Edward Snowden
Edward Snowden

Vertagt: Entscheidung über Snowden-Vernehmung

Entscheidung über Vernehmung Snowdens in Deutschland vertagt: Der NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags verlegte den Antrag zur Vorladung auf den 8. Mai

Die Frage, ob Edward Snowden vor dem NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages vernommen werden sollte, wird nun vertagt. Die Entscheidung fällt erst nach dem Staatsbesuch, der USA-Reise, von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Mit der Mehrheit von Union und SPD verlegt der Ausschuss den Antrag zur Vorladung des Whistleblowers auf den 8. Mai.

Regierung verschiebt Entscheidung über Snowden-Vernehmung

Am Donnerstag (24.11.2016) tagte der NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags. Man hat dort einen entsprechenden Antrag der Opposition auf Vorladung des früheren NSA-Mitarbeiters Edward Snowden mit der Mehrheit der Großen Koalition von der Tagesordnung abgesetzt. Zur Begründung hieß es, man brauche mehr Zeit zur rechtlichen Bewertung der Angelegenheit. Nach dem Willen der Koalition soll dies nun frühestens in der nächsten Sitzung des Ausschusses am 8.Mai passieren. Kurz zuvor, Anfang Mai, will Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nach Washington reisen.

Der NSA-Ausschuss soll mit einer Befragung Snowdens aufklären, inwieweit Bürger und Politiker in Deutschland von der NSA und verbündeten Geheimdiensten ausspioniert wurden und ob zugleich deutsche Stellen involviert waren. Snowden lebt derzeit in Moskau im Exil, die USA fordert weiterhin seine Auslieferung, ihm droht dort die Todesstrafe. Genau das ist die Forgderung von Mike Pompeo, der unter Donald Trump CIA-Chef werden soll, für Snowden. Trump selbst hatte 2013 im Zusammenhang mit Snowden gesagt: „Es gibt da immer noch diese Sache namens Hinrichtung“.

Das Kanzleramt argumentierte bisher, Deutschland könne nicht für Snowdens Sicherheit garantieren, da er von den USA als Verbrecher gesucht werde. „Im Moment deutet nichts darauf hin, dass sich daran etwas geändert hat“, meint der SPD-Obmann im NSA-Ausschuss, Christian Flisek. Außerdem warnte die Regierung in der Vergangenheit vor einer Gefährdung des Staatswohls. Den Whistleblower auf deutschem Boden zu vernehmen, könne zu „schweren und dauerhaften Belastungen“ im Verhältnis mit den USA führen, hieß es in einer Stellungnahme 2014. Sollte man den Ex-Geheimdienstmitarbeiter anreisen lassen, würden die amerikanischen Geheimdienste „zumindest vorübergehend“ die Zusammenarbeit mit den deutschen Diensten einschränken, schrieb das Kanzleramt damals. Auch Schutz durch Asyl komme für Snowden nicht in Frage, weil der Amerikaner nach Ansicht der Regierung juristisch betrachtet kein politisch Verfolgter sei, sondern ein Straftäter.

Vernehmung würde Beziehungen zur USA belasten

Einem Beschluss des BGH gemäß muss der Ausschuss die Regierung nun darum ersuchen, zu ermöglichen, dass Snowden nach Deutschland kommen kann. Das beinhaltet allerdings auch, ihm Schutz vor einer Auslieferung in die USA zu bieten. Linkspartei und Grüne brachten daraufhin am Donnerstag den Antrag auf Amtshilfe erneut in die Ausschussberatungen ein. Ziel sei es, dass die Bundesregierung die Voraussetzungen für eine Reise und einen Auslieferungsschutz Snowdens schafft. Union und SPD können das nicht unterbinden, denn die Richterin hatte entschieden, es genüge, wenn ein „Viertel der Mitglieder des Ausschusses“ diesen Antrag befürwortet. In diesem Fall müsse ihm der Ausschuss geschlossen zustimmen. Weil also weder Union noch SPD den neuen Vorladungsantrag verhindern können, verschoben sie ihn einfach. Mit der Mehrheit der großen Koalition nahm der Ausschuss entsprechend den Tagesordnungspunkt Snowden von der Tagesordnung.

