China
Grafik geralt, thx! (CC0 1.0 PD)

China: Wird die Regierung Pekings alle Bitcoin-Handelsplätze schließen?

Nach dem Verbot von Börsengängen planen Aufsichtsbehörden in China nun offenbar auch die Schließung von Handelsplattformen.

Gemäß einem Artikel des lokalen Wirtschafts- und Finanzmediums Caixin vom Freitag (08.09.2017), plant die chinesische Regierung eine weitere Beschränkung des Marktes für den Handel von Kryptowährungen in China, berichtete Reuters. Demnach würden Aufsichtsbehörden des Landes die Schließung von Handelsplattformen für Devisen, wie Bitcoin, erwägen. Reuters konnte den Bericht zunächst nicht überprüfen. Zuvor wurden bereits Börsengänge verboten.

China hat Geldsammlung per ICO verboten

Hatten Anfang September Bitcoins noch ein Rekordhoch von fast 5.000 Dollar erreicht, so brach der Kurs aufgrund dieser Ansage rasant ein. Auf der Handelsplattform Bitstamp sank er rund fünf Prozent auf 4402 Dollar ab. Mit der Begründung, dass sie „die wirtschaftliche und finanzielle Stabilität ernsthaft gefährdet hätten“ […] „ICOs sind eine Art illegale öffentliche Kapitalbeschaffung, die im Zusammenhang mit kriminellen Machenschaften wie Betrug und Schneeballsystemen stehen“, verbot die chinesische Nationalbank in einer Mitteilung zuvor schon Initial Coin Offerings (ICO).

Die Zentralbank ordnete somit den Stopp aller laufenden Finanzierungsrunden unter Strafandrohung an. Auch vergangene ICOs würden auf Rechtsverstöße überprüft. China geht somit als erstes Land aktiv gegen ICOs vor und verbietet zudem alle neuen ICOs. Bereits daraufhin sanken die Kurse der Cyberdevisen schon deutlich.

Nutzer investieren bei einem Initial Coin Offering (ICO) Kryptowährung, wie Bitcoin, in Projekte oder Unternehmen, die Finanzmittel benötigen. Unternehmen hingegen können mit einem ICO frisches Kapital generieren – ähnlich wie bei einem Börsengang (Initial Public Offering (IPO)). Dazu erschaffen sie eine neue Digitalwährung und bieten diese Investoren zum Kauf an. Die Käufer bekommen im Gegenzug sogenannte Token der neuen Währung, die auf Handelsplattformen im Netz getauscht werden können, oft gegen andere Kryptowährungen. Käufer erhalten also nicht viel mehr als das Versprechen, von einer erfolgreichen Idee in der Zukunft zu profitieren, wirtschaftet ein Unternehmen gewinnbringend, ist auch der Investor am Gewinn beteiligt. ICOs sammeln dabei Kapital, ohne den üblichen regulatorischen Einschränkungen unterworfen zu sein. Die Behörden verlieren dabei die Möglichkeit zur Kontrolle und Einflussnahme.

Schließt Peking alle Online-Handelsplätze?

Wegen der aktuellen Entwicklungen im Lande wollen immer mehr Chinesen ihr Geld lieber ins Ausland transferieren, da es jedoch strenge staatliche Kapitalverkehrskontrollen gibt, die dies verhindern sollen, war gerade bei chinesischen Unternehmen diese Art der Kapitalbeschaffung besonders beliebt. Gemäß Nachrichtenagentur Reuters gab es in China allein dieses Jahr 65 solcher Platzierungen mit einem Gesamtvolumen von 2,62 Milliarden Yuan (rund 330 Millionen Euro).

Greg Dwyer von der Krypo-Plattform BitMEX gab an, dass eine Schließung von Handelsplätzen für Bitcoin & Co. die Branche aufwirbeln würde: “Sollte sich der Zeitungsbericht als wahr herausstellen, wäre der Abverkauf von Bitcoin gerechtfertigt.” China ist weltweit einer der größten Handelsplätze für diese Währungen. Andere Experten gehen davon aus, dass ein mögliche Börsenschließung nur vorübergehend wäre. “China drückt nur den Pause-Knopf”, so Jehan Chu, Partner der Beteiligungsfirma Jen Advisors.

Auf dem Weg zur IT-Diktatur

Wie Deutschlandfunk Kultur berichtet, befindet sich China derzeit auf dem Weg in eine IT-Diktatur. So sollen bis zum Jahr 2020 alle privaten und staatlichen Datenbanken in China miteinander verbunden sein. Mit dem Ziel der Kommunistischen Partei, jegliches Verhalten zu erfassen, bewerten, belohnen oder zu sanktionieren, wird Chinas Kontrolle und Einflussnahme auf seine Bürger durch die Verknüpfung privater und staatlicher Datenbanken noch größer. Mit einem Sozialkreditsystem will man die Menschen zu moralisch einwandfreien Bürgern erziehen, es soll die Ordnung des Marktes und die Ordnung in der Gesellschaft verbessern.

