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Der NSA-Untersuchungsausschuss – klägliches Versagen mit Ansage

Annika Kremers Kommentar bei Tarnkappe.info zum Versagen vom NSA-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages.

Bereits am 20. März wurde im deutschen Bundestag der NSA-Untersuchungsausschuss eingesetzt, um die weit reichende Bespitzelung – unter anderem – deutscher Bürger durch den US-Geheimdienst NSA aufzudecken. Die Ergebnisse der Bemühungen des Ausschusses sind jedoch auch nach Monaten noch äußerst überschaubar. Neue Erkenntnisse gab es kaum.

Der NSA-Untersuchungsausschuss – kommentiert von Annika Kremer

Dieser Mangel an Erfolg allerdings ist nicht verwunderlich, bedenkt man die Halbherzigkeit, mit der die angeblichen Aufklärer bei ihrer Arbeit vorgehen. Eine Befragung des Whistleblowers und wichtigsten Zeugen Edward Snowden scheiterte bislang an der Weigerung, ihn nach Deutschland einreisen zu lassen. Wann immer die wirklich interessanten Fragen gestellt werden könnten, wird aus Rücksicht auf den Bündnispartner USA und dessen „Staatsgeheimnisse“ sowie die viel bemühte „nationale Sicherheit“ auf weiteres Nachhaken verzichtet. Paradoxerweise wird bei der Untersuchung von massiven Bürgerrechtsverletzungen, die erst durch die Kultur exzessiver staatlicher Geheimnistuerei überhaupt ermöglicht wurden, mit einem derartigen Respekt vor genau dieser Geheimnistuerei vorgegangen, dass es höchst verwunderlich wäre, wenn bei der monatelangen Untersuchung überhaupt irgend etwas relevantes herauskommen würde.

Ein Problem, diese alte Weisheit bewahrheitet sich einmal mehr, lässt sich nur selten mit derselben Denkweise lösen, das es hervorgebracht hat. Genau das aber wird hier – vorgeblich; in Wirklichkeit ist wahrscheinlich das Interesse unserer Regierung an einer Änderung des Status Quo eher gering bis nichtexistent – versucht. Zwar gibt es in Sachen Datenschutz und anderer Bürgerrechte sowie auch bei der allgemeinen Bereitschaft, das Wohl des Staates und der Regierung über das der Menschen zu stellen, graduelle Unterschiede zwischen Deutschland und den USA. Grundsätzlich jedoch sind in beiden Ländern, insbesondere seit dem 11. September 2001, die selben Besorgnis erregenden Tendenzen zu beobachten. Die Bekämpfung einer – tatsächlichen oder zwecks Erzeugen von Angst und Patriotismus übertriebenen – Terrorgefahr wird auch hierzulande nur allzu oft über individuelle Freiheiten gestellt.

Immerhin sind auch die deutschen Politiker – insbesondere die derzeit wieder regierenden Herrschaft von CDU/CSU und SPD – keine Kinder von Traurigkeit, wenn es um die Überwachung ihrer Bürger geht. Vorratsdatenspeicherung, Funkzellenüberwachung, Staatstrojaner, flächendeckender Platzierung von Überwachungskameras oder die aktuellen Pläne des BND zur Echtzeit-Überwachung Sozialer Netzwerke – Beispiele für gewünschte oder bereits umgesetzte Überwachungsvorhaben in Deutschland gibt es genug und die Liste ließe sich fortsetzen.

Auch die Machtstrukturen, die es den Herrschenden machbar und sinnvoll erscheinen lassen, ein derartiges Maß an Kontrolle über die Menschen auszuüben, sind hierzulande durchaus gegeben. Wer das bezweifelt, möge sich nur einmal vor Augen führen, dass es allem Anschein nach allein die Überwachung des Mobiltelefons der Bundeskanzlerin war, die zumindest ein Mindestmaß an Zorn und Kritik aus deutschen Politikerkreisen hervorrief. Die angeblichen Diener des Volkes interessiert es offenbar nur am Rande, ob Millionen von Menschen, darunter auch Berufsgeheimnisträger (beispielsweise Ärzte, Juristen und Pressevertreter), heimlich und ohne jede demokratische Kontrolle von fremden Geheimdiensten abgehört werden. Allein, wenn sie dieses Schicksal teilen, wird ihnen unbehaglich zumute.

