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Foto PM Cheung, thx! (CC BY 2.0)

VPN-Anbieter Perfect Privacy im Interview – erster Teil

Anonymität im Internet: Der langjährige VPN-Anbieter Perfect Privacy im Interview - 1. Teil. Viele Fragen stammen von unseren Lesern.

Da es Laien nahezu unmöglich ist, ihren Datenverkehr selbst zu verschleiern, müssen sie auf externe Anbieter zurückgreifen. Einer der bekanntesten VPN-Anbieter im deutschsprachigen Raum ist Perfect Privacy (PP). Leider ist eine VPN-Verbindung auch eine perfekte Überwachungsmaschinerie, sollte der Dienstleister die Nutzerdaten auswerten oder an Dritte aushändigen. Perfect Privacy gibt an, die Aktivitäten seiner Abonnenten nicht zu speichern. Wir haben im Rahmen des Interviews genauer nachgehakt.

Ende 2009 erschien ein Interview mit dem ehemaligen Perfect Privacy-Mitbetreiber Robert M. Über ihn und eine weitere Person wurde dann vor Gericht ausgesagt, sie hätten die rechtsextreme Szene mit ihrem technischen Wissen aktiv unterstützt. Der Betreiberverein Attraktor verlor daraufhin den Hamburger CCC als Mieter, die Angelegenheit schlug damals hohe Wellen, die bis heute nicht kleiner werden wollen. Im Gedächtnis vieler älterer Surfer blieb auch die Hausdurchsuchung im August 2010. Dies zeigte den Betreibern: Ein erfolgreicher VPN-Dienstleister ist stets auch ein interessantes Ziel für Ermittlungsbehörden und Geheimdienste.

Zunächst mein herzliches Dankeschön an alle Leserinnen und Leser von Tarnkappe.info, die sich im Vorfeld an der Sammlung der Fragen beteiligt haben. Der zweite Teil des Interviews wurde Pfingstmontag veröffentlicht!

Was muss ich alles bei der Nutzung beachten?

Lars Sobiraj: Die Einrichtung auf einem Rechner mit Mac OS X gestaltet sich relativ einfach: Tunnelblick (OpenVPN-Frontend) installiert, Config-Dateien von der PP-Webseite heruntergeladen und importiert, fertig. Bei Windows kommt übrigens die Software OpenVPN zur Anwendung.

Was muss ich grundsätzlich beachten, wenn ich wirklich anonym unterwegs sein will? Darf ich im Browser Flash, JavaScript oder Java anlassen? Muss ich mich bei meinem PC mit einem Gastzugang anmelden?

Perfect Privacy: Die Benutzung eines VPN-Dienstes ist nur einer von vielen Bestandteilen, um den Schutz der Anonymität zu sichern. Schon allein der technische Aspekt ist ein komplexes Thema, Browser-Tracking und potenzielle Schwachstellen via JavaScript oder Flash sind nur einige von vielen Risiken. Die Benutzung eines Gast-Zugangs im Windows-System bietet nur minimalen zusätzlichen Schutz, aber man sollte zumindest nicht mit Administrator-Rechten browsen. Für die bestmögliche Sicherheit empfiehlt es sich, ein dediziertes System für alle anonymen Aktivitäten zu verwenden, dass in keinem Bezug zur eigenen Identität steht.

Neben der technischen Sicherheit muss man aber auch auf andere Dinge achten, wie Verhaltensmuster – die beste technische Sicherheit nutzt nichts, wenn man beispielsweise unbedacht persönliche Informationen herausrückt oder über bestimmte Verhaltensmuster Hinweise auf seine Identität gibt.

Kein Platz für Cyberkriminelle

Lars Sobiraj: Wer braucht einen solchen Service wie PP? Dissidenten? Whistleblower? Oder primär Sauger und Cyberkriminelle?

perfect privacy vpn encryptedPerfect Privacy: Jeder Nutzer hat eigene Gründe, seine Identität zu schützen. In vielen Ländern wird das Internet stark zensiert und überwacht, so dass Leute auf Dienste wie VPN angewiesen sind, um uneingeschränkt an Informationen zu gelangen und zu kommunizieren. Und auch in Ländern, in denen das Netz relativ uneingeschränkt und frei nutzbar ist, gibt es gute Gründe seinen Datenverkehr zu verschlüsseln – Stichwort: Vorratsdatenspeicherung (VDS). Und Fälle wie: „Dieses Video ist in Deinem Land leider nicht verfügbar…“, wer kennt das nicht?

