Kommentare zu folgendem Beitrag: Tor-Netzwerk ist landesweit in Russland gesperrt
Der Tor Blog fordert alle Sympathisanten dazu auf, selbst eine Tor Bridge daheim zu installieren, um die Sperre zu erschweren.
Auch wenn mittlerweile um die 400 Bridges erstellt wurden, was wegen der Lastverteilung noch nicht viele sind, wird es auf Grund der Voraussetzungen schwer werden, noch viele hinzu zu bekommen!
Diese Anleitung hilft Ihnen beim Einrichten einer obfs4-Bridge, um zensierten Benutzern zu helfen, sich mit dem Tor-Netzwerk zu verbinden. Die Anforderungen sind:
- Internetverbindung rund um die Uhr
- Die Möglichkeit, TCP-Ports für das Internet bereitzustellen (stellen Sie sicher, dass NAT nicht im Weg steht)
Gerade der Punkt 2 wird dieses wohl zusätzlich erschweren, da die meisten russischen ISPs nämlich mit NAT arbeiten! Hinzu kommt, dass bei vollständiger Aktivierung des geplanten „souveränen RUnet“ die jetzt noch offenen Ports nutzlos werden…
War nicht geplant, das russlandweite Internet komplett abzuspalten? Dann wäre die Aktion mit den Bridges ja einfach nur sinnfrei.
Beeindruckend finde ich auch, das es bei den Ankündigungen des souveränen RUnet nicht geblieben ist, sondern die Rahmen-Parameter echt schleunigst umgesetzt wurden. Vergleiche ich das mal mit Deutschland, sollten wir lieber weiter Bananen pflücken gehen, das scheint unsere Kernkompetenz und zukünftige Bestimmung zu sein.
So siehts nun mal aus! Letztlich ist die Distanzierung zum Tor-Netzwerk bzw. eine komplette Abschottung dazu, nur ein weiterer Schritt von vielen, um bald das souveräne RUnet vollständig aktivieren zu können!!
Das wohl so langsam die finale Phase dazu zu erwarten ist, liegt in der Natur der Sache! Der letzte Test der RUnet-Firewalls ist nun 2 Jahre her. Wie erfolgreich dies gelaufen ist, oder auch nicht, wissen wohl zum Teil nur die Geheimdienste…
Solche Geschichten, wie das Telegram-Verbot oder jetzt das Tor-Verbot, kommen ja nicht ohne Absichten zu Tage - sie sollen wohl auch davon ablenken, was sonst noch alles an technischen Raffinessen beim RUnet eingeführt werden?!
Das die Funktionalität des souveränen RUnet bald komplett hergestellt sein wird, kann man auch daran erkennen, dass vor knapp sechs Monaten das „Atlantische Konzil“ die Situation in Russland vollständig neu bewertet hat und seinem Abschlussbericht diesen aussagekräftigen Titel gegeben hatte:
Neubewertung von RuNet: Russische Internetisolation und Auswirkungen auf das russische Cyberverhalten
Download der englischen PDF:
ATLANTIC COUNCIL - SCOWCROFT CENTER FOR STRATEGY AND SECURITY
So siehts nämlich aus! Im Dezember 2018 wurde in der Staatsduma, dem Unterhaus des russischen Parlaments, ein Gesetzentwurf eingebracht, der darauf abzielte, die Kontrolle der russischen Regierung über die Internetarchitektur in Russland zu konsolidieren, um sicherzustellen, dass das Internet im Falle eines Sicherheitsvorfalls isoliert werden kann. Der Entwurf wurde dann im Sommer / Herbst 2019 zum ausgereiften und beschlossenen Gesetz!!
Diese Isolationsmaßnahmen wurden vom Kreml seit Jahren als Teil der Bemühungen der russischen Regierung diskutiert, Maßnahmen zur „Cybersouveränität“ zu erlassen oder solche, die Staatsgrenzen fest über den Cyberspace projizieren.
Mit anderen Worten, der Wunsch, das russische Internet zu isolieren, hat eine Geschichte.
- Anfang der 1990er Jahre implementierten die russischen Behörden SORM-1, ein landesweites Überwachungssystem für Telefonleitungen.
- 1993 gründete der damalige Präsident Boris Jelzin per Dekret die Föderale Agentur für Kommunikation und Information der Regierung (FAPSI), deren Aufgaben die Überwachung von Signalen im Ausland und im Inland umfassten.
- Das SORM-Überwachungssystem wurde dann um SORM-2 erweitert, das den Internetverkehr durch auf Internet-Gateways installierte Blackboxes abhörte.
- Später würde SORM-3 damit beginnen, eine Reihe von Internet- und Social-Media-Daten zu sammeln.
- Zu den Hauptaufgaben von FAPSI gehörten jedoch vorerst Signalaufklärung, „elektronisches Abhören und Kryptoanalyse“, elektronische Intelligenz und der Schutz von Netzen vor dem Eindringen ausländischer Geheimdienste.
- Im September 2000 billigte Präsident Wladimir Putin die Informationssicherheitsdoktrin der Russischen Föderation, die die Ansichten des Kremls zum Internet und die Ziele für den Umgang mit wahrgenommenen Bedrohungen darlegte.
- In den frühen 2000er Jahren gewann das Internet in Russland an Fahrt, wenn auch nicht annähernd so schnell wie in einigen anderen Ländern; Putin konsolidierte derweil die Macht und trieb dabei zunehmend die russische Außenpolitik voran.
- „Revolutionen“ in Georgien, der Ukraine und Kirgisistan von 2003 bis 2005 alarmierten den Kreml und trugen zu einer „Erzählung einer kontinuierlichen Welle pro-demokratischer, pro-reformerischer Bewegungen in der ehemaligen Sowjetunion“ bei.
- Ängste vor der Offenheit des Internets und verschwörerische Ansichten über westliche Online-Einmischung wurden wiederum durch die Aufstände des Arabischen Frühlings Anfang der 2010er Jahre, Proteste gegen Putins Wahlfälschung 2011, Online-Kritik und Proteste gegen Putins Rückkehr in die Präsidentschaft 2012, die Snowden-Lecks im Jahr 2013, die ukrainische Revolution im Jahr 2014, und die Panama Paper-Leaks im Jahr 2016.
- Putin und seine Kreml-Berater äußerten sich im Verlauf dieser Ereignisse offener über die Risiken des Internets. Im Jahr 2014 beispielsweise bezeichnete Putin das Internet sei berüchtigt als „CIA-Projekt“ und forderte Russland auf, online „für seine Interessen zu kämpfen“.
- Im Jahr 2016 sagte Putin, dass die über das Internet verbreiteten Panama Papers ein „Informationsprodukt“ seien, das Russland von innen „destabilisieren“ soll.
- Die russische Regierung ist auch besorgt darüber, inwieweit die Nutzung des Internets durch russische Bürger (insbesondere unter jungen Menschen) diese Personen weniger anfällig für staatliche Fernsehpropaganda macht.