freenet project webseite screenshot
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Das Freenet Project im Interview – Gespräch mit Ian Clarke

Freenet verspricht den Anwendern die maximale Anonymität im Internet. Ein Gespräch mit Ian Clarke, dem Koodinator und Sprecher des Projekts.

Freenet verspricht seinen Anwendern die maximale Anonymität im Internet. Diese Peer-to-Peer-Software befindet sich schon seit 17 Jahren in der Entwicklung. Ich sprach im Sommer 2010 mit Ian Clarke, dem Gründer dieses interessanten Open Source-Projektes.

Das Freenet Projekt im Interview

Ganz ähnlich wie I2P ist Freenet ein dezentralisiertes, Zensur-resistentes Netzwerk, um Informationen auszutauschen. Es begründet sich auf Open Source Software und bietet den Usern eine starke Verschlüsselung und das Maximum an Redefreiheit. Ich habe mich damals mit dem Projektmanager Ian Clarke unterhalten, der mir erklärt hat, welchen Stellenwert freie Meinungsäußerung und Datenschutz für ihn haben.

Lars Sobiraj: Hallo Ian! Möchtest du dich unseren Lesern zunächst kurz vorstellen?

Ian Clarke: Mein Name ist Ian Clarke, ich bin 33 Jahre alt und lebe zusammen mit meiner Frau und zwei Katzen zusammen in Austin, Texas. Ich genieße es (ganz offensichtlich) zu programmieren. Ich gehe gerne schwimmen und wandern und interessiere mich außerdem für Politik und selbst gebaute fliegende Hubschrauber.

Lars Sobiraj: Du arbeitest seit dem Jahr 1999 an Freenet. Warum ist das Thema Privatsphäre so wichtig für dich?

Ian Clarke: Die steht gar nicht so sehr im Mittelpunkt für mich, die Freiheit zu kommunizieren aber schon. Die Möglichkeit anonym zu sein ist sehr wichtig für eine uneingeschränkte Kommunikation.

Anonyme Kommunikation, Freiheit & Privatsphäre sind eng miteinander verknüpft

Mir fiel auf, dass anonyme Kommunikation sehr eng mit der Privatsphäre zusammenhängt. Das Aufrechterhalten der Intimsphäre kollidiert manchmal mit der Freiheit zu kommunizieren. In solchen Fällen bin ich absolut gegen Privatsphäre und für die Kommunikation. Ein Beispiel dafür sind Datenschutz-Gesetze. Ich glaube, die Regierungen sollten mir nicht vorschreiben dürfen, was ich mit den Daten anstelle, die ich gesammelt habe.

Lars Sobiraj: Bitte beschreibe uns deine Software etwas näher. Wo sind die Unterschiede zu anderen Lösungen wie I2P oder Tor?

freenet

Ian Clarke: Freenet haben wir erstellt, um eine anonyme Veröffentlichung und Konsum von Informationen zu ermöglichen. Es ist wie eine Bücherei, wo Menschen Bücher ungesehen einreichen und abholen können. Dem hingegen funktioniert Tor wie eine Weiterleitung, um anonym Informationen einholen zu können, die anderswo im Internet gespeichert wurden. Freenet ist selbst ein Speichermedium.

Du greifst praktisch mit deinem Browser auf Freenet zu, wie du dich auch im Internet bewegst. Allerdings kann es einige Sekunden dauern, um den Inhalt einer Website von Freenet zu laden. Es ist langsamer als das Internet, wir arbeiten an einer Verbesserung der Geschwindigkeit.

Genauer gesagt erlaubt Tor jemandem, eine Website wie Wikileaks zu besuchen, ohne Spuren zu hinterlassen. Aber wenn die Regierung Wikileaks schließt, wäre sie nicht mehr länger erreichbar, weder über Tor noch mit einem anderen Weg. Bei Freenet werden die Informationen von Wikileaks bei Freenet selbst gespeichert und es gäbe keinen Weg mehr diese zu entfernen.

Ich kenne mich mit I2P nicht so sehr aus, aber glaube, es ist auch eher eine Weiterleitung wie Tor und weniger ein Datenspeicher wie Freenet. Ich glaube aber einige Aspekte im Design von I2P wurden durch unser Projekt inspiriert.

Wir haben noch einen weiten Weg vor uns…

Lars Sobiraj: Mit der Version 0.7.5 ist eure Software noch weit von Version 1.0 entfernt. Wann können wir damit rechnen und wie wird sie aussehen? (mittlerweile steht man bei Version 0.9.8)

freenet navigate with freedomIan Clarke: Nun, ich würde nicht so sehr auf die Versionsnummern schauen. Einige ausgereifte Applikationen haben noch immer nicht 1.0 erreicht ;-)

Das größte Defizit derzeit ist, dass es zu kompliziert ist, Freenet anzuwenden. Wir haben daran im Laufe der letzten Jahre bereits hart gearbeitet und die Software hat sich schon deutlich verbessert. Aber es ist noch immer ein weiter Weg.