Was spezifische Nutzeraktivitäten betrifft: Da wir keinen Traffic loggen oder einsehen, können wir nicht wissen, wofür einzelne Kunden unseren Dienst verwenden. Aber wir haben dennoch gewisse Ansprüche an unsere Nutzer: Während wir keine Probleme mit Downloadern haben, stellen wir unmissverständlich klar, dass wir keine Plattform für “Cyberkriminelle” sind und solche auch nicht als Kunden wünschen. Schließlich sind es solche, die es Behörden erleichtern Forderungen wie VDS durchzusetzen – ganz zu schweigen von der Tatsache, dass ein Missbrauch unserer Server dazu führen kann, dass uns der entsprechende Hoster den Vertrag kündigt.

Perfect Privacy: Impressum in der Schweiz

Lars Sobiraj: Sollten die Nutzer einem Projekt vertrauen, welches Offshore gegründet und niedergelassen wurde? Warum gibt es kein deutsches Impressum oder ein Unternehmen innerhalb der EU?

Perfect Privacy: Mal ganz dreist eine Gegenfrage: Wieso sollte man einem Unternehmen in der EU oder in Deutschland mehr vertrauen? Gerade in Deutschland und in der EU ist man in der Zukunft möglicherweise mehr Schikanen ausgeliefert, als in so genannten Offshore-Ländern. Aber in erster Linie gilt sowieso erst einmal das Recht des Landes, in dem der jeweilige Server betrieben wird.

Sorgt ein Impressum für mehr Vertrauenswürdigkeit?

Lars Sobiraj: Womit meine Frage nicht beantwortet wurde. Warum gibt es aber kein deutsches Impressum oder ein Unternehmen innerhalb der EU?

TunnelblickPerfect Privacy: Ein Impressum gibt es seit einiger Zeit ebenfalls auf der Webseite, ob das einen Mehrwert im Sinne von gesteigertem Vertrauen bedeutet, muss jeder für sich selbst entscheiden.

Lars Sobiraj: Interessant, die Schweizer Vectura Datamanagement Ltd. war mir bisher nicht bekannt als offizieller Betreiber. Die technische Umsetzung wird weiterhin aus dem Ausland durchgeführt. Eine Webinvest International SA in Panama soll dafür zuständig sein. Mal eine dumme technische Frage. Wie kriegt WhatsMyIP.org meine exakte Position heraus? Zugegeben: Ich habe vorher zugestimmt, dass meine Lokalisation übertragen wurde. Das Beispiel zeigt aber dennoch, wie dünn das Eis ist, auf dem wir uns bewegen, oder?

Perfect Privacy: Es gibt unterschiedliche Methoden, so genanntes „Geolocating“ durchzuführen. Mobile Geräte wie Smartphones oder Tablets können den tatsächlichen physikalischen Standort entweder über eingebautes GPS oder über Triangulation mit den Sendestationen ermitteln. Dies muss man solchen Applikationen aber normalerweise explizit erlauben.

Eine weitere Möglichkeit ist die Ortung über die in der Umgebung sichtbaren Funknetze (WLAN). Über die Abfrage einer Datenbank welche die Namen (SSID), die MAC-Adressen sowie die GPS Positionen der sichtbaren Access-Points enthält, lässt sich der Aufenthaltsort auch ohne GPS bis auf wenige Meter genau bestimmen. Voraussetzungen hierfür sind ein eingeschaltetes WLAN und eine möglichst hohe Dichte von Access-Points, welche zusätzlich in der genutzten Datenbank eingetragen sein müssen.

Für Systeme ohne Funknetz oder GPS wird der Standort nur über die IP-Adresse ermittelt und kann bestenfalls auf eine Stadt eingegrenzt werden. Hier hilft die Verwendung eines VPN-Dienstes, da dann nur der entsprechende Standort des verwendeten VPN-Servers angezeigt wird.

Eigentlich sind wir nur eine Interessengemeinschaft für mehr Privatsphäre

Lars Sobiraj: Um doch nochmal auf den Betreiber zu sprechen zu kommen. Die Vectura Datamanagement Limited im Schweizer Zug ist erst seit Februar 2015 eingetragen. Gibt es die Firma wirklich? Wie kam es zu diesem Wechsel?

openvpn LogoPerfect Privacy: Wir wurden als Interessengemeinschaft ohne Firmenkonstruktion gegründet und lange Zeit betrieben. Dies funktioniert aber nicht ewig, gerade was Zahlungsmethoden usw. betrifft. Von daher machen wir uns natürlich Gedanken wie wir den jetzigen doch rechtlich relativ lockeren Status auch in Zukunft erhalten können und uns dennoch wirtschaftlich für die Zukunft auf sichere Füße stellen.

