Innenministerium verbietet indymedia Linksunten

Innenministerium verbietet indymedia Linksunten

Die linksextremistische Internetplattform „linksunten.indymedia.org“ wurde heute offiziell vom Bundesinnenministerium verboten.

Mit den Worten „Der Weiterbetrieb der Seite ist ab sofort eine Straftat“ hat Bundesinnenminister Thomas de Maizière die Anfang 2009 gestartete linksextremistische Internetplattform „linksunten.indymedia.org“ verboten. In der Begründung für das Vorgehen gegen die Website heißt es in der Pressemitteilung des Ministeriums, das Portal laufe »nach Zweck und Tätigkeit den Strafgesetzen zuwider« und richte sich gegen die »verfassungsmäßige Ordnung«.

So informierte Thomas de Maizière die Öffentlichkeit am Freitagvormittag in Berlin über Details. Laut Innenminister wäre Linksunten.indymedia „die bedeutendste Internetseite für gewaltbereite Linksextremisten in Deutschland“. Weiter führte er an: „Seit Jahren nutzen sie diese Plattform, um Hass gegen Andersdenkende zu säen.“ Sie würden gezielt zu Angriffen gegen Personen und Sachen aufrufen und detaillierte Anleitungen zum Bau von Brandsätzen veröffentlichen. „Es darf keine Rückzugsräume für Extremisten von links und von rechts geben – weder außerhalb noch innerhalb des Internets“, sagte der Minister am Freitag in Berlin.

In seiner Erklärung bezeichnete Bundesinnenminister Thomas de Maizière den Verein als „linksextremistisch“ und machte ihn für die gewaltsamen Ausschreitungen bei den G20-Protesten in Hamburg mit verantwortlich: „Der Aufruf zu Gewalt gegen Polizisten und deren Bezeichnung als ‚Schweine‘ und ‚Mörder‘ soll Gewalthandlungen gegen Polizisten legitimieren. Er ist Ausdruck einer Haltung, die die Menschenwürde mit Füßen tritt. Das ist absolut inakzeptabel und mit unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht vereinbar“.

Der Inhalt der Seite sei eine „fundamentale Missachtung unserer Gesetze und verstößt gegen die Werteordnung unseres Grundgesetzes“, sagte de Maizière. Er bezog sich dabei auf eine siebenseitige Auflistung mit Beiträgen auf „linksunten.indymedia“. Darunter waren Texte mit strafbaren und verfassungsfeindlichen Inhalten sowie Bekennerschreiben zu Straftaten. Das Ministerium verbreitete am Freitag Beispiele, wie: „Wir wollen Genoss*innen motivieren in Hamburg und anderswo zum G20 Krawall zu machen“, heißt es in einem Artikel. „Wir haben den Fuhrpark der Bundespolizei in Magdeburg in Brand gesetzt“, in einem anderen. „Mit einer Feuerwerksbatterie lassen sich die Bullen unter Dauerfeuer nehmen“, im nächsten.

Genutzt wurde linksunten.indymedia auch von Linksextremisten, die dort u.a. Bekennerschreiben veröffentlichten, darunter zu Brandanschlägen auf Bundeswehr- und Polizeifahrzeuge oder auf Signalanlagen der Bahn. Zudem sind Chat-Verläufe und Telefonlisten über die Plattform veröffentlicht worden, ein Grund, weshalb die Plattform im Verfassungsschutzbericht 2016 auftauchte. Zum Geschäftsprinzip von linksunten.indymedia gehörte es allerdings, ihre Autoren nicht zu kennen.

Begründet wurde das Verbot mit einem Paragraph des Vereinsgesetzes und umfasst laut Veröffentlichung im Bundesanzeiger das Verbot, die Internetseite zu betreiben sowie sonstige „Internetpräsenzen des Vereins“, wie auf Twitter. Dabei ist „linksunten.indymedia“ kein Verein, sondern wurde von einem globalen Netzwerk von Medienaktivisten betrieben. Die Betreiber wurden demnach von den Behörden als Verein eingestuft, obwohl es formal gar keinen solchen gibt. Den Weg über das Vereinsverbot begründete der Minister damit, dass es schwierig sei, gegen einzelne Artikel auf der Plattform strafrechtlich vorzugehen, da diese in der Regel anonym veröffentlicht würden. Daher hätten Behörden kaum Möglichkeiten, gegen die Autoren zu ermitteln. Mit dem Verbot des deutschen Ablegers des weltweiten Netzwerkes Indymedia sollen dem Minister zufolge der „dahinter stehende Verein“ zerschlagen und zudem die dahinter stehenden Gelder eingezogen werden. Somit handelt es sich, auch wenn Linksunten.Indymedia nicht in ein Vereinsregister eingetragen ist, dem Bundesinnenministerium nach faktisch um einen Verein, dessen Mitglieder keine schriftlichen, sondern lediglich mündliche Verträge schließen mussten.

