Wire im Interview: ein Messenger, der alles können soll

Wire im Interview: ein Messenger, der alles können soll

Wire ist ein Messenger, der wirklich alles können soll. Wir haben uns kürzlich mit dem Hersteller von Wire ausführlich unterhalten.

Der neue Messenger Wire ist so etwas wie eine Eier legende Wollmilchsau. Er soll möglichst viele Medien, Plattformen und Kommunikationsformen unterstützen, dabei Spaß machen, gut aussehen und gleichzeitig sicher und datensparsam sein. Hinter dem Projekt steckt unter anderem der dänische Mitbegründer von Skype, KaZaA und Rdio, Janus Friis. Wir haben uns kürzlich mit Julian Mair von der PR-Abteilung der Wire Swiss GmbH unterhalten.

Das deutsche Team von Wire im Interview

Als im Februar 2014 im hauseigenen Blog von WhatsApp bekanntgegeben wurde, dass man ab sofort die Daten mit Facebook austauscht, war auch dem letzten Beobachter klar, warum Mark Zuckerberg so viel Geld in dieses Unternehmen gesteckt hat. Zuckerberg wollte mit dem Erwerb von WhatsApp seinen Marktanteil bei den Messengern ausbauen. Außerdem geht es darum, die Daten plattformübergreifend zu analysieren, um sie besser an Dritte veräußern zu können. Die weitaus datensparsameren Alternativen zum Facebook Messenger und WhatsApp sind Threema, Signal und Wire. Alle drei zusammen kommen aber nicht ansatzweise an die Nutzerzahlen der beiden Messenger des Zuckerberg-Konzerns heran. Dazu kommt: Die beste Software nützt den Anwendern nichts, wenn die eigene Kontaktliste nahezu leer ist. Doch der Hersteller von Wire hat schon bekanntgegeben, dass man es beim Ausbau des Marktanteils nicht eilig hat. Aus der Vergangenheit habe man gelernt, dass man dabei einen langen Atem braucht.

Ein wenig zur Geschichte von Wire:

Internet-Nutzer älteren Semesters kennen noch den P2P-Client KaZaA Light, der auftauchte, nachdem Napster kaputt geklagt worden war. Dies war eine inoffizielle Abwandlung des Programms, die gänzlich ohne Schadsoftware auskam. KaZaA war in aller Welt weit verbreitet, kam stets ohne zentralen Server aus und verbirgt sich bis heute hinter einer Offshore-Firma, weswegen die Content-Industrie nichts dagegen unternehmen kann. Einer der Entwickler von KaZaA ist der Däne Janus Friis, der im Herbst 2011 erneut die Aufmerksamkeit erregte. Friis verkaufte Skype für 8,5 Milliarden US-Dollar an den US-Konzern Microsoft. Janus Friis war es auch, der das dezentrale FastTrack Netzwerk programmiert hat, auf dem KaZaA basiert. Doch damit nicht genug, er war beziehungsweise ist an mehreren Musik- und Video-Streamingdiensten beteiligt und gründete mit Starship Technologies eine Firma, die autonome Roboter herstellt.

Seit Dezember 2014 gibt es neben Threema und Signal noch den Schweizer Anbieter Wire. Die Server stehen in Irland, womit man mit voller Absicht im Gegensatz zu WhatsApp und Facebook unter das europäische Datenschutzgesetz fällt. Doch es gibt noch mehr Unterschiede zur Konkurrenz. Wir haben uns mit Julian Mair von der Kommunikations-Abteilung von Wire unterhalten. Die Fragen wurden hier und bei ngb.to im Vorfeld gesammelt. Außerdem wurde den Lesern Gelegenheit gegeben, Feedback zu äußern und sich neue Features zu wünschen. Auch diese Eingaben wurden von Julian Mair und seinem Team kommentiert.

Wichtiger Nachtrag: Wire speichert Kontaktdaten unverschlüsselt: Anonymität vs. Benutzerfreundlichkeit

Wire Messenger

Wire, das Interview

Tarnkappe.info: Wie oft wurde Wire bisher in etwa installiert? Welche Geräte dominieren dabei? Solche mit Android, iOS, Windows oder Mac OS X? Welches Ziel habt ihr diesbezüglich vor Augen?

Wire: Userzahlen veröffentlichen wir nicht. Daher können wir lediglich an die App Stores verweisen.

Tarnkappe.info: Bei Google Play werden aber leider keine genauen Statistiken angegeben, demnach wurde die App zwischen 1 bis 5 Millionen Mal für Android-Geräte heruntergeladen. Bei iTunes sind wir diesbezüglich gar nicht fündig geworden.