Deshalb wird dieses Unternehmen in Zukunft die Zahlungsmodalitäten für uns erledigen, während ein anderes Unternehmen für Betrieb und Wartung der Server-Infrastruktur verantwortlich ist. Dies ist zum Schutz von uns und unseren Nutzern der beste Weg. Als einzelnes Unternehmen macht man sich schließlich relativ leicht rechtlich angreifbar, dem wollen wir entgegenwirken.

Lars Sobiraj: Werden -wie versprochen- wirklich keine Logs angelegt?

Perfect Privacy: Wir loggen absolut keine Nutzerdaten, IP-Adressen, Logins oder gar Traffic. Das würde uns ebenso in Schwierigkeiten bringen, wie unsere Nutzer. Nur ohne Logs können wir sicherstellen, dass selbst im Falle einer Server-Konfiszierung die Sicherheit der Nutzer nicht kompromittiert ist.

Anzahl der Freiberufler schwankt je nach Bedarf

Lars Sobiraj: Wie viele Personen sind aktuell am Betrieb von PP beteiligt?

Perfect Privacy: Derzeit sind vier feste Mitarbeiter für Perfect Privacy beschäftigt aber weitere Personen arbeiten uns in nicht sicherheitskritischen Bereichen zu. Die Anzahl der für Perfect Privacy beschäftigten Leute kann sich aber relativ schnell ändern, gerade was die Zuarbeit betrifft.

Foto: Rob Pongsajapan (CC BY 2.0)
Foto: Rob Pongsajapan, thx! (CC BY 2.0)

Lars Sobiraj: In welchem Land wird die technische Infrastruktur gewartet? Welche rechtlichen Konsequenzen hat dies für Nutzer als auch Betreiber?

Perfect Privacy: Es ist es für den Nutzer wenig relevant, in welchem Land die Firma registriert ist. Für rechtliche Konsequenzen gilt vorwiegend die Gesetzeslage in dem Land, in dem der VPN-Server steht. Im Zweifelsfall wird die Rechtsanfrage an den Hoster des Servers gerichtet. Da wir aber keine Nutzerdaten speichern, gibt es unabhängig von der Gesetzeslage keine rechtlichen Konsequenzen für unsere Nutzer, weil Ihre Identität nicht ermittelt werden kann. Im schlimmsten Szenario bricht uns ein Standort weg, weil der Hoster sich gezwungen sieht, uns den Vertrag zu kündigen.

Preis richtet sich nach den Kosten

Lars Sobiraj: Damit sind Sie der Frage natürlich geschickt ausgewichen. Womit wird eigentlich der hohe Preis von Perfect Privacy gerechtfertigt?

Perfect Privacy: In erster Linie ist der Preis an unseren Kosten orientiert. Wir bieten einen hochwertigen Dienst mit vielen Features, die man bei anderen VPN-Anbietern vergeblich sucht. Wir verzichten auf Billighoster, setzen nur dedizierte Server ein und meiden Rechenzentren mit schlechter Anbindung.

Während wir im Vergleich mit anderen VPN-Anbietern teuer erscheinen mögen, wenn man nur auf den Preis schaut, finden wir dass wir unseren Dienst zu einem absolut fairen Preis anbieten. Zudem haben wir kein Interesse, im Billig-Sektor unseren Kundenkreis zu erweitern. Unsere Zielgruppe sind anspruchsvolle Nutzer, die bereit sind etwas mehr Geld für extra Features, gute Server-Infrastruktur und persönlichen Support zu bezahlen.

So können unsere Nutzer z.B. ohne Bandbreiten- oder Traffic-Begrenzung alle unsere Server und Dienste wie OpenVPN, IPSec, SSH-Tunnel, PPTP sowie HTTP- und SOCKS5-Proxys nutzen. Die Möglichkeit der Nutzung von Kaskaden und Port-Weiterleitungen sind ebenfalls Features die im Billig-Sektor nicht vorhanden sind. Hinzu kommen eine komfortabel zu bedienende Client-Software (für Windows) und kompetenter Support, auf Wunsch auch per TeamViewer.

