Und zu welchem Zweck? Muss der Plattformbetreiber die Identifikation seiner Nutzer nur in Einzelfällen, also im Fall einer Strafanzeige, preisgeben? Oder prophylaktisch bei jedem Anwender seines Forums!? An wen sollen die ganzen Scans dann bitte geschickt werden?

Die gestrigen Ausführungen hinterlassen bei den Lesern leider sehr viel mehr Fragen als Antworten.

Das Recht auf Meinungsfreiheit gilt in Deutschland nicht nur für Journalisten!

Fest steht: Das Recht auf freie Meinungsäußerung und Pseudonyme sollte nicht nur bei Journalisten bestehen, sondern bei jeder Bürgerin und jedem Bürger!

Wir werden einen solchen Einschnitt der Meinungsfreiheit nicht dulden! Tarnkappe.info würde vielmehr entsprechende Gegenmaßnahmen ergreifen, sollte es dazu kommen. Wir sind keine Helfershelfer von Geheimdiensten, der Polizei oder sonstigen Ordnungsbehörden! Von uns kommen mit Sicherheit keine gemeldeten Identitäten unserer Forenteilnehmer. Mal ganz davon abgesehen, dass die meisten User sowieso nur bei uns frei nach Schnauze ihre Meinung äußern, eben weil ihre Identität unbekannt ist. Zur Einhaltung aller Gesetze durchkämmen wir täglich gerne alle neuen Beiträge. Aber zu einem behördlichen Meldebüro lassen wir uns sicher nicht umfunktionieren.

Wenn diese Forderungen umgesetzt werden sollten, egal von welcher Bundesregierung, verlegen wir unseren Unternehmenssitz weit weg. Alternativ könnten wir das Forum sonst gleich mangels Beteiligung dicht machen. Bei uns ist nicht mal der Namen einzelner Moderatoren bekannt, wofür auch?

An dieser Stelle vielen Dank an wlorenz65, der uns auf diese Passage hingewiesen hat.

Tarnkappe.info

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Lars Sobiraj

Über

Lars Sobiraj fing im Jahr 2000 an, als Quereinsteiger für verschiedene Computerzeitschriften tätig zu sein. 2006 kamen neben gulli.com noch zahlreiche andere Online-Magazine dazu. Er ist der Gründer von Tarnkappe.info. Außerdem brachte Ghandy, wie er sich in der Szene nennt, seit 2014 an verschiedenen Hochschulen und Fortbildungseinrichtungen den Teilnehmern bei, wie das Internet funktioniert.