Das nächste große Feature, an dem wir arbeiten, sind Diskussionsforen. Es nennt sich „Free Talk“. Ihr könnt mehr darüber unter https://wiki.freenetproject.org/FreeTalk lesen. Dessen Architektur ist sehr interessant, weil wir das Problem von unerwünschten Spammails bekämpfen müssen, das in einem anonymen System sehr herausfordernd ist.

Software ist noch nicht so final wie der Firefox oder Skype

Lars Sobiraj: Wie leicht beziehungsweise kompliziert ist die Anwendung denn jetzt wirklich?

Ian Clarke: Einfacher als es in der Vergangenheit war, aber noch immer komplizierter als es sein sollte. Wer schon mal Software auf seinem Rechner installiert hat, dürfte nicht allzu viele Probleme haben. Es ist aber nicht so final wie Software wie Firefox oder Skype.

Lars Sobiraj: Wie viele Personen sind an der Entwicklung beteiligt, womit beschäftigen sie sich?

freenet architectureIan Clarke: Wir haben bei Freenet einen hauptamtlichen Entwickler, dessen Lohn von den Spenden bezahlt wird. Daneben gibt es vielleicht zehn bis fünfzehn andere Personen, die auf unterschiedliche Art einen Beitrag leiste. Manche arbeiten an der Website, andere an der Software selber oder auch indem sie uns wertvolles Feedback geben.

Freenet soll noch simpler in der Anwendung werden

Lars Sobiraj: Was habt ihr für die Zukunft geplant?

Ian Clarke: Freenet wird schneller und einfacher in der Anwendung sein. Auch die eben erwähnten Diskussionsforen werden neben anderen Features implementiert.

Lars Sobiraj: Es gibt Gerüchte die besagen, dass solche Netzwerke auch als Obdach für illegale Aktivitäten dienen wie beispielsweise den Vertrieb von kinderpornografischen Werken. Gibt es Wege das zu unterbinden? Ist überhaupt geplant, die Inhalte auf irgendeine Weise zu kontrollieren?

Ian Clarke: Es ist leider wahr, dass solche Systeme, die Freiheit gewährleisten, auch Leuten Schutz bieten, die Dinge tun, mit denen ich nicht einverstanden bin. Das betrifft auch Kinderpornografie. Leider ist es unmöglich das zu unterbinden, ohne den gesamten Zweck von Freenet zu zerstören.

Ausblick in die Zukunft

Lars Sobiraj: Wenn sich jeder komplett anonym im Internet bewegen kann, so kann auch niemand mehr von Geheimdiensten aufgespürt werden. Seid ihr jemals von derartigen Institutionen kontaktiert worden oder dauert das, bis die erste offizielle Version herausgekommen ist?

Ian Clarke: Wegen Freenet gab es bisher keinerlei negativ behafteten Kontakt. Tatsächlich unterstützt die US Regierung einige Projekte wie Freenet finanziell. (Ich glaube, die US Navy nutzt Tor.) Trotzdem sind wir deswegen bisher nie angesprochen worden.

Lars Sobiraj: Wie sieht für dich die Zukunft des Internets aus? Wird es ein komplett regierungskontrolliertes System sein, pure Anarchie oder irgendetwas dazwischen?

hase und freiheitIan Clarke: Wahrscheinlich irgendwas dazwischen. Es hängt davon ab, in welchem Land man lebt. Länder wie Australien bewegen sich derzeit in eine gefährliche Richtung mit ihren aktuellen Internet-Zensurgesetzen. Glücklicherweise kann Freenet stets als letzter Rückzugsort benutzt werden.

Lars Sobiraj: Vielen Dank für die Beantwortung der Fragen. Ich wünsche dir und dem gesamten Projekt alles Gute für die Zukunft. Mike Godwin von der Electronic Frontier Foundation (EFF) hat den Sachverhalt einst sehr gut zusammengefasst. Er sagte über seine Tochter: „Ich habe Angst, dass sie in 10 oder 15 Jahren kommt und mich fragt:

‚Daddy, wo warst du, als sie euch im Internet die Pressefreiheit genommen haben?’“

Auch deswegen werden solche Vorhaben wie Freenet immer wichtiger, um jede Form der Zensur umgehen zu können. Wir halten Euch auf dem Laufenden.

Tarnkappe.info

Lars Sobiraj

Über

Lars Sobiraj fing im Jahr 2000 an, als Quereinsteiger für verschiedene Computerzeitschriften tätig zu sein. 2006 kamen neben gulli.com noch zahlreiche andere Online-Magazine dazu. Er ist der Gründer von Tarnkappe.info. Außerdem brachte Ghandy, wie er sich in der Szene nennt, seit 2014 an verschiedenen Hochschulen und Fortbildungseinrichtungen den Teilnehmern bei, wie das Internet funktioniert.