Perfect Privacy nur ein Werkzeug von vielen für maximale Anonymität

Lars Sobiraj: Ist dieser Dienst wirklich sicher? Und wenn ja, warum ist er sicherer als die Angebote der Konkurrenz?

Perfect Privacy: Wir betreiben Perfect Privacy nach bestem Wissen und sind überzeugt, dass wir die technische Kompetenz besitzen, um einen VPN-Dienst nach aktuellem Kenntnisstand so sicher wie möglich zu betreiben. Man sollte aber nicht vergessen, dass VPN nur ein Werkzeug unter vielen ist um die Anonymität zu schützen, und es in erster Linie davon abhängt wie dieses Werkzeug eingesetzt wird. Ein VPN-Betreiber kann keine hundertprozentige Sicherheit vor allen Gefahren garantieren – wer so etwas verspricht, ist entweder unwissend oder lügt. Wir können nur versprechen, dass wir unseren Dienst mit Sicherheit als höchster Priorität betreiben.

Lars Sobiraj: Wäre ein oft genutzter VPN nicht auch ein idealer Honeypot für Ermittlungsbehörden und/oder Geheimdienste!? Die Betreiber können ja im Detail sehen, was die Anwender im Internet getrieben haben.

Perfect Privacy: Natürlich. Hier sind wir bei der Vertrauensfrage, was ein unvermeidbares Problem für Nutzer darstellt: Warum sollte ich den Aussagen eines VPN-Betreibers glauben? Der einzige objektive Messpunkt dafür ist der “Track Record”, also wie der Provider in der Vergangenheit in Punkto Vertrauen abgeschnitten hat. Im Falle von Perfect Privacy gibt es keinen einzigen Fall, bei dem ein Nutzer über Perfect Privacy identifiziert worden ist. Sollte ein solcher Fall vorkommen, wäre das zudem quasi das Todesurteil für uns, da dann vermutlich die meisten unserer Nutzer, die uns bisher vertraut haben, umgehend kündigen würden.

„Perfect Privacy hatte nie einen rechten Hintergrund…“

Lars Sobiraj: Perfect Privacy wird derzeit nach eigenem Bekunden von Personen betrieben, die politisch neutral eingestellt sind. Hat sich der rechte Hintergrund erledigt? Warum wurden die Administratoren mit rechtem Hintergrund nicht früher aus dem Projekt geworfen?

antenne mast perfect privacyPerfect Privacy: Perfect Privacy hatte nie einen rechten Hintergrund und war immer politisch neutral.

Lars Sobiraj: Nun ja, das sah damals aber doch ganz anders aus.

Perfect Privacy: Alle damaligen Vorwürfe betrafen private Angelegenheiten der betreffenden Personen und hatten nichts mit Perfect Privacy an sich zu tun.

Perfect Privacy: „Details zu Personalentscheidungen werden wir nicht öffentlich diskutieren“

Details zu Personalentscheidungen werden wir nicht öffentlich diskutieren, denn diese sind eine interne Angelegenheit wie in jedem anderen Unternehmen auch. Zudem haben ehemalige Mitarbeiter ebenso das Recht auf Privatsphäre wie unsere Nutzer.

Lars Sobiraj: Nutzen noch immer rechte Kräfte mit eurem Wissen den Dienst? Kann man als Admin überhaupt in Bezug auf die Nutzer, zwischen richtig und falsch oder gut und böse unterscheiden?

Perfect Privacy: Wir kennen die Gesinnung unserer Nutzung nicht und halten eine Unterscheidung zwischen “gut und böse” für ziemlich sinnfrei: VPN-Anbieter werden mit Sicherheit sowohl von politisch links- als auch rechtsorientierten Menschen genutzt. Uns interessieren aber weder die politischen, noch die religiösen oder sexuellen Ausrichtungen der Nutzer. Technisch sind wir auch nicht in der Lage, zwischen derlei Ausrichtungen der Nutzer zu unterscheiden und das wollen wir auch nicht. Wir unterstützen freies Internet und freie Meinungsäußerung – würden wir anfangen hier zu differenzieren, dann sollten wir den Betrieb besser gleich einstellen.

Beschlagnahmung der Beweismittel war „eindeutig rechtswidrig

Lars Sobiraj: Was hat sich bei Euch nach den ganzen Hausdurchsuchungen verändert?