50 Personen entwickeln Wire

Tarnkappe.info: Wie viele Personen sind an der Entwicklung dieser Software beteiligt? Wie viele Menschen arbeiten ansonsten für das Unternehmen?

Wire: Unser Team besteht aus über 50 Personen, ca. 80 % sind an der Entwicklung für Android, iOS, Web und Desktop beteiligt. Die restlichen 20 % unserer Teammitglieder arbeiten in den Bereichen Design, Marketing, Administration, Customer Support, HR, Finance, Business Development, Business Intelligence & Analytics.

Übrigens suchen wir nach Verstärkung: wire.com/jobs ;-)

Tarnkappe.info: Ja, derzeit sucht ihr nicht weniger als sechs Entwickler. Gibt es eine Möglichkeit, sein Profil privat einzustellen? Bisher haben wir dazu in der App nichts gefunden. Es ist störend, dass man jeden Account finden kann, ohne die E-Mail-Adresse oder Telefonnummer zu kennen. Telegram hat dasselbe Problem und da kommt es gelegentlich auch zu Spam.

Wire: Aktuell haben wir hier noch nichts ab Werk, jedoch einen kleinen Workaround. Dazu registriert man sich per E-Mail-Adresse (nicht Telefonnummer), verwendet ein zufälliges Profilbild und einen Benutzernamen, nach dem niemand suchen würde.

Was kann der Messenger?

Tarnkappe.info: Was leistet Wire technisch, was Retroshare, Jabber oder ein IRC nicht kann?

Was Wire bietet, ist:

  • modernes User Interface
  • Multi-Device-Unterstützung für Android, iOS, MacOS, Windows, Linux und Web
  • Open Source
  • stets Ende-zu-Ende-Verschlüsselung
  • stets verifizierbare Identität
  • eine Ende-zu-Ende verschlüsselte Sprach- und Videoanrufe
  • auch eine Ende-zu-Ende verschlüsselte Gruppenunterhaltungen
  • Ende-zu-Ende verschlüsselte Gruppenanrufe
  • zudem eine Ende-zu-Ende verschlüsselte Dateiübertragungen
  • eigenständige Desktopversion ohne Smartphone nutzbar

Tarnkappe.info: Wieso muss man laut den AGBs von Wire die Rechte an allen Beiträgen, Fotos, Videos etc. abtreten? Was ist mit den Werken geplant?

Wire: Es werden keinerlei Rechte an Wire abgetreten. User erklären sich lediglich damit einverstanden, dass Wire von Usern eingereichte Daten (Nachrichten, Bilder etc.) von A (Absender) nach B (Empfänger) übermittelt werden dürfen und Wire nicht verantwortlich für dessen Inhalt ist.

Tarnkappe.info: Die Wire Swiss GmbH ist in Zug registriert. Ist das aus datenschutzrechtlicher Sicht für (deutsche) Nutzer vorteilhaft? Von Threema (Schweiz) hieß es kürzlich, das Unternehmen prüfe aufgrund jüngerer politischer Entwicklungen alternative Standorte für ihre Server und ihr Unternehmen. Wie steht ihr dazu?

Wire: Aktuell entstehen keine konkreten Nachteile durch den Standort Schweiz, wir beobachten die Situation jedoch weiterhin.

Von was bezahlt man künftig die Kosten?

wire logoTarnkappe.info: Welches Finanzierungsmodell ist geplant, sobald das Geld der Risikokapitalgeber aufgebraucht ist?

Wire: Wir planen noch im laufenden Jahr zusätzliche Premium-Funktionen anzubieten.

Tarnkappe.info: Wie will ein Unternehmen Geld verdienen, wenn nicht mit dem Verkauf der Nutzerdaten oder mit Werbung? Heute ist nichts mehr kostenlos, überall ist ein Haken dran. Zum Beispiel Discord finanziert sich über deren „Nitro“ Programm und Merchandise. Vielleicht wäre das auch was für Wire?

Wire: Wir planen noch im Jahr 2017 zusätzliche Premium-Funktionen anzubieten.

Thema Metadaten

Tarnkappe.info: Thema Metadaten: sind die auch verschleiert? Geht das überhaupt, bei Wire komplett anonym aufzutreten?

Wire: Wire speichert Logs wie Absender und Empfänger einer Nachricht für 72h Stunden, bevor sie gelöscht werden. Dies dient uns, um Support für User mit Problemen zu ermöglichen. Bei Anrufen hingegen fallen keine Logs mehr an.

Es hängt immer vom sog. “Threat-Model” ab, wie weit man bei der Anonymität gehen muss. Wenn man sich mit einer anonymen E-Mail-Adresse, verschleierten IP und einem unbekannten Gerät bei bei Wire anmeldet, dann ist dies auf jeden Fall anonym. In unseren Whitepapern informieren wir über Speicherung und Verwendung von Daten: wire.com/privacy

Tarnkappe.info: Warum bekommt man ein Hintergrundbild bei der Installation und Nutzung aufgezwungen?

