edward snowden
Grafik Elsamuko, thx! (CC BY-SA 2.0)

Rezension des Kinofilms „Snowden“ von Oliver Stone

Am 22.09.2016 war in Deutschland Kinostart des Dramas und Politthrillers um Edward Snowden. Auch die Tarnkappe war im Film, hier ist der Bericht.

Am 22.09.2016 war in Deutschland der Kinostart des Dramas und Politthrillers um Whistleblower Edward Snowden (Joseph Gordon-Levitt). Der Film hat mit der NSA-Spionageaffäre eines der bedeutendsten Kapitel der jüngsten US-amerikanischen Geschichte zum Thema.

Snowden – Einteilung des Films in Rückblenden

Das Hotel Mira in Hongkong ist der Ausgangspunkt einer Rahmenhandlung. Regisseur Oliver Stone zeigt die Ereignisse, wie auch das Ausmaß der folgenden Enthüllungen, dann chronologisch in Rückblenden. Ein Handlungsablauf kehrt dabei immer wieder zu der klaustrophobischen und angespannten Lage im Hotelzimmer zurück, ein zweiter skizziert Snowdens beruflichen und privaten Werdegang.

Zauberwürfel als Erkennungszeichen

Im Hotel Mira trifft sich Snowden am 3. Juni 2013 mit den Enthüllungsjournalisten des Guardian Glenn Greenwald (Zachary Quinto), Ewan Macaskill (Tom Wilkinson) und der Dokumentarfilmerin Laura Portrais (Melissa Leo). Erkennungszeichen ist ein Zauberwürfel, den er in der Hand hält. Mit im Gepäck hat er zahlreiche hochbrisante Dokumente, gespeichert auf einem Datenträger, die veröffentlicht werden sollen und ein nie geahntes Ausmaß an Überwachung und damit einer möglichen Verletzung der Privatspäre eines jeden unbescholtenen Bürgers zu Tage befördern. Es sind Daten, die beweisen, dass die amerikanischen Geheimdienste die eigenen Bürger wie auch Regierungsangehörige von Verbündeten im Namen der Terrorismusbekämpfung flächendeckend abgehört haben, wie der Drohnenkrieg im Mittleren Osten geführt wird und wie mit Malware andere Länder im Cyberspace angegriffen werden.

Keine militärische Laufbahn geplant

In einer ersten Rückblende wird Snowden zu Beginn seines beruflichen Werdeganges gezeigt. Er wollte eigentlich eine militärische Laufbahn einschlagen, jedoch ließ seine Gesundheit das nicht zu. Also bewarb er sich als Computerfachmann bei der CIA. Er war patriotisch gesinnt und wollte so seinem Land dienen. In Ausbilder Corbin O’Brian (Rhys Ifans) findet er einen starken Mentor. Zunächst darf er dort seine PC-Kenntnisse unter Beweis stellen. Normalerweise brauchten die Bewerber für die gestellte Aufgabe fünf Stunden, Snowden präsentiert die richtige Lösung bereits in 38 Minuten. So erhält er Aufmerksamkeit. Über eine Sicherheitsfirma, die für die CIA arbeitet, schafft er es zum US-Geheimdienst. Bald ist er Netzwerktechniker bei der NSA, höchste Sicherheitsstufe mit Zugang zu allen geheimen Daten.

Den Gegenpol zur nimmersatten Datenkrake namens NSA (mehr dazu) erlebt Snowden bei seiner Freundin Lindsay (Shailene Woodley), die sich als überaus leidenschaftliche Vertreterin liberaler Werte erweist. Ihm selbst kommen zunehmend Zweifel bei seiner Arbeit. „Ich lag falsch“, erkennt der idealistische Agent enttäuscht, als Hoffnungsträger Obama seine Geheimdienste eben nicht an die Kette legt und von Datenschutz und Privatsphäre nur noch wenig wissen will. Je mehr Snowden erfährt, mit welchen umfassenden Methoden die NSA unfassbare Mengen an Daten sammelt, desto größer werden nicht nur die Zweifel an seiner Arbeit, sondern auch seine Gewissenskonflikte nehmen zu. „Terrorismus ist nur die Ausrede. Es geht um Kontrolle“, heißt es einmal im Film.

Den Einsatz von Snowden kann man nicht hoch genug einschätzen

Für Snowden wird zunehmend klar: Er muss diese Aktivitäten der staatlichen Überwacher an die Öffentlichkeit bringen. Sein Einsatz ist enorm. Das Leben des 29-Jährigen hat sich radikal verändert. Doch auch für das politische System wird nichts mehr so sein wie zuvor.

Sich einmal darüber bewusst geworden, dass das der einzig gangbare Weg für ihn sein wird, er es seinem Gewissen schuldig ist, zieht er es durch: Von den Daten-Raubzügen im Netzwerk der NSA bis nach Hongkong, in den dritten Stock des Hotels. Nur manchmal holt ihn die reale Welt ein: „Ich habe keine Ahnung, wie meine Zukunft aussehen wird, aber meine größte Angst ist , dass sie meine Familie jagen werden, meine Freunde, meine Partnerin. Aber damit werde ich den Rest meines Daseins leben müssen. Ich werden nie mehr Kontakt zu ihnen haben.“

Er müsse sich keine Sorgen um morgen machen, lässt ihn Stone am Filmende in die Kamera sagen, er wisse, dass er bereits geleistet habe, was er in diesem Leben leisten könne. Stone erlaubt sich am Schluss den Witz, den realen Edward Snowden, inzwischen in Moskau, in einer Überblendung selbst in den Film zu holen. „Snowden“ kommt zu dem Schluss: Die Verantwortung für das Erbe von Edward Snowden liegt nicht bei ihm. Sie liegt bei uns.