Manche Tiere, das wusste schon George Orwell, sind eben immer gleicher als andere – das gilt auch und gerade für die „Political Animals“ in Berlin. Aber im Falle der Bundeskanzlerin lässt sich dieses Problem wahrscheinlich durch ein nettes Gespräch mit dem US-Präsidenten und ein teures Krypto-Telefon lösen, bevor man die ganze unliebsame Diskussion diskret ad acta legt, bevor noch jemand auf die Idee kommt, nachzufragen, welche Leichen denn die eigenen Geheimdienste in Sachen Bespitzelung unschuldiger Menschen im Keller haben.

Der Habitus der „Political Animals“ in Berlin

In diese Strukturen gehört auch der NSA-Untersuchungsausschuss. Die Abgeordneten, die ihm angehören, sind viel zu sehr Teil des Systems, haben selbst viel zu viel zu verlieren, um an mehr als einer Pro-Forma-Aufklärung interessiert zu sein. Risiken, das ist klar, wollen sie nicht eingehen, weder unbequeme Fragen stellen noch Snowden nach Deutschland zur Befragung laden.

Edward Snowden
Edward Snowden, der Whistleblower, der den NSA-Skandal ins Rollen brachte

Diese Mischung aus Opportunismus und Feigheit bei denen, die der Politik als Feigenblatt dienen, ist traurig und ärgerlich, aber weder unerwartet noch in absehbarer Zeit zu ändern. Weitaus schlimmer – und durchaus zu ändern – ist die Tatsache, dass diese Farce, dieses zweitklassige Reenactment eines demokratischen Prozesses von der Mehrheit der Bevölkerung ohne große Proteste hingenommen wird. Von Anfang an schienen die Snowden-Enthüllungen im Vergleich zu einigen anderen, in der Sache eigentlich weniger weitreichenden Überwachungsdiskussionen bei den Menschen auf eher geringes Interesse zu stoßen. Lediglich einige vereinzelte Demonstrationen und Online-Petitionen, noch dazu zu weit zerstreut und zu desorganisiert, um wirklich wahrgenommen zu werden, waren zu verzeichnen.

Allein ein gestiegenes Interesse für technischen Datenschutz, insbesondere Verschlüsselung, lässt sich wohl als positiver Effekt der Diskussion auf die Bevölkerungsmehrheit verbuchen. Das jedoch ist zwar für jeden Einzelnen eine sinnvolle Maßnahme, reicht aber nicht aus, um eine Veränderung auf gesellschaftlicher Ebene herbei zu führen. Dafür, das haben die letzten Monate gezeigt, müsste es für die Politiker unbequemer und eine größere Bedrohung ihrer Autorität sein, ihre Bürger weiter zu belügen und nicht vor den Übergriffen ihrer Verbündeten zu schützen, als den bisherigen Kurs weiter zu verfolgen. Nur massiver politischer Druck könnte ein Umdenken bewegen – ethische oder politische Erwägungen, das sollte mittlerweile jedem aufmerksamen Beobachter klar sein, werden dies nicht tun.

Edward Snowden ist ein erhebliches Risiko eingegangen und hat ein großes Opfer gebracht, um die Informationen über die massiven Überwachungsprojekte der NSA – sowie anderer Geheimdienste, insbesondere des britischen GCHQ – öffentlich zu machen. Was die Menschen allerdings mit den Informationen anfangen, darauf hat der Whistleblower kaum einen Einfluss. Er kann nur hoffen, dass diese Informationen den Menschen im Kampf als Waffe dienen gegen Autoritätsmissbrauch und mangelnden Respekt vor individuellen Rechten. Bislang taten sie dies nur in zu geringem Ausmaß. Es wird Zeit, das zu ändern, Zeit, für unsere Rechte kämpfen. Diejenigen nämlich, die laut Grundgesetz eigentlich unsere Vertreter und Beschützer sein sollten, werden dies nicht tun – jedenfalls nicht freiwillig.

Das klägliche Scheitern des Untersuchungsausschusses sollte dafür Beweis genug sein. Die logische Konsequenz ist nun, die Angelegenheit verstärkt in die eigene Hand zu nehmen und so lange politischen Druck auszuüben, bis sich etwas ändert. Die technischen Mittel, die eine derart massive Überwachung erst ermöglichen, können dabei zum Werkzeug werden, das die Organisation und Vernetzung der Aktivisten vereinfacht und so zu mehr Freiheit beiträgt. Das wäre nur recht; eine Erinnerung daran, dass auch Internet und Telekommunikation letztendlich nur Werkzeuge sind, die wir nutzen können, wie wir es für richtig halten. Lassen wir diejenigen, die sie für Macht und Kontrolle nutzen wollen, nicht gewinnen – zumindest nicht kampflos.

Tarnkappe.info