Wire: Dies ist eine Design-Entscheidung und wir sind hierfür immer dankbar für Feedback.

Ein Verkauf von Daten ist unmöglich. „Wir können keine Kommunikationsdaten einsehen oder weitergeben.

Tarnkappe.info: Kann ich verschlüsselte Gespräche später auch backuppen? Ist dafür heutzutage immer eine Cloud notwendig?

Wire: Wir arbeiten hier an einer Lösung.

Tarnkappe.info: Interessant wäre vor allem die Frage der Weitergabe der Daten an Dritte. Wie aber soll dies geschehen, wenn doch alles verschlüsselt ist?

Wire: Wir können keine Kommunikationsdaten einsehen oder weitergeben, jene Daten die von uns eingesehen werden können, sind in unseren Whitepapers beschrieben: wire.com/privacy

Wire Messenger

Tarnkappe.info: Muss ich als Nutzer befürchten, dass Wire, ähnlich wie Skype, im Erfolgsfall später an Microsoft oder an eine andere Datenkrake verkauft wird?

Wire: Was mit den Daten geschieht, bzw. wie diese verschlüsselt werden, kann man jederzeit in den quelloffenen Clients einsehen. Sollte die Funktionsweise von Wire verändert werden, wäre dies ebenfalls sofort einsehbar.

Tarnkappe.info: Ein lukrativer Exit sei nicht das endgültige Ziel, sagte der CTO Alan Duric den Kollegen von der SZ. Dennoch wurde unsere Frage damit nicht wirklich beantwortet.

Der Kunde sollte nicht das Produkt sein!

Tarnkappe.info: Warum tritt man in das Geschäftsfeld Messenger ein, wo es schon so viele Wettbewerber gibt? Hat Whats App inklusive dem Facebook Messenger dort nicht schon ein Quasi-Monopol aufgebaut?

Wire: Wir sehen im Bereich der Messenger und allgemein bei Kommunikationstools einen großen Bedarf nach einem Produkt, das zugleich reich an Funktionen ist, aber zudem auch sicher ist und als Unternehmen transparent agiert.

Tarnkappe.info: Glaubt ihr, die Nutzer würden für ihren Datenschutz und Sicherheit auch künftig bezahlen, wo es im Internet heutzutage doch alles umsonst gibt?

Wire: Grundsätzlich gibt es auch im Internet nichts umsonst, schließlich müssen Dienste ja in irgendeiner Form finanziert werden. Wer bereit ist die Rechte an seinen eigenen Daten abzutreten, muss für Dienste aus dem Hause Google oder Facebook nichts bezahlen. Wir glauben jedoch, dass dies weder ein faires noch nachhaltiges Geschäftsmodell ist und sehen daher ein großes Bedürfnis nach einer Kommunikationslösung, wo man nicht selbst das Produkt ist.

Noch keine behördliche Anfragen

Tarnkappe.info: Sind die Behörden schon an die Firma herangetreten, um Informationen zu erhalten? Wie sieht das in der Schweiz rechtlich aus? Gibt es, ähnlich wie bei Posteo, einen jährlichen Transparenzbericht von Wire? Oder ist dieser geplant?

Wire: Unser Unternehmen veröffentlicht regelmäßig und seit Bestehen der App Transparenzberichte, welche auf wire.com/privacy eingesehen werden können. Bislang gab es jedoch noch keine Anfragen von Behörden.

Wire Messenger

Wire: Feedback & Feature-Wünsche

Tarnkappe.info: Was noch fehlt, ist die Möglichkeit einen PIN zu setzen, welcher beim Öffnen der App bestätigt werden muss. Telegram, Signal und Threema haben diese Funktion.

Wire: Die Möglichkeit eine PIN zu setzen wurde in der Zwischenzeit auf iOS implementiert, Android folgt.

Tarnkappe.info: Ich würde gerne für die App bezahlen in dem Wissen, dass Wire dadurch ein mir bekanntes und verständliches Geschäftsmodell hat und meine, sei es auch nur Metadaten, nicht gewinnbringend veräußern muss.

Wire: Wir planen noch im laufenden Jahr zusätzliche Premium-Funktionen anzubieten.

Tarnkappe.info: Wünschenswert wäre per Opt-in eine Statusanzeige der Kommunikationspartner. Dort wird verraten, ob sie bzw. er online ist.

Wire: Eine Statusanzeige bieten wir aktuell nicht an – aus Gründen, um die Privatsphäre zu wahren.