Perfect Privacy: Eine Hausdurchsuchung ist immer unangenehm und natürlich haben wir uns Gedanken gemacht wie das in Zukunft verhindert werden kann. Wir möchten aber betonen, dass diese Durchsuchung keinerlei Auswirkungen auf unsere Nutzer hatte und dass es seitdem auch keine weiteren Vorfälle gab.

I2P: Wir müssen noch tiefer runter. Bild: xp0s3 Xpose (CC BY 2.0)
Bild: xp0s3 Xpose (CC BY 2.0)

Lars Sobiraj: Wie schafft ihr es euch vor weiteren Durchsuchungen bzw. Gerichtsverfahren zu schützen, wenn ihr bereits Hausdurchsuchungen hattet und den Ermittlern eure echten Daten bekannt sind?

Perfect Privacy: Dies ist ein weiterer Grund für uns, die Struktur von Perfect Privacy anzupassen und uns für die Zukunft auf rechtlich sichere Füße zu stellen. Schon allein das ist Veranlassung, eine Firma nicht in der EU oder Deutschland zu führen. Die damalige Hausdurchsuchung war eindeutig rechtswidrig. Aber angesichts der sich zuspitzenden Lage wird das in der Zukunft immer schwieriger zu verhindern sein.

VDS stellt einen großen Eingriff indie Privatsphäre dar

Lars Sobiraj: Was geschieht mit den PP-Servern innerhalb der EU, sofern EU-weit die Vorratsdatenspeicherung eingeführt wird?

Perfect Privacy: Zumindest aktuell plant die EU Kommission explizit keine erneute Vorratsdatenspeicherung, nachdem die bisherige Regelung als nicht rechtskonform und viel zu weit gehend vom EuGH gekippt wurde. Eine anlasslose und flächendeckende Massendatenspeicherung stellt einen erheblichen und unangemessenen Eingriff in die Grundrechte der Bürger dar. Dass jüngst auch zahlreiche höchste Gerichte in den Mitgliedsstaaten gegen eine VDS entschieden haben, gibt Anlass zu Hoffnung. Es bleibt abzuwarten wie sich die Lage in den einzelnen Mitgliedsstaaten entwickelt, in denen eine VDS diskutiert wird.

Da bisher noch überhaupt nicht bekannt ist, wie eine angeblich rechtskonforme VDS im Detail aussehen könnte, können wir dazu nichts verlässliches sagen. Bisher war es aber so, dass Betreiber, die ihren Nutzern lediglich Zugriff auf Server ermöglichen auch bei der VDS in Deutschland nichts speichern mussten. Von daher muss man abwarten und dann sehen wir weiter.

Sollten Maßnahmen wie VDS an von uns betriebenen Standorten tatsächlich so durchgesetzt werden, dass wir als VPN-Provider davon betroffen sind, würden wir unsere Server dort terminieren.

Behörden: Mündliche Auskünfte zumeist ausreichend

Lars Sobiraj: Welche Prozedur wird bei Anfragen von Behörden oder von Geheimdiensten eingeleitet und vollzogen? Was passiert dann im Detail?

Perfect Privacy: Es ist ganz einfach. Wir erhalten eine Anfrage der Behörden entweder via Telefon oder E-Mail. Kommt die Anfrage per E-Mail, dann antworten wir mit einer Stellungnahme die erklärt, dass wir ein VPN-Dienst sind. Und wir keine Daten speichern, die Rückschlüsse auf die Identität der Nutzer zulassen. Daher können wir leider nicht weiterhelfen.

Etwas stressfreier sind Anfragen per Telefon, da wir dies dem Beamten dann in einem meist netten Gespräch persönlich mitteilen und gleichzeitig für Verständnis werben können. Die meisten Beamten sind tatsächlich verständnisvoll, da sie wissen wie der Hase läuft und das Kriminelle genug Möglichkeiten haben, sich zu verschleiern. Ihnen ist daher auch bewusst, das die VDS nutzlos ist, gerade wenn man das Thema “Vic-Socks” bedenkt, was ganz sicher eine der miesesten Sachen im Netz überhaupt ist. Wir bieten den Beamten dann an, dass wir gerne auch eine schriftliche Stellungnahme zuschicken, was meist aber abgelehnt wird, da es nicht nötig ist. Sprich, es ist mit dem Anruf erledigt.

