Die CUII geht neue Wege…!
Das freiwillige Sperrsystem für Piraterie-Websites in Deutschland wurde grundlegend geändert. Alle Sperrmaßnahmen müssen nun gerichtlich überwacht werden. Die Teilnehmer verlassen sich künftig auf Gerichtsbeschlüsse statt auf eigene Empfehlungen. Diese Änderung gewährleistet zwar eine ordnungsgemäße Überprüfung der Sperranträge, macht die Sperrungen aber nicht unbedingt transparenter für die Öffentlichkeit.
Im Jahr 2021 haben sich die deutschen Internetprovider dazu verpflichtet, die schwerwiegendsten Piraterieseiten freiwillig zu sperren.
Die ISPs schlossen sich mit Rechteinhabergruppen zusammen und gründeten die „Clearing Body for Copyright on the Internet“ ( CUII ), die für die Bekanntgabe von Sperrentscheidungen zuständig war.
Bemerkenswerterweise stützte sich die CUII nicht auf Gerichtsurteile. Stattdessen gab die private Organisation nach einem internen Überprüfungsprozess eigene Empfehlungen heraus, die beurteilen, ob eine gemeldete Domain tatsächlich mit einer Website verknüpft ist, die strukturell Urheberrechte verletzt.
Als zusätzliche Vorsichtsmaßnahme überprüfte die Bundesnetzagentur sämtliche Sperrentscheidungen der CUII vor ihrer Umsetzung.
Dieses außergerichtliche Sperrverfahren führte seit seiner Einführung zu 25 Sperrverfügungen, die sich gegen Hunderte von Domains richteten, die von Websites wie Kinox, Filmfans, Sci-Hub, Lib-Gen, Romslab und Totalsportek betrieben wurden. Dies reduzierte den Datenverkehr zu diesen Domainnamen deutlich und funktionierte Berichten zufolge gut. Dennoch berichtet Heise, dass gerade eine wesentliche Änderung stattgefunden hat.
Jetzt ist eine gerichtliche Aufsicht erforderlich
Im vergangenen Monat änderten die Teilnehmer der Sperrvereinbarung ihren Verhaltenskodex, was die Arbeitsweise von CUII grundlegend verändert. Künftig werden Sperrmaßnahmen nur noch dann ergriffen, wenn ein Gericht mindestens einen Internetprovider zur Sperrung einer Website anweist.
„Die CUII prüft keine Sperransprüche mehr, sondern koordiniert stattdessen die Einleitung und Durchführung von Verfahren, die Umsetzung gerichtlicher Sperrentscheidungen und die Freigabe von Domänen, die keine Rechtsverletzungen mehr darstellen“, schreibt die CUII.
Gemäß der geänderten Vereinbarung werden sich auch andere ISPs an gerichtlich angeordnete Sperren halten, selbst wenn sie selbst nicht direkt betroffen sind. Dieses System ähnelt dem Sperrsystem, das derzeit in den Niederlanden in Kraft ist .
Die Abkehr von privatisierten Sperrverfügungen ist zwar bemerkenswert, hat aber nicht direkt mit Bedenken hinsichtlich der Genauigkeit zu tun. Laut CUII liegt der Hauptgrund darin, dass die Bundesnetzagentur die Anordnungen von CUII aufgrund begrenzter Ressourcen und anderer Prioritäten nicht mehr effizient überprüfen könne.
„Die Bundesnetzagentur konnte die weitere schnelle und effektive Abwicklung des Verfahrens in der gewohnten Qualität nicht mehr gewährleisten. Sie hat die CUII daher gebeten, die Überprüfung künftig gerichtlich durchführen zu lassen“, schreibt die CUII.
Wichtige Änderungen
Gemäß der aktualisierten Vereinbarung melden Rechteinhaber potenzielle Sperrziele an die CUII. Diese wählt dann einen Internetanbieter aus, der vor Gericht verklagt wird. Ist der Rechteinhaber vor Gericht erfolgreich, informiert er die Clearingstelle über das Ergebnis. Diese fordert daraufhin andere ISPs auf, die betroffenen Domains ebenfalls zu sperren.
Das klingt zwar einfach, doch die Sperrung einer Piraterie-Website ist in Deutschland komplizierter als anderswo. Gerichte haben bisher entschieden, dass Sperrmaßnahmen nur als letztes Mittel eingesetzt werden sollten , d. h., es können bereits im Vorfeld Maßnahmen gegen den Hosting-Anbieter erforderlich sein.
Erst vor wenigen Wochen hatten sich Rechteinhaber bei der Europäischen Kommission über diese strengen Vorgaben beschwert, da diese eine schnelle und effektive Durchsetzung verhinderten. Zu den Beschwerdeführern zählen unter anderem die MPA, der BVMI, die GAME und die DFL, die alle Mitglieder der CUII sind.
„Die übermäßige Anwendung des Subsidiaritätsprinzips stellt eine unangemessene Belastung für die Rechteinhaber dar, die häufig erst rechtliche Schritte gegen in der EU ansässige Hosting-Anbieter einleiten müssen, bevor sie Sperrverfügungen erwirken können“, schrieben die Rechteinhaber.
Sobald ein Gerichtsbeschluss vorliegt und von allen teilnehmenden ISPs umgesetzt wird, ist CUII für die Überprüfung neuer Domains und Mirrors verantwortlich, die der Sperrliste hinzugefügt werden sollen. Sofern der zugrunde liegende Beschluss dies zulässt, ist kein neues Gerichtsverfahren erforderlich.
Die Entscheidung, eine gerichtliche Aufsicht einzuführen, trägt dazu bei, eine ordnungsgemäße Prüfung aller Sperranträge zu gewährleisten. Allerdings waren die Sperrentscheidungen der CUII im Allgemeinen recht gründlich; die meisten Probleme in Deutschland sind auf mangelnde Transparenz zurückzuführen.
In Deutschland gibt es keine öffentliche Übersicht über gesperrte Domainnamen, was die öffentliche Kontrolle erheblich erschwert. Erst ein damals 17-jähriger Entwickler startete eine unabhängige Überwachungsseite (https://cuiiliste.de/), woraufhin mehrere fälschlicherweise gesperrte Domains identifiziert und gemeldet wurden.
Die Rechteinhaber sind weiterhin dafür verantwortlich, die Gültigkeit der Sperrbedingungen zu überwachen. Sobald ein Domainname nicht mehr auf rechtsverletzende Inhalte verweist, benachrichtigen sie die CUII, damit die entsprechende Sperre aufgehoben werden kann.