Als maßgebliche Köpfe hinter „linksunten.indymedia“ hat das Bundesamt für Verfassungsschutz drei Personen identifiziert. Laut Spiegel-Bericht handelt es sich dabei um die Freiburger Aktivisten Marco L., Fiona P. und Stephan W., die als Betreiber des radikalen Forums galten. Polizisten stellten ihnen am Freitagmorgen gegen 5.30 Uhr die Verbotsverfügungen zu und durchsuchten unter anderem ihre Wohnungen. Dabei fanden die Beamten nach offiziellen Angaben nicht nur Computer und IT-Technik, sondern auch Messer, Stöcke, Rohre, Zwillen, einen Teleskopschlagstock sowie Butterflymesser. Insgesamt jedoch durchsuchten Beamte der baden-württembergischen Polizei fünf Objekte in Freiburg. Zudem erhöhte die Polizei ihre Präsenz dort – unter anderem für den Fall, dass es Protestaktionen geben sollte. Auch in anderen Ländern stellten sich die Sicherheitsbehörden auf Reaktionen der linksextremen Szene ein. Strafrechtliche Ermittlungen laufen gegen sie noch nicht: Zwar wäre es strafbar, wenn sie linksunten.indymedia.org weiterhin betreiben, allerdings wurde die Seite ja noch am Freitag vom Netz genommen und rückwirkend gilt das Verbot nicht.

Kritik am Verbot gab es, wie erwartet von linker Seite, aber auch – und das unvermutet – von der Polizei: Gegenüber dem Hamburger Abendblatt äußerte sich Jan Reinecke, Hamburger Landesvorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK) dahingehend, dass das Verbot „mehr Wahlkampf-Symbolik als sinnvoller Kampf gegen Linksradikale“ sei. Vielmehr sei die Plattform sogar nützlich gewesen, sie war „polizeitaktisch sogar wichtig, um die Szene, ihre Pläne und Bekennerschreiben zu beobachten. Das fehlt den Polizisten nun in Zukunft“.

Bundesjustizminister Heiko Maas begrüßte das Verbot: Extremismus dürfe keinen Platz haben, auch nicht im Internet. Auch Sachsens Innenminister Markus Ulbig nannte das Verbot als „außerordentlich wichtig“. Die Seite habe Linksextremisten immer wieder eine Plattform geboten, „um öffentlich zur Begehung von Straftaten aufzurufen, Gewaltaktionen zu planen und diese anschließend zu verherrlichen“.

Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Ulla Jelpke, bezeichnet das Verbot von indymedia.linksunten in einer Pressemitteilung als „illegitimem Akt der Zensur“. Der linke Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko sieht in der Maßnahme ein „fatales Signal gegen linken Journalismus“.

Der sächsische Grünen-Politiker und Rechtsanwalt Jürgen Kasek hält das Verbot für gewagt: »Dass auf der Internetseite auch strafrechtlich relevante Texte standen, ist unbestritten. Allerdings reicht das nicht aus, sondern der Verein selber muss dies aktiv fördern und verbreiten«, heißt es in einer Stellungnahme. Das Ministerium habe im vorliegenden Fall eine Haftung für die eingestellten Inhalte »konstruiert«. Kasek ist sich daher keinesfalls sicher, ob das Verbot rechtlich Bestand hat. »Bei Licht betrachtet dürfte es vor allen Dingen darum gehen, ein Zeichen gegen ‘Linksextremimus’ zu setzen und im Wahlkampf Handlungsfähigkeit und Stärke zu demonstrieren.«

Für juristisch fragwürdig hält auch die netzpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Halina Wawzyniak, das Verbot auf Grundlage des Vereinsgesetzes. »Aber seit wann ist eine Plattform ein Verein?«, fragt die LINKEN-Netzexpertin auf Twitter.

Bildquelle, thx! (CC0 Public Domain)

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Über

Antonia ist bereits seit Januar 2016 Autorin bei der Tarnkappe. Eingestiegen ist sie zunächst mit Buch-Rezensionen. Inzwischen schreibt sie bevorzugt über juristische Themen, wie P2P-Fälle, sie greift aber auch andere Netzthemen, wie Cybercrime, auf. Ihre Interessen beziehen sich hauptsächlich auf Literatur.