Tarnkappe.info: Für die Darstellung der Dialoge in der App und im Browser einen weitere Modus anbieten in der Art, wie es z.B. bei Threema angeboten wird

Wire: Wie Konversationen derzeit aussehen ist eine Design-Entscheidung, aber vielen Dank für’s Feedback.

Tarnkappe.info: Die Notification bei der Desktop-App verbessern, z.B. dass man bestimmen kann, ob ein Benachrichtigungsfenster erscheint und ob es sich automatisch nach einer bestimmten Zeit schließt oder von mir manuell geschlossen werden muss.

Wire: Ist angekommen, vielen Dank für’s Feedback.

Tarnkappe.info: Bitte die Desktop- und Browser-App unbedingt beibehalten.

Wire: Diese bleiben natürlich :-)

„Die Server werden in Irland betrieben, diese sind somit durch EU-Gesetze geschützt.“

Tarnkappe.info: Bitte Server-Standorte präzise kommunizieren, wo die Server bzw. die Cloud beheimatet ist. Also präziser: in welchen Ländern. Innerhalb oder außerhalb der EU?

Wire: Die Server werden in Irland betrieben, diese sind somit durch EU-Gesetze geschützt.

Tarnkappe.info: Ich würde mir noch einen „Kanarienvogel“ (zur Warnung vor Überwachung und Anfragen von Behörden) wünschen. Hier geht es schließlich um das Vertrauen der Nutzer und da hat sich diese „Einrichtung“ mehrfach bewährt.

Wire: Wir veröffentlichen regelmäßig Transparenzberichte über die Anfrage von Behörden, mehr dazu auf wire.com/privacy

Tarnkappe.info: Die c’t schrieb in Ausgabe 5/2017, Seite 118: „Eingehende Anrufe warfen im Test bestehende Verbindungen ohne Vorwarnung raus.“. Ohne solche Probleme wäre die App sehr viel attraktiver.

Wire: Die c’t hat unsere alte Calling 2.0-Version getestet. Mit der neuen Calling 3.0-Version haben wir viele dieser Probleme beheben können – schnellerer und zuverlässigerer Verbindungsaufbau, zudem fallen keine Logs bei Anrufen mehr an. Mehr dazu hier.

Tarnkappe.info: Wie wäre es mit einem Farbsignal für Benachrichtigungen, wie es bei Threema Whats App etc. gehandhabt wird?

Wire: Vielen Dank für das Feedback, wir versuchen dies in künftigen Entwicklungen zu berücksichtigen.

Weitere Wünsche für neue Features

Tarnkappe.info: Wünschenswert wäre eine bessere Kennzeichnung beim Suchen von Personen, wenn diese in den eigenen Kontakten enthalten sind.

Wire: Vielen Dank für das Feedback, wir versuchen gerne auch diesen Hinweis in künftigen Entwicklungen zu berücksichtigen.

Tarnkappe.info: Wie wäre eine besondere Kennzeichnung von Favoriten bei den Kontakten.

Wire: Nochmals Danke für das Feedback, wir versuchen dies in künftigen Entwicklungen zu berücksichtigen.

Messenger

Tarnkappe.info: In den meisten bekannten Kommunikations-Programmen, wie Whats App oder auch bei Telegram kann man erkennen, ob der Chatpartner die gesendete Nachricht gelesen hat. Das würde ich mir auch bei Wire wünschen.

Wire: Eine Statusanzeige bieten wir aktuell nicht an – aus Gründen, um die Privatsphäre zu wahren.

Tarnkappe.info: Toll wäre es, man könnte einen Account auf mehreren Geräten nutzen und zwar ohne Zwangsabfrage nach einer E-Mail-Adresse.

Wire: Dies bieten wir aktuell nicht an, da wir einen Weg für User haben möchten, damit diese ihr Passwort zurücksetzen können.

P.S.: Danke nochmals an unsere Leser und die User des Forums ngb.to, die gemeinsam das Feedback, die Feature-Wünsche und die Fragen an den Hersteller eingereicht haben !!!

Als Ergänzung bitte auch lesen: Wire speichert Kontaktdaten unverschlüsselt: Anonymität vs. Benutzerfreundlichkeit

Tarnkappe.info

Lars Sobiraj

Über

Lars Sobiraj fing im Jahr 2000 an, als Quereinsteiger für verschiedene Computerzeitschriften tätig zu sein. 2006 kamen neben gulli.com noch zahlreiche andere Online-Magazine dazu. Er ist der Gründer von Tarnkappe.info. Außerdem brachte Ghandy, wie er sich in der Szene nennt, seit 2014 an verschiedenen Hochschulen und Fortbildungseinrichtungen den Teilnehmern bei, wie das Internet funktioniert.