IT Sicherheit neu bewertet

So haben seine Enthüllungen dafür gesorgt, dass Themen wie Internetsicherheit, Datenschutz und die Arbeit unserer Geheimdienste völlig neu bewertet wurden.

In einem Interview mit Glenn Greenwald am 06. Juni 2013 in Hongkong äußerte Snowden seine Bedenken: „Die größte Furcht die ich habe, was den Ausgang dieser Enthüllungen für Amerika angeht, ist, dass sich nichts ändert. Die Menschen sehen in den Medien all diese Enthüllungen. Sie werden den Umfang kennen, dass die Regierung sich einseitig Machtbefugnisse aneignen wird, um größere Kontrolle über die amerikanische und globale Gesellschaft zu erschaffen, aber sie werden nicht willens sein die notwendigen Risiken auf sich zu nehmen und zu kämpfen um Dinge zu verändern, um ihre Repräsentanten zu zwingen tatsächlich für ihre Interessen einzustehen.“

Fazit

„Snowden“ hat bereits in seiner Entstehungsphase für Furore gesorgt: Amerikanische Filmstudios wiesen das Drehbuch zurück und der Filmstart musste um knapp ein Jahr verschoben werden.

Auch drei Jahre nach seinen spektakulären Enthüllungen sitzt Whistleblower Edward Snowden noch immer im russischen Exil fest. In den USA hatten sich zuletzt die Forderungen nach Snowdens Begnadigung durch US-Präsident Barack Obama gehäuft. Amnesty International und weitere Menschenrechtsgruppen riefen Obama erst kürzlich dazu auf. Die US-Regierung bekräftigte aber, dass sie Snowden vor Gericht sehen wolle. Bei der Weltpremiere in Toronto verkündete Stone, dass der Whistleblower sich jederzeit der USA stellen würde – unter der Bedingung der Zusicherung eines fairen Prozesses.

Insgesamt neun Mal hat Stone in Vorbereitung seines Filmes Snowden in seinem Asyl in Moskau besucht. Zusammen mit seinem Drehbuchautoren Kieran Fitzgerald ist er eingetaucht in die Welt der NSA. Die NSA sei noch immer eine geheime, verschlossene Welt, bis Edward Snowden kam, habe sich keiner für ihr Tun interessiert, sagt Stone: „So it is really an undercover, it is a detectiv story. For me it is exciting, it is like JFK, it goes into something, that we dont know.“

Regisseur Oliver Stone zeigt in dem Film für alle nachvollziehbar den Werdegang dieses Mannes, der es für seine moralische Pflicht und Überzeugung hielt, trotzdem er wusste, was da noch auf ihn zukommen würde an Repressalien, die breite Öffentlichkeit über die exzessiven Ausspähpraktiken der Sicherheitsbehörden überall auf der Welt umfassend zu informieren. Das Biopic lebt nicht zuletzt auch von seinen überzeugenden Darstellern.

Der Darsteller sieht dem Protagonisten recht ähnlich

Joseph Gordon-Levitt, der Snowden-Darsteller äußerte: «Ich bin Edward Snowden dankbar.» Wahrscheinlich spielte er Snowden gerade deshalb so überzeugend. Er sieht Snowden nicht nur äußerlich sehr ähnlich, sondern vermittelt auch die im Laufe der Zeit gewachsenen, veränderten Lebenseinstellungen sehr realistisch.

Seine Freundin Lindsay Mills, gespielt von Shailene Woodley wird sehr differenziert dargestellt. Sie säht erste Zweifel in Snowdens Systemtreue und ist gleichzeitig seine emotionale Stütze. Mit Mills kann Snowden nicht über seine streng geheime Arbeit sprechen, doch immer wieder nehmen seine schockierenden Einblicke auch Einfluss auf ihr gemeinsames Zusammenleben.

Neue Erkenntnisse kann man von diesem Film zwar keine erwarten. Wohl aber ein engagiert-aufklärerisches Politdrama, das zuweilen spannend wie ein Thriller ausfällt. Etwa dann, wenn der Protagonist die Beweisdaten heimlich auf einen Datenträger kopiert, diesen dann in einem Rubik-Zauberwürfel versteckt. Er schmuggelt ihn so aus dem NSA-Gebäude heraus, um ihn schließlich den Journalisten zu übergeben. Somit wurde die „Büchse der Pandora“ für uns geöffnet, die ja bekannterweise alle Übel dieser Welt beinhaltete. Aber außerdem zusätzlich noch etwas sehr wichtiges obendrein, nämlich die Hoffnung.

Tarnkappe.info

Über

Antonia ist bereits seit Januar 2016 Autorin bei der Tarnkappe. Eingestiegen ist sie zunächst mit Buch-Rezensionen. Inzwischen schreibt sie bevorzugt über juristische Themen, wie P2P-Fälle, sie greift aber auch andere Netzthemen, wie Cybercrime, auf. Ihre Interessen beziehen sich hauptsächlich auf Literatur.