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Foto ICANN, thx! (CC BY-SA 2.0)

Läutet ICANN das Ende der anonymen Domains ein?

Die Pläne einer Arbeitsgruppe der ICANN lässt nichts Gutes erahnen. Die anonyme Domain-Registrierung soll möglicherweise deutlich eingeschränkt werden.

ICANN. Die Kreativwirtschaft drängt schon länger darauf, die anonyme Domain-Registrierung deutlich einzuschränken. Betreiber kommerziell genutzter Webseiten sollen künftig ausgeschlossen werden. So verlangt man die Offenlegung der Identität der Domain-Inhaber ohne Gerichtsurteil oder gerichtliche Vorladung.

Seit dem Jahr 2013 arbeitet die Non-Profit-Organisation ICANN auf Drängen der US-Strafverfolgungsbehörden an einer Neuregelung der WHOIS-Einträge. Dabei soll der Datenschutz deutlich beschnitten werden. Diversen Unternehmen der Kreativwirtschaft sind vor allem die Dienstleistungen der Privacy and proxy services (kurz: P/P services) ein Dorn im Auge. Derartige Unternehmen halten die Anschrift, Telefonnummer und E-Mail-Adresse des tatsächlichen Domain-Inhabers geheim. Neben den Strafverfolgungsbehörden (die Internetverwaltungsorganisation ICANN hat ihren Hauptsitz in den USA) stören sich vor allem Unternehmen der US-amerikanischen Unterhaltungsindustrie an so viel Datenschutz.

Ein Teil der von der ICANN eingesetzten Arbeitsgruppe legt nahe, dass man die Identität aller kommerziell genutzter Domains (unter bestimmten Umständen) offenlegen muss. Laut der Privacy & Proxy Services Accreditation Issues Working Group (kurz: PPSAI WG) soll ein Whois-Schutz kommerzieller Angebote verboten werden.

Ob nun bewusst oder unbewusst: Der Begriff kommerziell wird dabei nicht klar definiert. So könnten neben Webseiten zum Zweck von finanziellen Transaktionen oder des Online-Einkaufs (E-Commerce) auch solche Webseiten gemeint sein, die lediglich Informationen bereithalten. Bislang soll innerhalb der Arbeitsgruppe keine Einigkeit darüber herrschen, wie man privat genutzte von kommerziellen Webseiten abgrenzen will. Einigkeit besteht aber offenbar in dem Punkt, dass man in allen Fällen einer kommerziellen Nutzung die wahre Identität der Domain-Inhaber auch ohne Gerichtsverfahren aufdecken muss. Ob der Vorschlag in dieser Form angenommen wird und wann, bleibt noch abzuwarten.

Screenshot von https://lookup.icann.org/, icann
Screenshot von https://whois.icann.org

In Anbetracht dieser Zukunftsaussichten ließ der Shitstorm nicht lange auf sich warten. Auf der ICANN-Seite gingen seit Anfang Mai über 11.000 Kommentare ein, von denen einige sehr bissig formuliert wurden. Alex Deacon vom Filmverband MPAA versucht die Kritiker in seinem Blogbeitrag ein wenig zu beschwichtigen. Deacon spricht von gezielten Fehlinformation, die man im Web verbreitet. So habe die Arbeitsgruppe einen Standard ausgearbeitet, wonach die Identität von Webseitenbetreibern nicht beliebig offengelegt werden könne. Dafür müssten schon schlüssige Beweise vorliegen.

Pläne der ICANN wären folgenreich

Trotzdem muss man festhalten: Für Online-Piraten sind die Zukunftspläne der ICANN zweifelsohne folgenreich. Sollte bei einer Streaming-Website z.B. schon das Angebot von Filmwerken als Bereithalten von Informationen gewertet werden, hätte dies zur Folge, dass die Nutzung der Domain laut der schwammigen Definition als kommerziell gewertet wird. Damit wäre auch ohne die Unterschrift eines Richters eine erzwungene Offenlegung der Anschrift des Domain-Inhabers möglich. Das wäre natürlich im Sinne der Rechteinhaber, die bei der Verfolgung von illegalen Online-Angeboten aufgrund des Domain-Schutzes bisher leer ausgegangen sind. Laut einer aktuellen Studie der Universität von Chicago nehmen derzeit bis zu 20% aller Domain-Inhaber den Schutz ihrer Identität in Anspruch.

icann whois protectionNatürlich würden die Profis des Graubereichs auch solche Hürden nehmen, indem Strohmänner für die Angabe ihres Namens finanziell entlohnt werden. Das läuft z.B. bei der Gründung von Schweizer Briefkastenfirmen Aktiengesellschaften auch nicht viel anders. Trotzdem könnte man die Tätigkeit der Online-Piraten damit deutlich komplizierter gestalten.

Wer sich weitergehend informieren will, kann dies beispielsweise auf der Webseite Respect Our Privacy tun. An der bereits ausgelaufenen Unterschriftenkampagne zum Protest gegen die geplanten Änderungen haben zahlreiche Personen teilgenommen. Interessante (wenn auch leider nicht top aktuelle) Details über die Non-Profit-Organisation sind hier auf einem ICANN-Watchblog verfügbar.

Tarnkappe.info

Lars Sobiraj

Über

Lars Sobiraj fing im Jahr 2000 an, als Quereinsteiger für verschiedene Computerzeitschriften tätig zu sein. 2006 kamen neben gulli.com noch zahlreiche andere Online-Magazine dazu. Er ist der Gründer von Tarnkappe.info. Außerdem brachte Ghandy, wie er sich in der Szene nennt, seit 2014 an verschiedenen Hochschulen und Fortbildungseinrichtungen den Teilnehmern bei, wie das Internet funktioniert.