Posteo: E-Mail-Anbieter bemängelt staatliche Willkür

Posteo: E-Mail-Anbieter bemängelt staatliche Willkür

In seinem Transparenzbericht bemängelt der Berliner E-Mail-Anbieter Posteo staatliche Wilkür und diverse falsche Anfragen.

Als erster deutscher E-Mail-Anbieter hat Posteo kürzlich einen Transparenzbericht veröffentlicht, die Deutsche Telekom zog wenige Stunden nach. Im Vorfeld wurde sogar die Bundesregierung befragt, ob ein solcher Transparenzbericht rechtmäßig sei. Beamte einer Strafverfolgungsbehörde versuchten den Betreiber im Juli 2013 zu einer rechtswidrigen Zusammenarbeit zu bewegen. Man drohte mit einer Beschlagnahmung aufgrund eines Durchsuchungsbeschlusses, den es nicht gab.

Posteo LogoPosteo folgt dem Beispiel anderer E-Mail-Anbieter

Nach dem Vorbild von Yahoo!, Google, Facebook und anderen US-Konzernen hat Posteo am 5. Mai als Deutschlands erster E-Mail-Anbieter freiwillig einen Transparenzbericht vorgelegt. Darin führt man aus, wie oft sich Strafverfolger und Geheimdienste aufgrund der Aktivitäten von Posteo-Kunden erkundigt haben. Das hat Yahoo aber nicht von seinem Treiben abgehalten.

Vorab wurde ein Rechtsgutachten eingeholt, ob dies dem Unternehmen überhaupt wegen der gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht erlaubt ist. Unterstützend wurde durch Hans-Christian Ströbele (Die Grünen) eine Anfrage erstellt. Das Bundesjustizministerium antwortete Ende Februar, es habe bei der Veröffentlichung anonymisierter statistischer Angaben durch Provider etwa zur Anzahl der Maßnahmen keine Bedenken. Die Preisgabe von Details einzelner Auskunftsersuchen sei aber nach Maßgabe des Telekommunikations- und Zollfahndungsdienstgesetzes untersagt.

Behördenwillkür in Deutschland

Der Bericht umfasst nur wenige Anfragen, das Dokument berichtet aber auch von einem Fall von Behördenwillkür. Beamte des Staatsschutzes führten laut Posteo im Juli 2013 eine Durchsuchung durch. Daneben wurde der Inhaber nach eigenen Angaben bedrängt, eine rechtswidrige Kooperation einzugehen. Posteo-Eigentümer Patrik Löhr hatte den Beamten mitgeteilt, die Herausgabe bestimmter Nutzerdaten sei ihm nicht möglich, weil diese absichtlich nicht gespeichert werden. Daraufhin haben ihm Polizisten angedroht, man nehme die komplette Büroeinrichtung im Rahmen der Durchsuchung mit. Den fraglichen Beschluss gab es nicht einmal.

Nach der Herausgabe eines Kontoauszuges zu Fahndungszwecken hat man Löhr gefragt, ob er mit der Installation einer Überwachungstechnik einverstanden sei. Mit dieser könne man feststellen, welcher Nutzer zu welcher Uhrzeit auf welches E-Mail-Postfach zugreift. Löhr gab gegenüber ZEIT ONLINE bekannt, der Beamte habe ihm gesagt, er interessiere sich nicht für Gesetze, sondern dafür, was der Geschäftsführer für ihn technisch tun könne. Die Anwälte von Posteo haben wegen des Vorfalls Dienstaufsichtsbeschwerde und Strafanzeige eingereicht.

Dazu kommt, dass nur zwei der sieben Behördenersuchen um Bestandsdaten formal korrekt waren. „Mehr als zwei Drittel der Ersuchen wurde entweder nicht vorschriftsmäßig an uns übermittelt oder es wurden Daten abgefragt, die ohne einen richterlichen Beschluss gar nicht hätten abgefragt werden dürfen.“ Wegen der beiden Fälle wurde Beschwerde beim zuständigen Landesdatenschutzbeauftragten eingelegt.

Posteo wirbt mit Datenschutz und Wahrung der Anonymität

polizeiauto_pixabayDie Pionierarbeit des Anbieters hat gute Gründe. Posteo legt sehr viel Wert auf Datenschutz und auf die Wahrung der Anonymität seiner Anwender. In der eigenen Pressemitteilung gibt man bekannt, Posteo wolle sich auch künftig bei staatlicher Willkür juristisch zur Wehr setzen. Mit der Aktion treibt man zudem die großen Anbieter vor sich her. Die Telekom veröffentlichte ihren Jahresbericht nur wenige Stunden später. ZEIT ONLINE fragte ebenfalls die Konkurrenten Vodafone, Strato und United Internet (GMX & WEB.DE), ob es auch von ihnen einen entsprechenden Transparenzbericht geben wird.

United Internet teilte mit, man arbeite an einem Modell, welches für Transparenz sorgen soll. Ein Sprecher von Vodafon gab bekannt, man plane die Veröffentlichung der Statistiken vom Bundesjustizministerium und der Bundesnetzagentur. Eigene Daten will man nicht herausgeben, bis die rechtlichen Grundlagen dafür geschaffen seien. Strato hat die Anfrage der Kollegen überhaupt nicht beantwortet.

Tarnkappe.info

Lars Sobiraj

Über

Lars Sobiraj fing im Jahr 2000 an, als Quereinsteiger für verschiedene Computerzeitschriften tätig zu sein. 2006 kamen neben gulli.com noch zahlreiche andere Online-Magazine dazu. Er ist der Gründer von Tarnkappe.info. Außerdem brachte Ghandy, wie er sich in der Szene nennt, seit 2014 an verschiedenen Hochschulen und Fortbildungseinrichtungen den Teilnehmern bei, wie das Internet funktioniert.