Pilotstädte, die darauf hinarbeiten, wie das neue System einmal aussehen wird, gibt es bereits. Die ostchinesische Küstenstadt Rongcheng ist so ein Vorzeigeprojekt. Jeder Bürger bekommt dort ein Punkte-Konto. Exakt auf dieser Grundlage kann der Staat dann bestrafen oder auch belohnen:

Die rund 670.000 Einwohner in Rongcheng müssen ihren Sozialkredit-Punktestand regelmäßig vorweisen: Für eine mögliche Beförderung beim Arbeitgeber, für die Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei Chinas, für die Beantragung eines Kredits bei der Bank. Nichts geht mehr ohne gute Bewertung.

China: Diktatur realisiert über den Sozialkredit-Punktestand

An Lin, Sachbearbeiterin im Amt für Sozialkredit-Management, erklärt das Punktesystem näher: „Der Punktestand ist anfangs für alle gleich, nämlich genau 1000. Diese Zahl erhöht sich dann mit der Zeit – oder wird niedriger. Die höchste Bewertung ist AAA. Dann geht es nach unten weiter mit AA und dann A und so weiter. Die schlechteste Bewertung ist D – da liegt man bei unter 599 Punkten.“

Die mit einer A-Bewertung stehen auf der roten, die anderen auf der schwarzen Liste. Die auf der roten Liste werden bevorzugt behandelt: bei Zulassungen für Schulen, bei sozialen Leistungen oder auch beim Abschluss von Versicherungen. Die aus der C-Gruppe werden regelmäßig kontrolliert und bekommen bestimmte Einschränkungen. Wer in der untersten Klasse D auftaucht, qualifiziert nicht mehr für Führungspositionen, bekommt bestimmte Leistungen gestrichen und verliert seine Kreditwürdigkeit.

Zhang Zheng, Wirtschafts-Professor an der Peking Universität und einer der Initiatoren des Sozialkreditsystems, erklärt, dass bis zum Jahr 2020 im ganzen Land ein möglichst umfassendes, miteinander verzahntes System aufgebaut werden soll, ähnlich der Pilotprojekte. Er rühmt sein Projekt mit den Worten: „Die Stadt Rongcheng hat sehr viel ausprobiert. Vieles mit Erfolg. In Rongcheng herrscht eine hervorragende Ordnung. Die Bewohner, das medizinische und wirtschaftliche Umfeld – alles sehr gut. Wir ziehen daraus den Schluss, dass das Sozialkreditsystem gut für die Atmosphäre in Wirtschaft und Gesellschaft ist.“

Effektive Kontrolle von 1,4 Milliarden Bürgern

Für Murong Xuecun, Blogger, Romanautor und Dissident und einem Störfaktor des System, ist dagegen völlig klar: „Die chinesische Regierung will seine 1,4 Milliarden Bürger künftig besser und effizienter kontrollieren. Die Führung in Peking hat verstanden, dass die alten Werkzeuge der Kontrolle nicht mehr greifen: Aufenthalts-Registrierung, Polizei, Personenspitzel. Das reicht nicht im digitalen Zeitalter der sozialen Medien.

Um das System der sozialen Kontrolle entsprechend weiter zu entwickeln, schafft der Staat ein Sozialkreditsystem. Es ist Teil einer totalitären Internet-Gesellschaft des 21. Jahrhunderts.“ […] „China redet dauernd über die harmonische Gesellschaft. Aber die Harmonie, die Präsident Xi Jinping meint, unterscheidet sich von der Harmonie, wie sie Leute wie ich verstehen. Unter Harmonie versteht Präsident Xi eine strenge Ordnung, in der nur eine Stimme zugelassen ist und keine Opposition. Aber eine Gesellschaft, die so strikt von der Regierung kontrolliert wird, kann weder innovativ noch kreativ sein.“

Aber das Sozialkredit-Projekt der Führung Chinas ist bislang in Größe und Ausmaß weltweit konkurrenzlos. Kein anderes Land treibt es so radikal voran, seine Bürger im digitalen Zeitalter sozial zu kontrollieren. Und dann zu bewerten, zu belohnen und zu bestrafen.

Tarnkappe.info

Über

Antonia ist bereits seit Januar 2016 Autorin bei der Tarnkappe. Eingestiegen ist sie zunächst mit Buch-Rezensionen. Inzwischen schreibt sie bevorzugt über juristische Themen, wie P2P-Fälle, sie greift aber auch andere Netzthemen, wie Cybercrime, auf. Ihre Interessen beziehen sich hauptsächlich auf Literatur.