Ich hab da mal so meine wirren Gedanken zu sortiert…fast
Es ist noch nicht sehr lange her, dass die Vorbilder junger Menschen Mahatma Gandhi oder Che Guevara hießen – und für Werte und eine Haltung standen. Heute sind die kostspieligen Produkte von Software-Entwicklern Statussymbole schon für Kinder, die Gründer und Betreiber sogenannter sozialer Netzwerke sind Stars der Pop-Kultur. Börsenspekulanten, Konzernvorstände und andere Gewinnmaximierer werden gesellschaftlich hofiert in einem Land, in dem Kindergartenplätze ebenso fehlen wie Pflegebetten für alte und kranke Menschen – in dem aber Aktienkurse direkt vor den Hauptnachrichten gesendet werden.
Die Gier eines ungezügelten Kapitalismus darf Ideale verhöhnen und sich dafür feiern lassen, Maßstab für soziales Prestige ist der größtmögliche Profit. Wer sozial denkt, wird als Romantiker bespöttelt. Der gute Mensch wird als Gutmensch verhöhnt, und Worte wie nobel oder edel, die für Haltungen standen, verwendet man bedenkenlos für Automobile oder Uhren. Eine der wichtigsten Debatten in diesem Land – die, wie man den vor Not und Elend aus ihren Heimaten geflüchteten Menschen am besten helfen kann –, wird gern im Blick auf den eigenen Besitzstand und dessen vermeintliche Gefährdung geführt.
Die Kluft wächst, überall. Der größte Teil des materiellen Besitzes fällt auf eine kleine Minderheit der Menschheit, der Turbokapitalismus ist in beiden Welten, der richtigen und der daraus parallel gewachsenen des Internets, in voller Fahrt – und nicht aufzuhalten, weil es keine ausreichenden Instrumente gibt oder weil die Gutwilligen resignieren. Man gewöhnt sich an den Irrsinn. Was unterscheidet den Achtjährigen, der glaubt, das neueste i-Phone zu brauchen, vom Emir von Katar, der sich den teuersten Fußballer der Welt leisten muss?
Um die Zukunft der menschlichen Sexualität ist es düster bestellt. Jedenfalls nach Ansicht der Sexualwissenschaft, die ihrem Gegenstand seit je düstere Prognosen ausstellt. Schon Sigmund Freud sah die Sexualität von der fortschreitenden Moderne so schwer beschädigt, dass er sie 1930 als eine «in Rückbildung befindliche Funktion» bezeichnete, vergleichbar dem Gebiss oder der Kopfbehaarung. Und heute? Heute ist im Zeitalter des entfesselten Marktes aus der Sexualität «zunehmend der Sex geworden», «der sich als lebender Leichnam lärmend an der Konsumfront zum Dienstantritt meldet». So unterdrücke die öffentliche Dauerpräsenz von Sex das Begehren der Individuen längst wirkungsvoller als alle kirchlichen Verbote der Vergangenheit.
Wann in Gottes Namen macht die katholische Kirche endlich reinen Tisch? Seit zehn Jahren kommen immer neue Missbrauchsvorwürfe ans Tageslicht. Wer nach 1990 geboren ist, der wächst mit einer katholischen Kirche als Täter-Organisation auf. Es geht dann um Missbrauchstäter, Pädophilie und Kinderschänder. Eine ganze Generation wird dadurch um die positiven Erfahrungen gebracht, die sie mit Kirche als Messdienerinnen und Messdiener, als Pfadfinderinnen und Pfadfinder oder Ehrenamtliche machen könnten. Der Vorwurf eines Betroffenen: Kinder aus einem von Nonnen geführten Kinderheim wurden von den leitenden Nonnen systematisch Priestern für Sexparties zugeführt. In Speyer soll es eine Art Zuhälterring für pädophile Priester gegeben haben.
Herr O. wuchs in einem Kinderheim neben dem Speyerer Dom auf. Laut seiner Aussage wurde er zwischen 1967 und 1975 etwa tausend Mal missbraucht. Er sei gezwungen worden, an Sexparties mit Priestern und bedeutenden Politikern teilzunehmen. Er sei Opfer eines von Priestern und Nonnen betriebenen Zuhälterrings gewesen. Wie reagieren die Nonnen auf diese Vorwürfe?
Warum lassen die Gläubigen es zu, dass die hierarchisch geführte Institution ihren Glauben immer tiefer in den Dreck zieht? Wo bleibt da der Protest? Warum ist die Strafverfolgung so schwer und warum ist die Zeit auf Seiten der Täter?