Perfect Privacy: Wir können die Aktivitäten der Nutzer nicht feststellen

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Bild: Westonhighschool Library, thx! (CC BY 2.0)

Lars Sobiraj: Das klingt fast zu schön, um wahr zu sein. Bei welchen strafrechtlichen oder sonstigen Delikten wird die Identität der Nutzer auf Druck der Behörden preisgegeben? Beim Filesharing spielt das sicher keine Rolle, wie sieht das hingegen bei Verstößen gegen den Hackerparagrafen aus? Wie bei Geldwäsche, Organisierter Kriminalität oder dem Vertrieb von kinderpornografischen Werken?

Perfect Privacy: Wie bereits beschrieben, haben wir keine Möglichkeit festzustellen, welcher Nutzer für welchen Traffic verantwortlich ist. Von daher sieht das bei allen Anfragen gleich aus. Bei einigen Sachen müssen wir auch sagen das dies LEIDER genauso aussieht; es gibt natürlich Aktivitäten gegen die wir an sich gerne vorgehen würden, aber nicht können. Weil es eben technisch nicht möglich ist. Doch wenn wir uns entscheiden müssen, ob wir in die freiheitlichen Grundrechte tausender Nutzer wegen drei Krimineller eingreifen sollen, so entscheiden wir uns lieber für die Freiheit der Nutzer.

Lars Sobiraj: Wenn Perfect Privacy tatsächlich niemals Daten herausgeben sollte, welchen zusätzlichen Sicherheitseffekt hast das Hintereinanderschalten (Cascading) mehrerer VPN Verbindungen?

Perfect Privacy: Cascading bietet den Vorteil, dass man sich den Entry- und Exit-Node unabhängig voneinander aussuchen kann: In einigen Ländern ist das Internet so eingeschränkt, dass keine ausländischen Server aufgerufen werden können. In diesem Fall kann der Nutzer den Eingangs-Server in seinem Land wählen, aber über einen Server in einem anderen Land auf das Internet zugreifen.

Außerdem liefert Cascading zusätzliche Sicherheit für den unwahrscheinlichen Fall, dass ein von Perfect Privacy genutzter Hoster/Rechenzentrum kompromittiert wurde. Viele Nutzer haben in der Vergangenheit per VPN+SSH kaskadiert und können sich nun mit Cascading diesen Aufwand sparen.

Perfect Privacy: Keine US-Server fürs Filesharing benutzen!

Lars Sobiraj: Wie sicher ist es, einen deutschen Perfect Privacy VPN Server zu nutzen? Kann auch darüber Anonymität gewährleistet werden? In welchen Fällen sollte man lieber auf die Server im Ausland ausweichen? In welchen Fällen sollte man keine Server nutzen, die in einem der Five Eyes-Staaten beheimatet sind? (UKUSA-Vereinbarung)

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Grafik: Ryan Van Etten, thx! (CC BY-SA 2.0)

Perfect Privacy: Technisch spielt es erstmal keine Rolle, wo der Server steht. Da alle Perfect-Privacy-Server auf die gleiche Weise sicher eingerichtet sind. Daher kann man auch bedenkenlos Server in Deutschland nutzen. Es gibt aber durchaus Fälle in denen man ganz bestimmte Serverstandorte entweder meiden oder explizit nutzen möchte.

Beispielsweise sollte man für Torrent-Traffic keine US-amerikanischen oder französischen Server benutzen, weil Copyright-Verletzungen dort sehr strikt gehandhabt werden. Tatsächlich blockieren wir dort sogar diesen Traffic, da uns sonst die entsprechenden Hoster aufgrund von Behördendruck die Server kündigen müssten. Andererseits möchte man aber explizit die US-Server nutzen, um zum Beispiel auf Streaming-Angebote von TV-Sendern wie NBC zuzugreifen.

Der zweite Teil des Interviews ist hier verfügbar.

Wer Perfect Privacy ausprobieren möchte, kann dies hier tun.

Tarnkappe.info

Lars Sobiraj

Über

Lars Sobiraj fing im Jahr 2000 an, als Quereinsteiger für verschiedene Computerzeitschriften tätig zu sein. 2006 kamen neben gulli.com noch zahlreiche andere Online-Magazine dazu. Er ist der Gründer von Tarnkappe.info. Außerdem brachte Ghandy, wie er sich in der Szene nennt, seit 2014 an verschiedenen Hochschulen und Fortbildungseinrichtungen den Teilnehmern bei, wie das Internet funktioniert.