Der Ausschussvorsitzende Patrick Sensburg sagte, es stehen in der kommenden Woche zwei Entscheidungen an: zum einen ob die Koalition Beschwerde gegen die BGH-Entscheidung einlege und zum anderen wie mit dem Beschlussantrag der Opposition umgegangen werde. Aus Sicht des Ausschussvorsitzenden wäre es auch für eine Videobefragung noch nicht zu spät: „Herr Snowden kann mich jederzeit anrufen, meine Telefonnummer steht im Internet.“ Grundsätzlich schließe er aber eine Befragung Snowdens nicht aus. Es seien jedoch bis dahin noch viele Hürden zu nehmen, sagte Sensburg im ARD-Fernsehen. Der Ausschuss müsse zunächst einmal überlegen, welche Fragen an welche Zeugen zu richten seien.

Alle Möglichkeiten ausgelotet, um MdBs unter Druck zu setzen

Der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele behauptete, es sei erheblicher Druck auf die Abgeordneten der Regierung ausgeübt worden, um eine mögliche Vernehmung von Edward Snowden zu verhindern. Auch der Rücktritt des ersten Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses, Clemens Binninger (CDU), könnte laut Ströbele auf der Einflussnahme der Regierung hin erfolgt sein. Allerdings versicherte Binninger selbst: „Es gab überhaupt keine Einflussnahme.“ Seinen Rückzug begründete er mit dem Streit innerhalb des Ausschusses über eine mögliche Vernehmung Snowdens. Er habe keinen Weg gesehen, mit Grünen und Linken einen Konsens zu finden, sagte Binninger. Diese beharren auf einer Anhörung Snowdens, während Binninger mehrfach Skepsis geäußert hatte, ob eine Befragung des ehemaligen Geheimdienstmitarbeiters hilfreich sei.

Groko blockiert Vernehmung

Die Linken-Ausschussvertreterin Martina Renner beanstandete die Entscheidung: „Die Koalition blockiert weiter die Vernehmung des wichtigsten Zeugen in der NSA-Überwachungsaffäre und begeht somit Rechtsbruch.“ Der BGH habe ganz klar gesagt, dass sein Beschluss unverzüglich umzusetzen sei. Union und SPD setzten damit ihre „Blockade- und Verzögerungshaltung“ der vergangenen Monate fort. Weiterhin sagte sie, die Opposition sei besorgt, ob der Ausschuss seinem Aufklärungsanspruch noch gerecht werden könne: „Die Regierung übernimmt die Gestaltungsmacht im Ausschuss. Die muss aber bei den Parlamentariern liegen.“, auch sei der angestrebte Beschluss „willkürlich und unter Missachtung der Entscheidung des Bundesgerichtshofes“ abgesetzt.

Kritik kam ebenso vom Grünen-Obmann Konstantin von Notz: „Die Maske ist abgenommen. Der offene Rechtsbruch ist da.“ , der von den Minderheitsrechten der Opposition gedeckte Antrag sei einfach vertagt worden. „Es ist das reine Zeitspiel.“ […] „Wir müssen in die Puschen kommen“, sagte Konstantin von Notz weiter. Die Koalitionsfraktionen dürften nicht auf Zeit spielen. „Zeit haben wir nicht.“, Snowdens Asyl in Russland laufe im August aus. Eine Befragung des Amerikaners in Deutschland müsse nun dringend vorbereitet werden. Notz äußerte, die Grünen würden prüfen, ob sie rechtlich gegen die Vertagung der Antragsberatung vorgehen könnten.

Grafik: (PGP-Signatur) von Elsamuko, thx! (CC BY-SA 2.0)

Tarnkappe.info

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Antonia ist bereits seit Januar 2016 Autorin bei der Tarnkappe. Eingestiegen ist sie zunächst mit Buch-Rezensionen. Inzwischen schreibt sie bevorzugt über juristische Themen, wie P2P-Fälle, sie greift aber auch andere Netzthemen, wie Cybercrime, auf. Ihre Interessen beziehen sich hauptsächlich auf Literatur.